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Repetitorium

DIE LEBER – TEIL 2

Die Leber wächst mit ihren Aufgaben – ein salopper Spruch, aber mit Wahrheitsgehalt. Überanspruchen wir das Organ, reagiert es mit Wachstum und entzündet sich bis sich letztlich eine Leberzirrhose eingestellt hat. Schuld sind vor allem Übergewicht und Alkohol.

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Auch wenn sie ein unvergleichliches Regenerationspotenzial besitzt – die Leber wächst sogar nach einer Teilentfernung wieder nach – ist ihre Entgiftungs-Kapazität irgendwann ausgelastet. Während man vermeintlich unbeschwert schlemmt und es sich gut gehen lässt, arbeitet die Leber auf Hochtouren: Nahrungsbestandteile müssen an ihre Zielorte transportiert, überschüssige Energie aus Kohlenhydraten und Fetten eingelagert werden; Alkohol, Medikamente und Abfallstoffe wollen abgebaut und entsorgt werden – ein Fulltimejob. Übertreibt man es, können sich über Jahre hinweg eine Fettleber und später eine Leberzirrhose entwickeln – und zwar meist ohne, dass man etwas bemerkt, symptom- und schmerzfrei. Erhöhte Leberwerte sind daher meist Zufallsbefunde, in vielen Fällen durch eine Lebensstilveränderung aber reversibel.

Erst wachsen, dann schrumpfen Jeder Dritte über 40 hat eine Fettleber – selten wegen Alkohol, sondern aufgrund einer ungesunden Ernährungsweise und zu wenig Bewegung. Überschüssige Energie wird in den Leberzellen gespeichert. Dadurch blasen sich die Zellen auf, in schweren Fällen schwillt die Leber dadurch auf ihr doppeltes Volumen an. Diese Fettleber macht sich durch Druck im Oberbauch, Völlegefühl, Blähungen, Übelkeit und Abgeschlagenheit bemerkbar. Doch das Schlimmste daran ist nicht unbedingt die Fetteinlagerung, sondern die Entzündung des Lebergewebes, weswegen man häufig auch von einer Fettleberhepatitis (Steatohepatitis) spricht.

Durch die Entzündung stirbt nach und nach Lebergewebe ab, es bildet sich fibröses Narbengewebe und die zunächst aufgeschwemmte Leber schrumpft, stellt langsam ihre Funktion ein und beginnt sich durch weitere Symptome, sogenannte Leberhautzeichen bemerkbar zu machen: rot gefärbte Kleinfingerballen, gelbliche Haut (Ikterus), rotgeäderte Haut an der Nase (Spider naevi), tiefe Hautrisse (Rhagaden) oder eine Lackzunge. Im weiteren Verlauf zeigen sich die zunehmenden Leberfunktionsverluste an Ödemen, Ösophagusvarizen (Krampfadern in der Speiseröhre), Aszites (Wasseransammlungen in der Bauchhöhle), Milzvergrößerung (durch Mangel an Thrombozyten) und hepatische Enzephalopathie (neurologische Beschwerden durch Ammoniak, den die Leber nicht mehr entgiftet).

In diesem späten Stadium spricht man von einer dekompensierten Leberzirrhose, weil die Leber ihren Gewebeverlust nicht mehr durch eine höhere Leistung ausgleichen kann. Treten noch keine wahrnehmbaren Symptome auf, findet durch die chronische Entzündung allerdings schon ein Gewebeverlust statt, handelt es sich um eine kompensierte Leberzirrhose. Ist eine Leberzirrhose nachweisbar, können nur noch unterstützende Maßnahmen greifen, die Schäden sind nicht mehr reversibel. Bei vollständiger Leberinsuffizienz in Folge einer Zirrhose kann dann letztlich nur noch eine Leberspende helfen. Leberzirrhosen gelten zudem als gefährliche Präkanzerosen, erhöhen also stark das Leberzellkrebsrisiko.

