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Arzneimittelsicherheit

DER WEG ZU ECHTEN VERBESSERUNGEN

„Der Apotheker als Garant für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) – eine Einführung“ lautete der Titel des Vortrags, den Prof. Martin Schulz, Geschäftsführer der ABDA im Bereich Arzneimittel, beim Deutschen Apothekertag vortrug.

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Zunächst galt es, die Definition dessen, was man unter Arzneimitteltherapiesicherheit versteht, zu kennen: „AMTS ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Gewährleistung eines optimalen Medikationsprozesses mit dem Ziel, Medikationsfehler und damit vermeidbare Risiken für den Patienten bei der Arzneimitteltherapie zu verringern.“ Laut Professor Schulz besteht gerade bei einer Polymedikation ein hohes Risiko, dass das Ziel der AMTS verfehlt wird. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass etwa 6,8 Millionen gesetzlich Krankenversicherte mehr als fünf Wirkstoffe einnehmen und Patienten jenseits des siebzigsten Lebensjahres im Durchschnitt zwischen sechs und acht Arzneimittel benötigen. Im Rahmen der Selbstmedikation haben Patienten, die älter als 65 Jahre sind, einen Anteil von 22 Prozent aller OTC-Präparate.

Angesichts dieser Zahlen sollten PTA insbesondere bei der älteren Patientengruppe darauf hinwirken, dass die Compliance (Therapietreue) auch umgesetzt wird. Aus einem Experten-Gutachten ist bekannt, dass bei fünf Prozent der Patienten Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) hervorgerufen werden. Professor Schulz wies darauf hin, dass ältere Menschen nicht nur wegen der Polymedikation von UAW betroffen sind, sondern auch andere Faktoren dafür verantwortlich sind: eingeschränkte Nierenfunktionen, eine verringerte metabolische (stoffwechselbedingte) Kapazität sowie eine gesteigerte Sensitivität vieler Zielorgane, Rezeptoren und körperlichen Kanäle. Außerdem lag bei einem Drittel aller UAW eine Interaktion mit anderen Medikamenten vor.

Natürlich spielen UAW mit fünf Prozent auch bei vermeidbaren Krankenhauseinweisungen eine nicht unerhebliche Rolle. Konkret bedeutet dies, dass 250 000 Krankenhauseinweisungen auf UAW zurückzuführen sind. Der Referent hatte sich die Mühe gemacht, auszurechnen, welche Kosten damit verbunden sind und kam auf eine Summe von einer Milliarde Euro pro Jahr!

Medikationsplan in der Kritik Kritik übte Schulz am aktuell von Ärzten erstellten Medikationsplan und bemängelte insbesondere das Risiko einer fehlenden Vollständigkeit der Daten. Weitere Fehlerquellen liegen etwa darin begründet, dass der Medikationsplan nicht immer fortgeschrieben wird und somit nicht auf dem aktuellen Stand ist. Fraglich ist in den Augen des Professors auch, ob er auf Arzneimitteltherapiesicherheit geprüft wird und die daraus resultierenden Maßnahmen umgesetzt werden.

Auch im Hinblick auf den Patienten herrschte bei Professor Schulz Skepsis: „Kann der Patient den Medikationsplan überhaupt richtig lesen, die Angaben verstehen und entsprechend umsetzen?“ Übrigens haben Untersuchungen, die auch vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurden, ergeben, dass Patienten mit einer Dauermedikation von mehr als fünf Präparaten den Medikationsplan nicht „einfach so“ verstehen und umsetzen können, sondern eine apothekerliche Beratung und Begleitung bräuchten. Als Folge der genannten möglichen Fehlerquellen sind laut Aussagen des Referenten Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Informationsquellen – Arzt, Apotheker, Patient – eher die Regel als die Ausnahme. Lediglich in sieben bis 24 Prozent gibt es keine Unstimmigkeiten.

