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Farbenblindheit

DER MANN SIEHT ROT

Wer Farben nicht richtig unterscheiden kann, hat im Alltag mit vielerlei Tücken zu kämpfen: Bremslichter werden nicht erkannt, farbig hervorgehobene Worte im Text auch nicht.

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Die wohl bekannteste Erkrankung auf diesem Gebiet ist die Rot-Grün-Sehschwäche, fälschlicherweise auch Rot-Grün-Blindheit genannt. Betroffene verwechseln oftmals beide Farben, da sie sie nur in verschiedenen Braun- und Grautönen wahrnehmen. Zunächst einmal muss man unterscheiden: Bei der Rotschwäche oder -blindheit wird Rot mit Grün verwechselt, bei der Grünschwäche (Deuteranopie) ist es genau umgekehrt. Die seltenere Blaublindheit (Tritanopie) nimmt Blau als Gelb wahr.

Braun und Grau Entdeckt hat diese Erkrankung der englische Naturforscher John Dalton Ende des 18. Jahrhunderts, eben weil er selbst daran litt (deswegen findet sich in manchen Publikationen auch noch der Name Daltonismus). Betroffene kommen erstaunlich gut damit zurecht, denn sie haben ja von Geburt an nichts anderes kennen gelernt und sich in der Welt der Braun- und Grautöne eingerichtet. Nur für wenige Berufe ist die ausgeprägte Erkrankung ein Ausschlusskriterium – Piloten, Lokführer, Busfahrer, Kapitäne der Seefahrt und Polizisten müssen zunächst umfangreiche Tests bestehen.

Denn übersieht der Lokführer deshalb ein Signal oder beschreibt der Kommissar den Verdächtigen mit grüner Jacke, obwohl sie rot ist, kann das fatale Folgen haben. Auch mit dem Führerschein wird es schwierig, denn mit der Sehschwäche oder –blindheit geht eine deutliche Minderung der Sehschärfe einher, die auch durch eine Brille nicht zu korrigieren ist.

Männer sind häufiger betroffen als Frauen Vorweg gesagt: Keiner kann etwas für seine Rot-Grün-Blindheit. Sie wird ihm in die Wiege gelegt. Farbsehstörungen vererben sich rezessiv auf dem X-Chromosom, was der Grund ist, dass Männer sehr viel häufiger von ihnen betroffen sind als Frauen. Wir erinnern uns? Im rezessiven Erbgang verdeckt das gesunde Chromosom das fehlerhafte, und somit haben Frauen (XX-Chromosom) eine „eingebaute“ Sicherung und sind nur mit 0,4 Prozent davon betroffen, Männer hingegen (XY-Chromosom) mit acht Prozent. Hier ist besonders die Grünschwäche ausgeprägt: Man(n) sieht Rot statt Grün.

 Kein Sehpigment Und das liegt an den Farbrezeptoren im Auge, den so genannten Zapfen. Für Rot, Grün und Blau gibt es jeweils spezialisierte, die unterschiedliche Wellenlängen wahrnehmen; bei einer Farbwahrnehmungsstörung verhindert die Genmutation, dass das korrekte Sehpigment dazu gebildet wird. Also kann der Erkrankte diese Farben nur noch schlecht unterscheiden. Oftmals merkt er es nicht einmal. Es ist jedoch wichtig, dass es früh erkannt wird – so lässt man angehende Schulkinder in der vorausgehenden Untersuchung Farben bestimmen. Augenärztliche Tests bestimmen dann den Grad der Sehschwäche.

Farbige Zahlen Die bekannten Ishihara- oder pseudoisochromatischen Farbtafeln bilden Kreise ab, die mit Farbflecken angefüllt sind. Diese Flecken bilden Zahlen oder Buchstaben, die nur der korrekt erkennt, der über eine normale Farbwahrnehmung verfügt, denn sie sind in verschiedenen Rot- und Grüntönen (oder auch in Blau-Gelb) gehalten. Die Ausprägung der Erkrankung kann der Arzt mit dem Anomaloskop erkennen, bei der es ein Referenzfeld mit einem voreingestellten Gelb gibt. Der Patient muss die andere Hälfte aus Rot und Grün selbst mischen, der Arzt kann anhand der (subjektiv richtig, aber objektiv falsch) zugefügten Farben eine genaue Einteilung der Erkrankung vornehmen.

ACHROMASIE
Die völlige Farbenblindheit ist selten. Weitaus häufiger gibt es die Monochromasie (Betroffene nehmen nur eine Farbe wahr) und die Dichromasie, bei der zwei Farben verwechselt werden. Hier gibt es die oben beschriebene Rot-, Grün- und Blauschwäche, wobei die Grünschwäche den prozentual größten Teil einnimmt.

Verwirrung im Alltag Was bedeutet die Rot-Grün-Schwäche nun im Alltag? Die Umgebung merkt es nur in speziellen Situationen. So waren die Geschichtsstunden der Autorin für die Schulklasse ein steter Quell der Heiterkeit – denn der Lehrer, der an einer solchen Farbsehschwäche litt, verwechselte des öfteren die Farben auf den Lehrkarten. Deshalb wurden die Wege der West- und Ostgoten auf den farbig unterlegten Gebieten nie so ganz klar – und die Völkerwanderung bleibt bis heute ein Mysterium. Auch mit den bunten Kreiden hatte der arme Mann so seine Schwierigkeiten. Man sprach damals noch nicht gern über eine solche Erkrankung.

Information ist wichtig Doch das sollte man unbedingt tun! Denn es ist für die Umgebung wichtig zu wissen. Wenn jemand beim Mensch-ärgeredich- nicht den Falschen rausschmeißt (Spielsteine sind gern rot oder grün), ist das nicht weiter schlimm – aber wer bei Rot statt bei Grün über die Straße läuft, kann sich in Lebensgefahr begeben.

Mischfarbig gedruckte Schilder werden zum Problem, und kauft sich ein Betroffener ein grau kariertes Hemd, wird sich seine Familie vielleicht über die quietschgrünen Karos entsetzen. Der Journalist Jens Lubbadeh, selbst erkrankt, beschreibt seinen Alltag als „weitestgehend unproblematisch. Richtig Probleme bekommt man nur, wenn man anfängt, Frauen Komplimente zu machen. Zum Beispiel für ihre Augenfarbe.“ Tja …

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/15 ab Seite 128.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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