Leberwerte im ÜberblickLeberschädigungen oder -krankheiten können sich in an der veränderten Aktivität verschiedener Enzyme und Proteine widerspiegeln. Bei einem Screening werden zunächst die Leberenzyme gecheckt: Aspartat-Aminotransferase (ASAT, früher GOT), Alanin-Aminotransferase (ALAT, früher GPT), γ-Glutamyltransferase (GGT), Glutamat-Dehydrogenase (GLDH) und alkalische Phosphatase (AP). Sie befinden sich im Inneren der Leberzellen und sorgen dort für die Aufrechterhaltung verschiedener Stoffwechselprozesse. Daher deuten erhöhte Werte dieser Enzyme auf eine Leberzellschädigung hin. Doch kommen die Enzyme nicht exklusiv in den Leberzellen vor, sie sind auch in der Skelettmuskulatur, der Niere oder dem Herzmuskel nachweisbar. So dient die Bestimmung der ASAT und ALAT beispielsweise auch der Diagnostik eines Herzinfarkts oder die der AP der Feststellung einer Knochenerkrankung.

Die GGT gilt als einer der empfindlichsten Parameter für Schäden der Leberzellen und des Gallengangsystems, trotz zusätzlichen Vorkommens im Nierentubulus. Doch können erhöhte Werte viele Ursachen haben und sie sollten immer im Zusammenhang mit den anderen Werten und nicht alleinstehend interpretiert werden. Zudem unterliegt der GGT-Wert physiologischen Schwankungen. Leichte Erhöhungen können durch die Einnahme bestimmter Medikamente oder anhaltenden Alkoholkonsum auftreten. Stärkere Anstiege der Werte können durch eine chronische Hepatitis, eine Leberzirrhose, Lebermetastasen, akute Hepatitis oder Gifte hervorgerufen werden. Ebenso durch Krankheiten der Gallenkanäle wie Gallestau (Cholestase) oder einer Entzündung der Gallengänge (Cholangitis).

Mit Hilfe des Verhältnisses von ASAT zu ALAT (ASAT/ALAT) kann die Schwere eines Leberzellschadens abgeschätzt werden. Dieser Zahlenwert wird auch als De-Ritis-Quotient bezeichnet. Liegt der Wert unter 1 geht man von einem geringen Leberschaden aus, bei einem Wert über 1 von einem schwerwiegenden Schaden wie einer Leberzirrhose oder einer chronischen Hepatitis. Eine weitere Einschätzung liefert der Schmidt`sche Quotient. Er berechnet sich aus der Summe von ASAT und ALAT geteilt durch den Wert der GLDH. Liegt der errechnete Wert unter 20, liegt höchstwahrscheinlich eine schwere Schädigung vor, bei Werten von 20 bis 50 eher eine mäßige Schädigung. Das mitochondriale Enzym GLDH kommt zwar in allen Geweben vor, messbare Erhöhungen im Blut finden sich allerdings nur beim Untergang von Leberzellen.

Andere Blutwerte sind nicht so spezifisch wie die Leberenzyme, ändern sich jedoch schnell, wenn es zu Schäden an der Leber kommt. Dazu zählt beispielsweise Bilirubin aus dem Abbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin, da der Stoff durch die Leber eliminiert wird und sich bei mangelnder Leberfunktion oder einer Fehlfunktion der Galle anstaut. Bestimmt werden das direkte Bilirubin, also das an Albumin gebundene Bilirubin, wie es zu circa 90 Prozent im Körper vorliegt, und das Gesamtbilirubin, die Summe aus direktem und indirektem, also ungebundenem Bilirubin. Da die Leber ein wichtiger Synthese- und Speicherort ist, gehen mit dem Funktionsverlust auch die Werte zahlreicher Proteine zurück, zum Beispiel von Albumin und anteilig dem Gesamtprotein im Körper oder wichtiger Gerinnungsproteine.

Daher sinkt bei einer Leberschädigung auch der INRWert (veraltet QUICK), das Maß dafür, wie schnell das Blut im Körper nach einer Verletzung gerinnt. Auch die Werte für Transferrin, Eisen und Kupfer im Blut sinken ab. Ebenso wie der Wert der Cholinesterase. Dies ist für Mediziner ein wichtiges Diagnosekriterium für eine nachlassende Syntheseleistung der Leber. Ihre Bedeutung ist aber eher bei chronischen Erkrankungen relevant, da das Enzym eine biologische Halbwertzeit von ungefähr zwei Wochen besitzt, sich bei akuten Schäden also durchaus im Referenzbereich befinden kann.

