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Repetitorium

DIE NIERE – TEIL 2

Die Nieren dirigieren viele wichtige Prozesse in unserem Körper. Bei Nierenerkrankungen werden daher nicht nur die Organe selbst, sondern auch andere Körperfunktionen in Mitleidenschaft gezogen. Häufig liegen Vorerkrankungen vor.

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Sind die Nieren in ihrer Funktion beeinträchtigt, können Abfallstoffe, Arzneistoffe und Flüssigkeit nicht mehr ausreichend eliminiert werden. Je nach Schwere der Krankheit sind noch weitere Systeme betroffen: Signalstoffe und Enzyme können nicht in benötigter Menge produziert werden, anabole Stoffwechselprozesse sowie Blutdruck- und Hormonregulation können gestört sein. Neben Tumorerkrankungen, Steinleiden oder anatomischen Abweichungen betreffen die krankhaften Veränderungen vor allem die Glomerula oder die Nierentubuli.

Während bei letzteren eher Intoxikationen oder Infektionen (vor allem bakteriell bedingt) zugrunde liegen, spielen bei ersterem autoimmune Prozesse eine Rolle. Betroffene bemerken die Veränderungen häufig nicht sofort, die Nieren kompensieren Gewebeschäden für eine Zeit, Symptome treten erst spät auf. Letztlich führen aber alle Beeinträchtigungen unbehandelt zu einer akuten oder chronischen Niereninsuffizienz, bis hin zur Dialysepflicht.

Die Nieren unter Beschuss Die Gefahr kommt nicht immer von außen. Ein großer Teil der dialysepflichtigen Menschen litten im Vorfeld unter Hypertonie, Diabetes und/oder Gicht, auch bestimmte rheumatische Erkrankungen bedingen Niereninsuffizienzen. Die diabetische Nephropathie gilt in Deutschland als der häufigste Grund für eine terminale Niereninsuffizienz. Unabhängig von der Stoffwechselstörung, also egal ob ein Typ-1- oder Typ-2-​Diabetes vorliegt, führen dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel zu Schäden an den Nierenkörperchen. Erste Anzeichen sind nachweisbare Mengen Albumin im Urin, das normalerweise zu groß für die Filter der Nieren ist (Mikroalbuminurie).

Im Verlauf können mehr als 300 Milligramm im 24-Stunden-Sammelurin auftreten (Makroalbuminurie oder Proteinurie), gleichzeitig nehmen die Proteine im Blut ab (Hypoalbuminämie) und der Anteil der Blutfette steigt an (Hyperlipidämie). Hohe Proteinverluste führen langfristig auch zu einer verminderten Antikörperproduktion, die Infektanfälligkeit nimmt zu. Kompensationsprozesse verschlimmern die Situation noch, denn Plasmavolumenverluste werden durch eine erhöhte Wasser- und Natrium- rückresorption ausgeglichen, der Blutdruck steigt also, wodurch die Nierendurchblutung ebenfalls steigt.

Durch die Druckerhöhung verdicken die Membranen der Nierenkörperchen, das Gewebe vernarbt und ist dauerhaft entzündet (ohne bakterielle Beteiligung), wodurch die Filterfunktion weiter eingeschränkt wird. Hohe Blutglucosewerte führen gleichzeitig zu arteriosklerotischen Veränderungen im Nierengewebe, der Blutfluss wird gestört und der Blutdruck weiter erhöht. Die konsequente Einstellung des Diabetes mellitus, die Therapie der Hypertonie sowie eine gesunde Lebensführung können, frühzeitig begonnen, eine terminale Niereninsuffizienz verhindern.

Analgetikaniere

Nach jahrelangem, hohem Analgetika-Gebrauch kann sich eine chronische Nierenentzündung einstellen, im Extremfall entwickelt sich ein vollständiges Nierenversagen. Fälle von Analgetikanephropathien traten gehäuft unter der Therapie mit dem Schmerzmittel Phenacetin auf, vor allem in Kombination mit Coffein oder Codein. Seit 1986 ist das Präparat außer Handel. Lange Zeit stand der Nachfolger Paracetamol unter Verdacht, Nierengewebe ebenso zu schädigen und zwar durch Hemmung der Produktion von Prostaglandin E2, das zur Vasodilatation und damit zur Mehrdurchblutung der Niere führt.

