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Politik

DIE GROSSE CHANCE?

Nicht erst seit dem Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, vergütete pharmazeutische Dienstleistungen einzuführen, wird in den Gremien der ABDA über die Dienstleistungen der Apotheke in der Zukunft diskutiert.

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Die Forderung nach vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen besteht seit Jahren und wurde auf den Apothekertagen der letzten Jahre immer wieder ausführlich debattiert. Welche Abgrenzung zur „normalen“ apothekerlichen Arbeit und welchen Mehrwert kann man den Patienten und damit verbunden auch den Krankenkassen, bieten.

Zukunftsfähige Modelle gesucht Die Frage, wie stellt sich die Apotheke der Zukunft auf, welchen Stellenwert haben Beratung und Abgabe der Arzneimittel und wie grenzen sich die Vor-Ort-Apotheken vom Versandhandel ab, wird immer drängender. Gerade die Diskussion über Boni, Gleichpreisigkeit und die ungleichen Bedingungen zwischen ausländischem Versandhandel und innerdeutschen öffentlichen Apotheken zeigt, wie wichtig zukunftsfähige Modelle für die Vor-Ort-Apotheken sind. Der persönliche Kontakt mit dem Patienten ist durch nichts zu ersetzen und auch die Menschen merken, dass sie durch die pharmazeutische Beratung vor Ort sehr viel profitieren können.

Apotheker auf Hausbesuch?​ Zuständig für die Ausarbeitung der Dienstleistungen ist die Bundesapothekerkammer, die seit geraumer Zeit eine Arbeitsgruppe zu diesem Zwecke eingerichtet hat. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe sind noch nicht veröffentlicht, daher befasse ich mich in meinem Artikel mit den Bereichen, die schon in der Fachpresse veröffentlicht wurden beziehungsweise mit Projekten, die als Modellversuch zum Beispiel in Thüringen laufen und möglicherweise dann bundesweit angeboten werden sollen. Die großen Felder, die dabei genannt werden, sind Prävention beziehungsweise Screenings, Pflegebedürftige und Multimorbide sowie Medikationsanalysen. Wichtig in der ganzen Diskussion ist aus Sicht der Apothekerkammern, dass die Dienstleistungen von allen Apotheken angeboten und durchgeführt werden. Ein Schlagwort ist der ‚Brown-Bag-Check‘. Der Begriff bezieht sich auf die in den USA beliebten braunen Papiertüten, in denen die US-Amerikaner ihre Einkäufe nach Hause transportieren.

Im übertragenen Sinne sollen alle Arzneimittel, auch Nahrungsergänzungsmittel, in eine Tüte gepackt, erfasst und bewertet werden. Dies wird dann in der Apotheke durch die Apotheker in einer Medikationsanalyse bewertet und mit dem Patienten und bei Bedarf, zum Beispiel bei Doppelverordnungen, natürlich auch mit dem Arzt besprochen. Im Bereich der Pflegebedürftigen, die das Haus nicht mehr verlassen können, soll dieses Angebot auch mit einem Hausbesuch verbunden werden. Dabei würden bei einem ersten Besuch alle Arzneimittel erfasst und dann in der Apotheke ausgewertet werden. In einem zweiten Besuch kann der Apotheker dann alles mit dem Patienten, gegebenenfalls auch mit den Angehörigen besprechen. Dies würde auch die ambulanten Pflegedienste entlasten und Medikationsfehlern vorbeugen.

Apotheker auf Hausbesuch sollen Medikationsfehlern vorbeugen.

Wer macht den Handverkauf? Ein weiterer Punkt ist die korrekte Anwendung von Inhalatoren bei Asthmaerkrankungen. Pflegebedürftige, die ihre Wohnung nicht oder nur schlecht verlassen können, würden von einem Hausbesuch besonders profitieren. Hier sieht man natürlich auch, dass die Ideen für Dienstleistungen vielfältig sind, aber lassen sie sich auch umsetzen? In Zeiten, in denen alle über Personalmangel klagen, bedeuten Dienstleistungen eine kaum zu stemmende Herausforderung. Das pharmazeutische Personal wird zeitlich stark gebunden, wenn dann noch ein Hausbesuch dazu kommt, ist niemand mehr für den Handverkauf da.

Und über die Finanzierung ist dabei noch gar nicht gesprochen worden. Eine kleine Apotheke, die in strukturschwachen Gegenden, sei es auf dem Land oder in der Stadt, die Versorgung aufrechterhält, kann kaum für einen Hausbesuch die Apotheke schließen. Die Königsdisziplin in der Medikationsanalyse ist dann das digitalisierte Medikationsmanagement, das im Modellversuch unter dem Namen ARMIN (Arzneimittelinitiative Sachsen – Thüringen) zwischen der AOK Plus, Ärzten und Apotheken ausprobiert wird. Dieses Projekt wurde 2014 gestartet und läuft mittlerweile vollkommen digitalisiert.

Messen und Impfen? Im Moment ist das Angebot der Apotheken an Screening-Untersuchungen recht heterogen. Dies könnte systematisiert werden und ist eine sehr niedrigschwellige Anlaufstelle für Blutdruck- und Blutzuckermessungen, die von den Kassen bezahlt werden. Gerade im Bereich des Typ-2-​Diabetes gibt es da viel zu tun. Die Prävention bedeutet ein großes Sparpotential für die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, auch wenn die Apotheken für diese Dienstleistung eine Vergütung erhalten. In den letzten Wochen wurde auch das Impfen in den Apotheken heftig diskutiert. Man möchte eine höhere Durchimpfungsrate in der Bevölkerung erreichen.

Mit einem einfachen Pieks ist das aber nicht getan. Es wird spannend sein, diese Entwicklung zu verfolgen. Weitere Dienstleistungen, die denkbar wären, sind zum Beispiel eine Vergütung für Nichtabgabe wegen pharmazeutischer Bedenken. Allerdings sollte man die selbstverständlichen Bereiche der pharmazeutischen Arbeit, die in den verschiedenen Gesetzen und Ordnungen festgeschrieben sind, nicht allzu sehr aufweichen, sondern lieber wenige Ansätze auf hohem Niveau verfolgen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/2020 ab Seite 112.

Mira Sellheim, Apothekerin/Delegierte der LAK Hessen

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