© Die PTA in der Apotheke
© Die PTA in der Apotheke

Jung und zuckerkrank

DIABETES MELLITUS TYP 1

Dieses Los trifft in Deutschland etwa eines von 800 Kindern. Doch mit einer guten therapeutischen Einstellung lässt sich trotz Diabetes ein nahezu uneingeschränktes Leben führen.

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Nach dem Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes gefragt, hört man unter Laien häufig: „Typ 1 tritt nur bei Kindern auf, Typ 2 ist der so genannte Alterszucker und wird mit Tabletten behandelt.“ Ganz so einfach ist die Abgrenzung dieser beiden Diabetesformen jedoch nicht. Tatsächlich tritt Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen viel häufiger auf als Typ 2. Mehr als 90 Prozent aller Diabetiker sind in Deutschland an einem Typ-2-Diabetes erkrankt, insbesondere Erwachsene in der zweiten Lebenshälfte.

Hierbei entwickeln die Patienten eine zunehmende Insulinresistenz mit einem Insulinmangel unterschiedlicher Ausprägung, die im Anfangsstadium mit oralen Antidiabetika, später mit Insulin- oder Insulinanaloga behandelt wird. Hauptursache ist die Kombination aus genetischer Disposition und Adipositas. Während noch vor einigen Jahrzehnten kaum Kinder oder Jugendliche betroffen waren, gibt es heute im Zuge eines stetigen Anstiegs von übergewichtigen Kindern immer mehr Fälle an Typ-2-Diabetes in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen.

Typ-1-Diabetes Diese irreversibel fortschreitende Erkrankung ist nicht heilbar. Charakteristisch ist ein völliger Untergang der Betazellen in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse. Diese Zellen sind die Produktionsstätten des Insulins, das für den Transport von Glucose aus dem Blut in die Zellen sorgt. Bei einem Typ-1-Diabetes liegt ein absoluter Insulinmangel vor. Der Patient ist komplett auf die Zufuhr des Insulins von außen angewiesen, um seinen Zuckerstoffwechsel zu regulieren. Ursache für die Erkrankung ist in der Regel eine Autoimmunreaktion, bei der der Körper Antikörper gegen die eigenen Betazellen bildet und diese zerstört. Zusätzlich wird eine gewisse genetische Disposition diskutiert.

Im Zusammenhang mit auslösenden äußeren Faktoren, zum Beispiel Virusinfektionen, wird im Körper die Autoimmunreaktion angestoßen. Dieser Prozess kann Wochen, Monate oder Jahre dauern. Die typischen Symptome einer Diabetes-Erkrankung treten erst auf, wenn bereits 80 bis 90 Prozent der Betazellen zerstört sind. Verläuft die Erkrankung langsam fortschreitend, kann es zu Verwechslungen mit einem Diabetes mellitus Typ 2 kommen. Ein Typ-1-Diabetes manifestiert sich zwar überwiegend in der Kindheit und Jugend, kann aber auch im hohen Lebensalter noch auftreten. Daher ist eine sorgfältige Diagnosestellung wichtig.

In seltenen Fällen tritt ein idiopathischer Diabetes Typ 1 auf. Diese Diabetesform findet man überwiegend bei Asiaten oder Afrikanern. Diese Patienten haben einen Insulinmangel, weisen aber keine immunologischen Ver änderungen auf. Inzidenzanstieg Diabetes mellitus Typ 1 ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindesalter. In Deutschland sind 10 000 bis 15 000 Kinder und Jugendliche bis zum 14. Lebensjahr daran erkrankt. Dem 2009 von der „International Diabetes Federation“ vorgestellten Diabetes-Atlas zufolge steigt die Neuerkrankungsrate für Typ-1-Diabetes weltweit. Dabei rechnen die Experten mit einem besonders starken Anstieg bei den kleinen Kindern unter fünf Jahren. Als Ursachen für diese Zunahme werden Veränderungen der Umweltfaktoren und des Lebensstils diskutiert. Außerdem gilt auch der verminderte Kontakt mit Bakterien als möglicher Risikofaktor.

ACHTUNG KETOAZIDOSE
Bei den ersten möglichen Symptomen einer Ketoazidose sollte der Urin mittels Keton-Teststreifen überprüft werden. Erste Sofortmaßnahmen bei einer Ketoazidose ist die Gabe von Insulin, um die Blutzuckerwerte zu senken und die Energiegewinnung aus der Fettverbrennung zu stoppen. Außerdem sollte der Flüssigkeitsmangel schnellstmöglich ausgeglichen werden.

Erkennung Allgemeine Screeningmaßnahmen auf Typ-1-Diabetes werden nicht durchgeführt. Häufig bringen die klassischen Symptome eines Diabetes mellitus die Betroffenen zum Arzt. Erste Anzeichen sind Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Der Mangel an Insulin bedingt erhöhte Glukosekonzentrationen im Blut. Wird die sogenannte Nierenschwelle überschritten, gelangt Glukose in den Urin. Der Körper versucht, die Konzentrationsunterschiede osmotisch auszugleichen und gibt vermehrt Wasser in den Urin ab. Der Diabetiker leidet unter einer Polyurie – einem häufigen Wasserlassen, begleitet von einem unstillbaren Durstgefühl. Da Diabetiker ihren Energiebedarf unter Insulinmangel aus dem Fettabbau decken müssen, kommt es zu einem ungewollten Gewichtsverlust in kürzester Zeit.