Die häufigste Diskrepanz besteht darin, dass der Patient ein nicht im Medikationsplan dokumentiertes Arzneimittel einnimmt. Die Gründe, warum es zu einer mangelhaften Vollständigkeit des Medikationsplans kommt, sind vielfältig: So kann es sein, dass die Arztpraxis noch nicht ausreichend organisiert ist, um hier sorgfältig genug zu arbeiten. Auch diejenigen Arzneimittel werden nicht dokumentiert, die von Facharztkollegen verschrieben werden. Und schließlich wird im Medikationsplan auch nicht erfasst, welche Medikamente sich der Patient in der Selbstmedikation eigenmächtig verordnet.

Alternative ARMIN Zum Schluss seines Vortrags ging der Referent noch auf die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) ein. Bei diesem Modellprojekt wird der Medikationsplan in enger Abstimmung zwischen Ärzten und Apothekern erstellt. Bevor der Einstieg in eine Diskussion zwischen an ARMIN beteiligten Heilberuflern begann, formulierte Professor Schulz die Ziele, die mit diesem Projekt erreicht werden sollen. Das Ziel von ARMIN besteht demnach darin, einen Medikationsplan zu führen, der:

  • aktueller und vollständiger ist als der derzeit existierende,
  • auf potenzielle Risiken geprüft ist,
  • zwischen Arzt und Apotheker abgestimmt ist,
  • für die Patienten verständlich ist und
  • als vollständig elektronisch erstellter Medikationsplan kontinuierlich gepflegt wird.

ARMIN als zukunftsprägend Die anschließenden einleitenden Worte in der Diskussionsrunde kamen von Apothekerin Susanne Donner, ARMIN- Apothekerin der ersten Stunde. Sie berichtete, dass inzwischen 548 Ärzte und 978 Apotheken in dieses Modellprojekt involviert sind. Im Kern geht es bei ARMIN um drei Elemente: die Wirkstoffverordnung, den Medikationskatalog und das Medikationsmanagement als das „Herzstück“ des Modells. Apothekerin Donner betonte, wie gut die Zusammenarbeit mit den Ärzten vor Ort funktioniert und dass das Projekt von Patienten gut angenommen wird. Sie machte auch auf die damit verbundenen Chancen für den Berufsstand aufmerksam: „Der Medikationsplan ist nicht nur eine Chance für die einzelne Apotheke, sondern auch für unseren gesamten Berufsstand.

Außerdem begeistert diese Arbeit auch unseren Berufsnachwuchs.“ Die Apothekerin apellierte an die Kollegenschaft bei solchen Projekten von „Anfang an mit den Ärzten zu klären, wie bei akuten Problemfällen kommuniziert wird“. Außerdem betonte sie, dass nicht nur der finale Medikationsplan mit dem Patienten besprochen werden muss, sondern auch jegliche Veränderung der Medikation – einerlei, ob es sich um ein verordnetes Arzneimittel oder ein Präparat aus der Selbstmedikation handelt.

Zufriedenheit bei allen Beteiligten Einen hohen Zufriedenheitsgrad in der „unkomplizierten Zusammenarbeit“ ließ auch der mit Apothekerin Donner zusammenarbeitende Arzt erkennen. Marin Bauer zeigte sich erfreut und erleichtert darüber, dass beim Thema Arzneimitteltherapiesicherheit die Apotheker mit im Boot sind und empfand das als „forensische Absicherung“. Der Mediziner war sich mit einem Kollegen darüber einig, dass die Ansprache der Patienten bezüglich einer Teilnahme an ARMIN eher durch ihre Berufsgruppe erfolgen sollte. Beide Ärzte waren dagegen froh, dass die sogenannte Brown-bag-Analyse, bei der sämtliche Medikamente des Patienten gesichtet und überprüft werden, in der Apotheke stattfindet. So positiv wie die Diskussion verlief, könnte es darauf hinauslaufen, dass ARMIN als Blaupause für einen künftigen Medikationsplan dient.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 ab Seite 114.

Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)

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