Tatort Apotheke

DICLOFENAC – DIE PTA ERMITTELT

Je nach galenischer Darreichungsform können bei ein und demselben Wirkstoff unterschiedliche Einnahmehinweise zu beachten sein – zum Beispiel bei Diclofenac.

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Herr Link, der nette Rentner aus der Nachbarschaft, leidet seit einiger Zeit an chronischer Polyarthritis, die überwiegend seine Hände befallen hat. Die Fingergelenke sind geschwollen und unbeweglich. Vor allem morgens nach dem Aufstehen macht ihm das zu schaffen. Da man bei der chronischen Polyarthritis von einer Autoimmunerkrankung ausgeht, ist eine übliche Therapiestrategie die Schwächung des Immunsystems, um so den Zerstörungsprozess aufzuhalten. Zu diesem Zweck bekommt Herr Link Methotrexat verordnet.

Gegen die Entzündung und die Schmerzen erhält er zusätzlich Diclofenac in Form von magensaftresistenten Filmtabletten. Er berichtet der PTA, dass die Schmerztabletten an manchen Tagen gut helfen, an anderen aber wieder nicht. Die PTA weiß, dass je nach Darreichungsform bestimmte Einnahmezeiten, vor allem in Hinsicht auf die Mahlzeiten, zu beachten sind. Sie fragt den Kunden, wann er seine Tabletten einnimmt. Er sagt, immer nach dem Essen, der Wirkstoff würde doch sonst Magenschmerzen auslösen. Jetzt ist der Fall für die PTA klar.

Pharmakologischer Hintergrund Diclofenac zählt zur Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika, die über eine Blockade der Cyclooxygenasen I und II die Prostaglandinsynthese hemmen. Dadurch wirken sie analgetisch und antiphlogistisch sowie fiebersenkend. Wegen seiner aggressiven Wirkung auf die Magenschleimhaut wird Diclofenac häufig in magensaftresistenter Form verordnet. Dragees oder Filmtabletten, die sich erst im Dünndarm auflösen, liegen im Magen noch in unveränderter Form vor. Dies ist zum Schutz der Magenschleimhaut auch erwünscht.

Sie werden allerdings vom Magen als unverdaubare Bestandteile angesehen und nicht mit dem Speisebrei in den Dünndarm transportiert, sondern bleiben zur weiteren Verdauung im Magen zurück. Den geschlossenen Pylorus können sie nicht passieren, dafür sind sie zu groß. Dies ist Teilchen mit einem Durchmesser unterhalb zwei Millimeter vorbehalten. Da sie vom sauren Milieu des Magens aber nicht verdaut werden können, werden sie erst während einer längeren Nüchternperiode, meist in der Nacht, durch peristaltische Magenbewegungen – „housekeeper waves“ – in den Dünndarm gespült. Bis dahin liegen sie je nach Einnahmezeitpunkt bis zu zehn Stunden unverändert im Magen und können nicht wirken.

Zurück zum Fall Die PTA klärt Herrn Link darüber auf, dass es sich um magensaftresistente Filmtabletten handelt, die den Magen zunächst einmal gar nicht reizen können. Dafür hängt die Wirksamkeit der Tabletten stark vom Einnahmezeitpunkt ab. Bei der Einnahme nach einer Mahlzeit verzögert sich der Wirkungseintritt. Dies kann je nachdem, wann die nächste längere Nüchternphase ist, bis zur Nacht dauern. Nach einem kargen Mahl kann es aber auch schneller gehen. Das erklärt, warum die Tabletten manchmal gut wirken und manchmal nicht.

Sie empfiehlt dem Kunden, seine magensaftresistenten Schmerztabletten in Zukunft etwa zwei Stunden vor der nächsten Mahlzeit einzunehmen. So können sie noch während der Nüchternphase in den Dünndarm gelangen, sich dort auflösen und schnell wirken. Alternativ könne er sich vom Arzt auch Diclofenac in einer polydispersen Darreichungsform verordnen lassen. Dies sind Zubereitungen, die im Magen rasch in kleine magensaftresistente Pellets oder Granulate, mit einer Größe unterhalb zwei Millimeter, zerfallen. Sie können den Pylorus unabhängig von der Nahrung passieren und daher zu jeder Zeit eingenommen werden. Herr Link bedankt sich für den Rat und ist gespannt, ob die Schmerzen wirklich besser gelindert werden, wenn er die Tabletten vor der Mahlzeit nimmt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/11 auf Seite 82.

SB

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