Therapie des Typ-1-Diabetes Nach Diagnosestellung ist ein sofortiger Behandlungsbeginn angezeigt, um den kindlichen Stoffwechsel schnellstmöglich zu stabilisieren. Die medizinische Betreuung sollte gemäß den aktuellen Praxisleitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft bei Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr, in Einzelfällen auch bis zum 21. Lebensjahr, durch einen Kinderdiabetologen erfolgen. Die Behandlung umfasst die intensivierte Insulintherapie, altersgemäße Schulungen der Patienten und die psychosoziale Betreuung der Familie.

Bei Kindern kommen zur basalen Insulinsubstitution NPH-Insuline (Neutrales Protamin Hagedorn, Verzögerungsinsulin) sowie langwirksame Insulinanaloga zum Einsatz. Die Nahrungsaufnahme bei Kindern ist unregelmäßiger und viel schwerer zu kontrollieren als bei Erwachsenen, deshalb muss die prandiale Insulingabe (zu den Mahlzeiten) individueller erfolgen. Außerdem unterliegt die Insulinempfindlichkeit ständigen Einflüssen des Wachstums, der körperlichen Reifung, aber auch häufigen Infektionskrankheiten im Kleinkindalter. Kurzwirksames Humaninsulin und schnellwirksame Insulinanaloga unterscheiden sich bei Kindern bezüglich des Wirkungsbeginns und der Wirkdauer und können flexibel zur prandialen Substitution eingesetzt werden.

Der Vorteil kurzwirksamer Insulinanaloga ist, dass diese auch nach der Mahlzeit angewendet werden können. Etwa 21 Prozent der kindlichen Typ-1-Diabetiker erhalten eine Insulinpumpentherapie. Insbesondere für Kinder im Kleinkindalter, Neugeborene und schlecht einzustellende Patienten eignet sich diese Therapieform, die zum größten Teil mit kurz wirksamen Insulinanaloga durchgeführt wird.

INFORMATIONEN ZUM THEMA IM NETZ:
www.diabetes-kinder.de
www.diabetes-kids.de
www.kompetenznetz-diabetes-mellitus.net 
www.diabetesde.org

Komplikationen Hypoglykämien sind die häufigsten akuten Komplikationen bei Typ-1-Diabetikern. Wird die Abfolge „Messen, Spritzen, Essen“ nicht richtig eingehalten oder mehr Sport getrieben als geplant, können leicht Unterzuckerungen auftreten. Deshalb sollten die Patienten immer Traubenzucker bei sich tragen, um schnell gegenzusteuern.

Die diabetische Ketoazidose ist eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation, die überwiegend bei Typ-1-Diabetikern auftritt. Das körpereigene Hormon Insulin sorgt beim Gesunden für die Aufnahme von Glukose als Energielieferant in die Körperzellen und hemmt den Fettabbau. Bei einem Insulinmangel greift der Organismus gezwungenermaßen auf den Fettstoffwechsel zurück, um Energie zu gewinnen. Durch den Abbau von Triglyzeriden werden vermehrt Ketonkörper gebildet, die bei Anreicherung zu einer Übersäuerung des Blutes, einer „Ketoazidose“, führen. Diese äußert sich bei den Patienten in Form des „Azeton-Mundgeruchs“, Übelkeit und Erbrechen, bei Fortschreiten mit Benommenheit bis hin zum diabetischen Koma. Die Therapie erfolgt in der Regel stationär mit Insulin, Glukose, Elektrolyten und Flüssigkeit.

Altersgerechte Schulung In der Regel sind die Familien mit der Diagnose Diabetes zunächst überfordert. Ausführliche Schulungen, die auf die altersgerechten Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingehen, vermitteln Informationen zur Erkrankung, dem Therapiemanagement und der allgemeinen Lebensführung. Schulkinder können bereits einige Aufgaben wie Messen und Spritzen eigenständig unter regelmäßiger Kontrolle durchführen. Trotz des angestrebten selbständigen Umgangs sollte auch im Jugendalter noch ein Auge auf die Therapietreue der Jugendlichen geworfen werden. Gerade in der Pubertät werden Krankheit und Therapie oft lässiger gehandhabt.

Allgemein sollten Institutionen wie Kindergarten, Schule und Vereine informiert werden, damit dort selbstverständlich mit der Krankheit umgegangen wird und mögliche Notfallsituationen bewältigt werden können. Zusammen mit dem Kind und den Angehörigen sollten Therapieziele formuliert werden. Dazu gehören ein angestrebter HbA1c-Wert, Blutzuckerzielbereiche, gesunde Ernährungsweise, Bewegung und Verhaltensänderungen bei risikofördernder Lebensweise.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/11 ab Seite 14.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

×