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Krebserkrankungen

DIAGNOSE: BLASENKREBS

Rauchen gilt als größter Risikofaktor für ein Harnblasenkarzinom. Jährlich erkranken in Deutschland über 22 000 Männer und 7000 Frauen daran. Früh genug erkannt lässt es sich gut therapieren.

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Ein Harnblasenkrebs geht meist von der Schleimhaut (Urothel) im ableitenden Harntrakt aus. Dort entarten Zellen und es bilden sich entweder flache Tumoren, die auf der Blasenwand wachsen, oder warzenartige Tumoren, die ins Lumen hineinragen. Plattenepithel- und Adenokarzinome, die aus anderen Zellarten im Harntrakt hervorgehen, sind hingegen selten.

Widerstandsfähige Schleimhaut Die Blase sitzt im kleinen Becken, bei Männern in unmittelbarer Nachbarschaft zur Prostata und den Samenleitern. Bei Frauen ist sie mit der vorderen Scheidenwand und einem Teil der Gebärmutter verbunden. Da die Harnleiter vor allem bei Frauen recht kurz sind und nah an den Geschlechtsorganen liegen, können Krankheitserreger leicht eindringen. Um dagegen gewappnet zu sein, ist die Blase mit einer speziellen Schleim- haut ausgekleidet, dem Urothel. Es erneuert sich häufiger als andere Gewebsarten im menschlichen Körper und bietet Krankheitserregern einen guten Widerstand. Wird das Gewebe jedoch durch chronische Entzündungen gereizt oder dauerhaft toxischen Stoffen ausgesetzt, kann es zur Entartung der Schleimhautzellen kommen. Meist geschieht das jedoch relativ spät im Leben, denn Männer erkranken im Schnitt erst mit 73 und Frauen mit 75 Jahren an einem Blasenkarzinom.

Hauptrisikofaktor Rauchen Rauchen ist nicht nur der größte Risikofaktor für Lungen-, sondern auch für Harnblasenkrebs, denn rund die Hälfte aller Blasenkarzinome führen Ärzte auf Tabakkonsum zurück. Kanzerogene aromatische Amine in Tabakrauch werden im Körper wasserlöslich gemacht und schließlich über die Nieren ausgeschieden, sodass sie in die Harnblase gelangen. Da traditionell immer mehr Männer als Frauen geraucht haben, erklären sich die wesentlich höheren Fallzahlen bei ihnen. Als auch immer mehr Frauen zu rauchen begannen, stiegen auch bei ihnen die Fallzahlen an. Seitdem jedoch generell nicht mehr so viel geraucht wird, stagnieren die Zahlen bei Frauen und sind bei Männern sogar rückläufig. Darüber hinaus sind verschiedene Berufsgruppen wie etwa Arbeiter in der Stahl-, Chemie- oder Lederindustrie häufig aromatischen Aminen ausgesetzt, weshalb Blasenkrebs hier eine anerkannte Berufskrankheit ist.

Neben dem Tabakkonsum können auch bestimmte Behandlungsformen das Krebsrisiko erhöhen. Paradox dabei: Gerade die Medikamente und Therapien, die Krebs bekämpfen sollen, können bösartige Tumoren auslösen. Dies betrifft etwa das Zytostatikum Cyclophosphamid, genauso wie Bestrahlungen im Bereich der Blase, wobei heutige Verfahren das umliegende Gewebe nur wenig belasten. Auch der Diabetes-​Arzneistoff Pioglitazon wird mit einem erhöhten Harnblasenkrebsrisiko assoziiert, wenn er über längere Zeit eingenommen wird. Vermutungen, dass auch andere Diabetes-Medikamente und Insulinanaloga Blasenkrebs fördern, werden derzeit untersucht. Ein weiterer Risikofaktor sind chronische Entzündungen, wie sie etwa durch unerkannte Blasensteine oder verschleppte Infektionen im Uro- Genitaltrakt entstehen können. So ist zum Beispiel in tropischen Regionen der Befall der Harnblase mit dem Bilharziose-Erreger Schistosoma die Hauptursache für Blasenkarzinome.