Doch zeigten Studien, dass eher von einer Phenacetin-Niere als einer Analgetika-Niere gesprochen werden sollte, denn der Verdacht gegenüber Paracetamol bestätigte sich nicht. Dennoch steigt bei Analgetika-Konsum (sowohl NSAR als auch Paracetamol) das Risiko für Nierenschäden, vor allem für die Patienten, die bereits Vorschäden tragen oder ein erhöhtes Risiko für Nierenerkrankungen aufweisen (Diabetiker, Hypertonie-Patienten, Menschen mit metabolischem Syndrom).

EntzündungenGlomerulonephrititiden umfassen verschiedene entzündliche Erkrankungen der Nierenkörperchen, die Ursachen können sehr unterschiedlich sein, Bakterien sind jedoch nicht beteiligt. In der Regel sind die Glomerula beider Nieren betroffen, der Verlauf kann akut, progredient oder chronisch sein. Neben den bereits erwähnten Stoffwechselstörungen, können auch andere systemische immunologische Grunderkrankungen Auslöser sein. Zum Beispiel der systemische Lupus erythematodes, bei dem Autoantikörper zu Gefäßentzündungen beitragen können. Aber auch virale Infektionskrankheiten wie Hepatitis B oder C und HIV, sowie Krebserkrankungen oder Drogenkonsum können entzündliche Glomerula-Schäden verursachen.

In all diesen Fällen spricht man von sekundären Glomerulonephrititiden. Dazu zählen auch Vergiftungen oder Schäden durch die Einnahme von Medikamenten wie beispielsweise Gold, Quecksilber oder Penicillamin. Primäre Krankheitsformen beinhalten autoimmune Prozesse, die sich speziell gegen die Nieren richten. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die IgA-Nephritis, auch Morbus Berger genannt. Fehlerhafte IgA-Antikörper lagern sich an den Glomerula an, das Immunsystem wird daraufhin aktiviert und leitet chronische Entzündungen im Nierengewebe ein. Eine ursächliche Therapie gibt es nicht, es wird medikamentös versucht, die Nierenfunktion zu unterstützen.

Auch die Nierentubuli und der sie umgebende Zwischenraum können sich entzünden. Diese interstitielle Nephritis kommt relativ selten vor, kann ebenfalls akut oder chronisch verlaufen und unterschiedliche Ursachen haben. So können Giftstoffe, Medikamente, Virusinfektionen oder Strahleneinwirkung, ebenso wie Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise Sarkoidose Grund für die entzündungsbedingten Schäden sein. In den meisten Fällen sind es jedoch Noxen wie Arzneistoffe, dazu zählen unter anderem β-Lactam-Antibiotika, Aminoglykoside, nichtsteroidale Antiphlogistika und andere Schmerzmedikamente, H2-Antagonisten, Antikonvulsiva sowie Urikostatika und Urikosurika.

Häufig handelt es sich dabei um allergisch-toxische Reaktionen auf einen Arzneistoff. Eine Sonderform stellt die Pyeolonephritis dar, eine Infektion des Nierengewebes und des Nierenbeckens, denn im Gegensatz zu den anderen entzündlichen Erkrankungen tragen hier Bakterien die Schuld – zu 80 Prozent Escherichia coli, die über den Harnleiter aus der Blase aufgestiegen sind. Es treten ähnliche Symptome wie bei einer Blasenentzündung auf, doch leiden Betroffene zusätzlich unter Fieber, Schüttelfrost und dem typischen Flankenschmerz. Es handelt sich also nicht um einen Fall für die Selbstmedikation, ein Arzt sollte sofort aufgesucht werden. Z

unächst wird dieser ein Antibiotikum mit breitem Wirkspektrum verabreichen, ist der genaue Erreger identifiziert, kann eine darauf abgestimmte Antibiose eingeleitet werden. Treten die Beschwerden immer wieder auf, könnte sich eine chronische Verlaufsform eingestellt haben. Dies betrifft vor allem Frauen in den Wechseljahren, Männer mit gutartig vergrößerter Prostata oder Menschen mit anatomischen Anomalien im Bereich des harnableitenden Systems. Auch Nierensteine können den Harnabfluss behindern und sorgen so für einen optimalen Nährboden für Bakterien. Komplizierte Verlaufsformen oder eine ausbleibende Behandlung können zu Glomerulonephrititiden und schlimmstenfalls Funktionsverlusten der Nieren führen.