Alkohol und Ernährung Zu viel abgelagertes Fett in der Leber ist zunächst lediglich ein Befund, keine Krankheit – in der Bevölkerung sogar ein weit verbreiteter. Häufige Ursachen sind Übergewicht, hoher Alkoholkonsum, Diabetes mellitus oder bestimmte Medikamente wie Glucocorticoide, Estrogene oder Amiadoron. Aber auch bei der Eisenspeicherkrankheit oder einer Virushepatitis kann sich eine Fettleber entwickeln. Ebenso können auch schlanke, stoffwechselgesunde Menschen zu viel Fett abgelagert haben. Beispielsweise ist das Risiko für eine Fettleber während einer Schwangerschaft erhöht oder bei einer Mangelernährung mit Proteindefizit. Das Allgemeinbefinden kann reduziert und das Risiko für andere Stoffwechselerkrankungen erhöht sein, doch in den seltensten Fällen stellen sich durch eine Fettleber irreversible Schäden ein.

Wird allerdings nicht eingegriffen, ist rasch Stufe zwei erreicht: eine Fettleberoder Steatohepatitis. Die Leber ist entzündet, die Werte der Transaminasen und der GGT erhöht, erste Symptome sind erkennbar und anhaltende Entzündungen schädigen das Lebergewebe. Das Organ vernarbt, verliert an Funktionalität und geht schließlich unbehandelt in eine Leberzirrhose über (Stufe drei). Man unterscheidet bei diesen Entzündungen die alkoholbedingte Steatohepatits (ASH) und die durch andere Ursachen ausgelöste Steatohepatitis (NASH). Die Differenzialdiagnostik gestaltet sich schwierig, da die Krankheiten ähnlich verlaufen, der Betroffene muss sich unangenehmen Fragen nach Lebensstilführung und Alkoholkonsum stellen.

Es wird empfohlen, täglich nicht mehr als 40 Gramm (Männer) beziehungsweise 20 Gramm (Frauen) reinen Ethanol zu sich zu nehmen. Wird diese Menge nicht dauerhaft überschritten und eine dreimonatige, strikte Abstinenz führt zu keiner Verbesserung der Werte, wird eine ASH ausgeschlossen und man geht von einer NASH aus. Nahezu jeder Fünfte mit einer Fettleber (ohne problematischen Alkoholkonsum) entwickelt eine NASH, die pathophysiologischen Mechanismen sind noch nicht vollständig geklärt.

Man geht davon aus, dass die übermäßig abgelagerten Triglyceride zu einer gestörten Fettsynthese in den Leberzellen führen und toxische Lipide sowie oxidativer Stress zu einer Entzündung des Lebergewebes beitragen. Die Leberzellen gehen daraufhin zugrunde und werden durch nutzloses Bindegewebe (Fibrogenese) ersetzt. Bei einer ASH läuft die Pathophysiologie etwas anders: Chronische Alkoholzufuhr führt zu einer veränderten Verstoffwechselung des Ethanols, wobei mehr lebertoxisches Acetaldehyd entsteht und akkumuliert. Dieser Weg benötigt zudem mehr Sauerstoff, weshalb sich in den Leberzellen ein Sauerstoffmangel einstellt. Die entstehende Fettleber kann bei ungebremsten Konsum in eine ASH übergehen, ebenfalls mit zunehmender Fibrose.

Lebensstil ist alles Wird eine vergrößerte Leber im Ultraschall festgestellt und sind die Leberwerte erhöht, sind die Grundpfeiler jeder Therapie eine Ernährungsumstellung und Sport, wobei letzteres eher regelmäßige moderate Bewegung als Leistungssport bedeutet. Es klingt banal, aber mit einer konsequenten Änderung des Lebensstils lassen sich vergleichsweise rasch positive Veränderungen bewerkstelligen – trotzdem fallen genau diese Änderungen am schwersten. Sinnvoll ist in jedem Fall, ein Ernährungstagebuch zu führen. Denn viele sind zum einen überzeugt davon, sich gesund zu ernähren und wissen nicht, was sie ändern sollen. Zum anderen entfallen die meisten „Alltagssünden“ auf Snacks und unbewusst zu sich genommene Mahlzeiten, zum Beispiel vor dem Fernseher oder im Stehen/ Gehen.

