Schockierte Frau mit Röntgenbild. © Blue Planet Studio / iStock / Getty Images
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Psychologie in der Apotheke

DIAGNOSE KREBS

Krebs belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Seele. Die Diagnose alleine oder in der Familie zu verarbeiten fällt schwer, daher ist eine psychoonkologische Unterstützung sinnvoll.

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Wer mit einer Krebsdiagnose konfrontiert wird, befindet sich schlagartig in einer Krise. Plötzlich ist nichts mehr so, wie es einmal war und Gefühle der Angst und Unsicherheit machen sich breit. Die meisten Menschen verbinden mit Krebs eine Krankheit, bei der keine Heilung möglich ist und die tödlich endet. Der Schock sitzt zunächst tief, bevor eine Phase der Wut und Verzweiflung eintritt – die seelische Belastung ist enorm. Erst danach beginnt der Bewältigungsprozess, in dem Betroffene sich mehr oder weniger gut eine neue Lebensperspektive schaffen.

Zeit für die Beratung nehmenÄrzte sollten ihre Patienten bei einer Krebsdiagnose umfassend informieren und nicht nur die Diagnose in den Raum stellen, sondern auch über Behandlungsmöglichkeiten und deren Erfolgschancen berichten. Häufig können Betroffene die Informationsflut nicht komplett verarbeiten, sodass sie wiederholt die gleichen Fragen stellen. Außerdem sollten Mediziner bemüht sein, offene Fragen von Personen mit Krebs stets geduldig zu beantworten. Auch PTA und Apotheker sollten sich im Beratungsgespräch Zeit nehmen und bei Bedarf mit ihren Kunden über ihre Sorgen sprechen.

Nicht selten kommt es vor, dass Krebskranke Schuld- und Schamgefühle erleben. Sie nehmen die Diagnose als Strafe für ihr Fehlverhalten wahr und fragen sich, ob sie die Krankheit hätten verhindern können. Wenden sich Betroffene mit solchen Gedanken an Sie, ist es wichtig, den Kunden klar zu machen, dass es jeden treffen kann und die Schuldgefühle unbegründet sind. Die negativen Emotionen sind zusätzlich belastend und verhindern, dass Erkrankte motiviert in die Therapie starten. Kunden mit einer Krebsdiagnose sollten auch wissen, dass es völlig normal ist, Ängste und Sorgen zu entwickeln. Machen Sie ihnen bewusst, dass es vielen Betroffenen so geht und sie mit ihren Problemen nicht alleine sind.

Phasen der Verarbeitung Die Diagnose Krebs verändert das Leben und versetzt Betroffene unter Schock. Letztlich ist der Weg der Krankheitsbewältigung individuell, denn Menschen verfügen über unterschiedliche Ressourcen, um die Situation zu verkraften. Manche Patienten benötigen in der traumatischen Situation Hilfe, andere entdecken, welche Kraft in ihnen steckt und nutzen die Erkrankung nach einer gewissen Zeit als Chance, sich auf das zu konzentrieren, was ihnen im Leben wichtig ist. Üblicherweise verläuft die Reaktion auf die Schockdiagnose in mehreren Phasen, die in ihrer Reihenfolge und Intensität variieren können. Im ersten Stadium wird die Diagnose Krebs innerlich nicht akzeptiert (aktive Verweigerung), im Anschluss mündet die aktive Verweigerung in einer aggressiven Verweigerung, in welcher Patienten die Krankheit nicht wahrhaben wollen.

Nach und nach lässt die vollständige Verweigerung nach und die Gedanken an die Erkrankung und das Bewusstwerden der Situation werden teilweise zugelassen. Schließlich akzeptieren Betroffene die Krebserkrankung und verfallen dabei in Verzweiflung und Depressionen (depressive Akzeptanz). Danach stellt sich meist die bewusste Akzeptanz ein, bei der der Krebskranke sein Leiden annehmen und sich objektiv mit der Situation beschäftigen kann. Das letzte Stadium entspricht der verklärten Annahme: Betroffene interpretieren ihre Erkrankung als sinngebend und von höherer Macht bestimmt. Die Diagnose Krebs ist nun innerlich vollständig angenommen.