Ernährung bei Nierensteinen

Manche Menschen leiden immer wieder unter Steinleiden. Für diese Risikogruppe empfehlen sich neben einer umfangreichen Untersuchung der Stoffwechselfunktion auch eine Ernährungsumstellung sowie eine Änderung des Trinkverhaltens. Pauschalempfehlungen gibt es allerdings nicht, es kommt auf die Art des Harnsteins an. So sollte bei einer Neigung zu Uratkristallen eine purinarme Ernährung eingehalten und alkoholhaltige Getränke nur in Maßen genossen werden. Wer eher unter Calcium-Oxalat-Konkrementen leidet, sollte oxalsäurereiche Lebensmittel meiden, dazu zählen zum Beispiel Rhabarber, Spinat, Mangold, Kakao, rote Beete oder Schwarztee.

Zudem sollte die Kochsalzzufuhr beschränkt werden, da hohe Konzentrationen die Calciumausscheidung fördern. Eine hohe Magnesiumzufuhr verbessert die Prognose ebenfalls, beispielsweise durch magnesiumreiche Mineralwässer oder Gemüsesorten. Keinesfalls sollte die Calciumzufuhr reduziert werden. Allen Patienten, unabhängig von der Steinsorte, kann folgender wichtiger Tipp gegeben werden: trinken, trinken, trinken, am besten Wasser. Wem das schwerfällt, kann ein Trinkprotokoll führen oder zuhause oder am Arbeitsplatz Wasserkaraffen platzieren, um die Trinkmotivation zu steigern.

Schmerzhafte Blockade: Steinleiden Normalerweise sind alle harnpflichtigen Substanzen, die also über die Niere eliminiert werden, im Harn gelöst. Unter bestimmten Voraussetzungen kristallisieren die Salze aber wieder aus. Je nach Größe können sie die ableitenden Harnwege blockieren, was sehr schmerzhaft sein kann. Oft sind die Kristalle nur reiskorngroß, doch auch Durchmesser von mehreren Zentimetern sind keine Ausnahme, im Extremfall können die Nieren- oder Harnsteine die gesamten Hohlräume der betroffenen Niere ausfüllen. Solange die Steine klein sind, rufen sie keine Beschwerden hervor, jeder 25. Deutsche ist statistisch gesehen einmal in seinem Leben von Nierensteinen betroffen.

Konkremente, die wenige Millimeter groß sind, gehen meist von selbst wieder ab und werden eher aus Zufall bei einer Routine-Untersuchung entdeckt. In diesem Fall wird der Arzt schlicht dazu raten, mehr Wasser zu trinken. Anders sieht das bei größeren Steinen aus, die die Wände der Harnleiter berühren oder diese sogar verstopfen: Heftige krampfartige, stechende Schmerzen, sogenannte Harnleiterkoliken breiten sich von der Flanke beginnend entlang des Unterbauchs aus. Der Schmerz wandert dabei häufig mit dem Stein mit, ausstrahlende Schmerzen bis in die Genitalien sind daher möglich. Wird durch den Stein Gewebe verletzt, ist Blut im Urin nachweisbar.

Ein Ultraschall gibt Auskunft über die Lage der Steine. Ob Steine ausgebildet werden, hängt vor allem von der Zusammensetzung des Urins ab, also in welcher Konzentration steinbildende Salze (Calciumverbindungen, Phosphat, Oxalat, Harnsäure beziehungsweise Urat, Zystin) vorliegen, welchen pH-Wert der Harn hat und in welcher Menge steinhemmende Substanzen wie Magnesiumcitrat vorkommen. Menschen mit konstant saurem pH-Wert des Harns neigen eher zu Harnsäurekristallen, bei basischen pH-Werten bilden sich bevorzugt Phosphatsteine. Mit rund 80 Prozent treten am häufigsten Calcium-Oxalat-Steine auf, Uratsteine machen knapp zehn Prozent aller Harnsteine aus.

Liegt ein schmerzhaftes Steinleiden vor, können NSAR wie Diclofenac oder Ibuprofen Schmerzen lindern, entkrampfende Arzneistoffe wie Butylscopolamin entspannen bei ausgeprägten Koliken. Es gibt Hinweise darauf, dass der Alphablocker Tamsulosin die Passage der Harnsteine positiv beeinflussen kann. Handelt es sich um einen Uratkristall, so kann Allopurinol gegeben werden: Über die Senkung der Harnsäurekonzentration im Blut verschiebt sich das Löslichkeitsgleichgewicht des Salzes und der Stein löst sich langsam auf. Zusätzlich kann der Harn alkalisiert werden. Einzelne, kleinere Steine, die aber zu spürbaren Beschwerden führen und den Harnfluss blockieren, können ohne operativen Eingriff mittels extrakorporaler Stoßwellen-Lithotripsie (ESWL) zertrümmert werden.