Ein etwa zwei Wochen lang geführtes Ernährungsprotokoll öffnet vielen die Augen. Auch während der Ernährungsumstellung kann es sinnvoll sein, Mahlzeiten und das Trinkverhalten weiter zu dokumentieren, sich Essenspläne und Einkaufslisten zu erstellen, um nicht wieder in alte Gewohnheiten zu rutschen. Eine Leberdiät besteht aus einer kohlenhydratreduzierten, eiweißreichen und fettmodifizierten Ernährung. Alkoholische, sowie gezuckerte Getränke sollten gemieden werden. Einfach nur Fett wegzulassen, hilft nicht – im Gegenteil: Pflanzenöle (z. B. hochwertiges Oliven- oder Leinöl), Nüsse, Samen oder Avocados liefern mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die durch ihre antioxidativen Eigenschaften gegen die Entzündung vorgehen können. Eher problematisch ist der hohe Konsum von Einfach- oder Zweifachzuckern, die auch andere Stoffwechselstörungen wie Adipositas oder Diabetes mellitus begünstigen.

Vor allem Fructose hat sich in den letzten Jahren einen üblen Ruf aufgebaut. Als Zuckeraustauschstoff mit hoher Süßungskraft findet sich Fructose in vielen verarbeiten Lebensmitteln, natürlicherweise in Obst oder Gemüse. Da Fructose im Gegensatz zu Glucose nicht im Körper gespeichert werden kann, wird sie bei vermehrter Aufnahme größtenteils in Fett umgewandelt. Im Tierversuch zeigte sich, dass Ratten bereits nach einer fünfwöchigen fructosereichen Diät eine Leberverfettung aufwiesen. Zudem wird bei der Aufnahme von Fructose kein Sättigungsgefühl ausgelöst. Epidemiologische Studien zeigten bereits, dass ein erhöhter Fructosekonsum mit einem höheren Risiko für Adipositas, Stoffwechselstörungen oder Bluthochdruck assoziiert ist.

Medis? FehlanzeigeAuch wenn es schwerfällt, Betroffene kommen an einer Lebensstiländerung selten vorbei, wenn sie etwas für ihre Lebergesundheit tun wollen. Bei einer nicht alkoholbedingten Fettleber genügt es beispielsweise, fünf bis sieben Prozent des Körpergewichts zu verlieren, im Fettleberstadium ist so eine komplette Remission möglich. Eine zugelassene medikamentöse Therapie wiederum existiert nicht. Bei einer ASH ist strikte Alkoholkarenz für den Genesungsprozess entscheidend, bestehende Schäden sind jedoch meist nicht reversibel. Zudem sollte der Vitamin- und Mineralstoffstatus geprüft und unter Umständen angepasst werden, denn eine Alkoholkrankheit führt aufgrund der geänderten Stoffwechsellage rasch zu Mangelerscheinungen, qualitativ wie quantitativ.

Bei schweren Verlaufsformen können Glucocorticoide oder der nichtselektive Phosphodiesterasehemmer Pentoxifyllin gegen den Entzündungsprozess eingesetzt werden, die Studienlage ist allerdings widersprüchlich. Betroffenen mit einer NASH kann eventuell eine off-label-Therapie mit Pioglitazon helfen, unabhängig davon, ob sie unter einem Diabetes mellitus leiden oder nicht. Klingt kontrovers, da der Wirkstoff bei Diabetikern mit eingeschränkter Leberfunktion kontraindiziert ist, doch der Insulinsensitizer beeinflusst den Glucose- und Lipidstoffwechsel positiv und verbessert die Insulinsensitivität. Eine Metaanalyse konnte zeigen, dass eine Behandlung zu einer signifikanten Verbesserung des klinischen Bildes führte. Von Nahrungsergänzungsmitteln mit Vitamin E oder pflanzlichen Präparaten mit dem Wirkstoff Silymarin wird in der aktuellen Leitlinie abgeraten, da keine eindeutige Daten zur Wirksamkeit existierten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2020 ab Seite 92.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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