Schuldgefühle sind unbegründet und verhindern, dass Erkrankte motiviert in die Therapie starten.

Häufig Angststörungen Forscher der Universität Leipzig haben im Rahmen ihrer Studie 4000 Krebspatienten im Alter zwischen 18 und 75 Jahren untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass 32 Prozent der Studienteilnehmer Unterstützung bei der psychischen Bewältigung der Erkrankung benötigen. Einige Probanden litten nicht nur an einer, sondern an zwei oder mehreren psychischen Störungen. Am häufigsten sind Angststörungen, denn sowohl die Erkrankung als auch die Therapie werden oft als furchteinflößend wahrgenommen. Nicht selten haben Krebskranke Angst davor, die Krankheit nicht zu überleben. Das Risiko, eine psychische Störung zu entwickeln, hängt laut den Untersuchungsergebnissen auch von der Tumorart ab: Personen mit Kopf- und Halstumoren, Mammakarzinomen oder Melanomen sind besonders gefährdet.

Psychoonkologische Hilfe Die Psychoonkologie berücksichtigt den ganzheitlichen Gedanken und unterstützt Betroffene bei der Verarbeitung von Ängsten und anderen psychischen Problemen, die im Zusammenhang mit der Krebserkrankung entstehen. Krebs stellt mittlerweile in vielen Fällen eine chronische Erkrankung dar, mit welcher Menschen teilweise langfristig leben. Die meisten Patienten haben Angst vor Schmerzen, vor dem weiteren Verlauf der Krankheit, vor der Bewältigung des Alltags sowie vor dem Tod. Trotz der Diagnose und ihren Befürchtungen sollten Krebskranke jedoch eine Lebenseinstellung entwickeln, die nicht von Angst, sondern von Hoffnung geprägt ist. Die psychoonkologische Therapie verhindert im besten Fall, dass Krebskranke in Depressionen oder Angststörungen verfallen.

Verschiedene Methoden Häufig profitieren Personen mit Krebs von Entspannungsverfahren, Kunst- oder Musiktherapien: Die Lebensqualität steigt und die Angst nimmt ab. Patienten können selbst entscheiden, welches Angebot sie bei der Krankheitsbewältigung wählen. Mit Musik lassen sich beispielsweise die unterschiedlichsten Emotionen durchleben – angefangen bei Trauer, Wut, Verzweiflung oder Angst bis hin zu Freude, Hoffnung und Zuversicht. Durch Entspannungsmethoden wie der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobsen, Yoga, Meditation oder autogenem Training verbessern sich Angststörungen sowie die Übelkeit, die begleitend zu einer Chemotherapie auftreten kann.

Manchmal möchten Krebskranke vielleicht auch nur reden: Der offene Umgang mit der Erkrankung, der im Rahmen der Psychotherapie stattfindet, wirkt sich auf Betroffene entlastend aus, ebenso wie der Austausch mit Gleichgesinnten, der beispielsweise in einer Selbsthilfegruppe möglich ist. Auch die Angehörigen können mit in die psychoonkologische Therapie eingebunden werden, denn sie leiden ebenfalls unter Ängsten. Außerdem ist die Situation für sie oft zusätzlich belastend, weil Betroffene dazu neigen, sich zu verschließen und nicht über die Krankheit zu sprechen.

Leitlinie mit Empfehlungen In Krankenhäusern sowie in Reha-Kliniken wird in der Regel eine psychoonkologische Begleitung angeboten. Die Beratung ist für Betroffene und deren Angehörige kostenlos. Seit 2014 gibt es eine Leitlinie, um die Ressourcen von Krebspatienten im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung zu unterstützen. Die psychoonkologischen Maßnahmen zielen auf psychische und soziale Probleme ab, die durch die Erkrankung oder Behandlung entstehen. In der Leitlinie sind Empfehlungen für medizinisches Fachpersonal aufgelistet, sodass sie die Bedürfnisse der krebskranken Patienten erkennen und ihnen gerecht werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/2021 ab Seite 54.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie, Fachjournalistin

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