Die akustischen Druckwellen (Stoßwellen) zerkleinern Harnsteine, sodass sie über den Urin ausgeschieden werden können. Bei großen Steinen kommt man um minimalinvasive Operationen selten herum: Endoskopisch können Steine entweder durch die Harnröhre oder durch kleine Schnitte in der Bauchdecke entfernt werden. Vorsorge ist besser als Nachsorge – als Prophylaxe gelten eine gesunde Lebensweise, regelmäßige Bewegung und eine ausreichende Trinkmenge. Manche Menschen entwickeln trotzdem häufiger Harnsteine als andere, dann sollten verschiedene Stoffwechselerkrankungen ausgeschlossen werden.

Bösartige Veränderungen Nierenkrebs ist ein unsauberer Begriff, der alle malignen Veränderungen meint, die dem Nierenparenchym entstammen. Im Erwachsenenalter ist das zu 90 Prozent das Nierenzellkarzinom, das von den proximalen Tubuluszellen ausgeht. Im weitesten Sinne zählen auch bösartige Veränderungen, die von den Schleimhäuten des Urinsammelsystems ausgehen dazu. Insgesamt sind Nierenkarzinome selten, bei ein bis zwei Prozent aller Tumorerkrankungen handelt es sich um Nierenkrebs. Risikofaktoren stellen neben hohem Alter und Rauchen eine chronische Niereninsuffizienz, eine langjährige Analgetika-Therapie und angeborene Nierenerkrankungen dar.

Der Tumor führt erst spät zu Symptomen, daher können die Geschwulste schon größere Bereiche der Nieren infiltriert haben, bevor sie bemerkt werden. In frühen Stadien verläuft eine Behandlung meist mit guter Prognose, der Tumor wird entfernt, das übrig gebliebene Gewebe zur Sicherheit bestrahlt oder mit Chemotherapeutika behandelt. Das kommt aber sehr selten vor und ist Zufallsbefunden geschuldet. Treten Flankenschmerz, tastbare Geschwulste, Blut im Urin, Fieber und Gewichtsverlust auf, ist die Krebserkrankung meist schon weit fortgeschritten. Sind die Lymphsysteme betroffen und/oder treten Metastasen auf, wird nur noch palliativ behandelt.

Häufig ist der Tumor dann schon zu groß für eine Operation, er wird mittels Chemotherapie und/oder Bestrahlung so lange wie möglich in Schach gehalten. Neue Immuntherapeutika geben jedoch Hoffnung darauf, dass der Tumor über längere Zeit beschwerdefrei kontrolliert werden kann, aktuell werden verschiedene Substanzen aus der Klasse der Tyrosinkinase-Inhibitoren getestet. Auch Nierenzysten zählen zu den unerwünschten strukturellen Veränderungen an den Nieren. Dabei handelt es sich um mit Flüssigkeit gefüllte, abgekapselte Hohlräume. Einzeln vorkommend gelten sie als harmlos und bleiben unbehandelt, solange sie keine Beschwerden hervorrufen.

Es können aber auch Flankenschmerz, Krämpfe und Übelkeit auftreten. In diesem Fall, ebenso wenn sich die Zyste verändert, zum Beispiel sich die Wände verdicken oder sie unregelmäßig oder körnig erscheinen, werden sie chirurgisch entfernt. Bei Veränderungen können maligne Prozesse nämlich nicht ausgeschlossen werden. Tritt nicht nur eine einzelne, sondern treten direkt mehrere Zysten auf, ist von polyzystischen Nieren beziehungsweise Zystennieren die Rede.

Durch das massive Auftreten der Bläschen ist die Filterfunktion früher oder später stark eingeschränkt, sie sind der häufigste Grund für ein chronisches Nierenversagen. Lediglich eine Nierentransplantation verspricht Heilung. Zystennieren treten erblich bedingt auf, die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD), auch zystische Nierendegeneration Potter Typ III genannt, ist dabei die häufigste lebensbedrohende Erbkrankheit beim Menschen überhaupt – weltweit sind etwa fünf Millionen Menschen betroffen. Die Auswirkungen renaler Funktionseinschränkungen, die Stadien von Niereninsuffizienz sowie Dialyseverfahren werden Themen des dritten und damit letzten Teils dieses Repetitoriums sein.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/19 ab Seite 86.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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