Kaffee kein Auslöser Übertriebener Kaffeegenuss wurde lange Zeit als möglicher Auslöser für Blasenkrebs angesehen. Diese These konnte jedoch widerlegt werden. Ob und in wie weit fettreiche und obstarme Ernährung eine Rolle spielt, ist noch umstritten. Wichtiger scheint das Trinkverhalten zu sein, denn bei geringen Trinkmengen und selteneren Toilettengängen können toxische Stoffe in höherer Konzentration längere Zeit in der Blase verbleiben. Mittlerweile ist man auch dazu übergegangen, eine Mischung mehrerer toxischer Stoffe, die jeweils nur in geringen Konzentration vorliegen, als potenzielle Auslöser zu untersuchen. So könnten verschiedene Umweltgifte in Kombination auch bei einzeln ungefährlichen Dosen einen Blasenkrebs begünstigen.

Spiegelung gibt Sicherheit Die ersten Warnzeichen für ein Harnblasenkarzinom – vermehrter Harn- drang und leicht rot gefärbter Urin – werden von den Betroffenen meist falsch interpretiert. Männer halten sie oft für Prostatabeschwerden, Frauen für eine Blasenentzündung. Später kommen häufig Schmerzen im Becken- und Nierenbereich hinzu, was bei vielen erst jetzt dazu führt, die Symptome gründlich abklären zu lassen. Trotz eigentlich später durchschnittlicher Diagnosestellung ist bei sieben von zehn Patienten das Karzinom noch auf die Schleimhaut beschränkt und damit gut therapierbar.

Bei einem Krebsverdacht wird zunächst untersucht, ob sich abgeschilferte Zellen des Tumors im frischen Urin befinden. Zudem erfolgt eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes, um Blasen-, Nieren- oder Gallensteine als Ursache der Blutungen auszuschließen. Schlussendlich wird eine Blasenspiegelung durchgeführt, wobei auch gleich Gewebe für eine Untersuchung entnommen werden kann. Die Spiegelung wird normalerweise unter weißem Licht durchgeführt, in dem man unauffälligere Tumoren jedoch nicht erkennen kann. Dies ist mit der Fluoreszenzzytografie (PDD – photodynamische Diagnostik) möglich, die blaues Licht verwendet. Allerdings besteht hier eine höhere Gefahr für falsch-positive Ergebnisse.

Invasiv oder nicht-invasiv? Ist der Tumor noch örtlich klar auf das Schleimhautgewebe begrenzt, wird versucht, ihn durch eine transurethale Resektion (TUR-B) zu entfernen, bei der eine Drahtschlinge endoskopisch in die Blase eingeführt wird. Wird sie wird unter Strom gesetzt, kann der Tumor damit schichtweise abgehobelt und durch den Harnleiter entfernt werden, was ungefähr 20 bis 30 Minuten dauert. Danach kann es zu einer vorübergehenden Beeinträchtigung des Blasenschließmuskels kommen, die sich aber wieder normalisiert. Auch hier gibt es die Möglichkeit, unter Fluoreszenslicht zu arbeiten. Dies wird bei aggressiven Formen oder dem Vorliegen von mehreren Tumoren empfohlen, um kleinere Herde nicht zu übersehen.

Weiterführend behandelt man einen nicht-muskelinvasiven Tumor mit einer Instillationstherapie, bei der zytostatische Medikamente wiederholt direkt in das Blasenlumen injiziert werden. Ein gewisses Rückfallrisiko bleibt bestehen, sodass Betroffene in den ersten Jahren regelmäßig zur Nachsorge gehen sollten. Ist der Tumor bereits in das Muskelgewebe, das Fettgewebe oder gar in andere Organe eingewachsen, wird meist eine komplette Entfernung der Harnblase durchgeführt, der bei größeren Tumoren eine Chemotherapie vorausgehen kann, die die Geschwulst verkleinern soll. Um ein Wiederauftreten des Tumors zu verhindern, wird dann nochmals eine Chemotherapie durchgeführt.

Soll die Blase hingegen erhalten bleiben, kann nach der Verkleinerung des Tumors auch eine kombinierte Chemo- und Strahlenbehandlung erfolgen. Ist der Tumor inoperabel oder hat bereits metastasiert, verzichtet man in der Regel auf die Operation und nutzt nur noch Chemo- und Strahlentherapie, um das Leben zu verlängern und Symptome zu lindern. Versagen diese Optionen, kommen zunehmend neue Immuntherapien zum Einsatz, die die von den Tumorzellen „ausgeschalteten“ körpereigenen Abwehrzellen erneut gegen sie aktivieren.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/19 ab Seite 70.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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