© forkART Photography / fotolia.com

Elektronische Gesundheitskarte

DER GLÄSERNE PATIENT

Seit dem 1. Januar 2014 gibt es die elektronische Gesundheitskarte (eGK). Schon im Vorfeld wurde immer wieder über ihren Nutzen diskutiert. Sie soll die Kassen finanziell entlasten und eine bessere medizinische Versorgung der Versicherten gewährleisten.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Etwa 96 Prozent aller Versicherten haben bereits eine eGK; seit Anfang des Jahres ist sie die offizielle Nachfolgerin der alten Gesundheitskarte. Diese gilt trotzdem noch bis zum Ende des aufgedruckten Gültigkeitsdatums. Für die Krankenkassen war es ein langer Weg bis zur Einführung, die immer wieder aufgrund von technischen oder rechtlichen Problemen verschoben wurde.

Mit einem Skandal fing alles an Im Jahr 2001 starben mehr als einhundert Menschen an Nierenversagen, nachdem sie den Blutfettsenker Lipobay eingenommen hatten. Ursache war die Wechselwirkung mit einem anderen Medikament. Das herauszufinden kostete viel Zeit, denn es gab keine vollständigen Aufzeichnungen darüber, welche Medikamente die Betroffenen wann und wie lange eingenommen hatten. Daraufhin entstand die Idee, eine elektronische Karte einzuführen, auf der die vollständige Krankengeschichte einschließlich der Medikation gespeichert werden konnte.

Von der Idee bis zur Einführung dauerte es jedoch mehr als zehn Jahre, was vor allem an Problemen beim Datenschutz lag. Außerdem musste eine neue Telematik-Infrastruktur geschaffen werden, um die Daten der Karte landesweit nutzen zu können.

Informationen bündeln Durch den Prozessorchip hat die eGK aber Potenzial für mehr: So können und sollen in Zukunft Rezepte online gespeichert werden, Unverträglichkeiten des Patienten sowie ganze Arztbriefe und Laborberichte. Ziel ist es, alle patientenrelevanten Daten zentral zu bündeln und für jeden Behandler jederzeit abrufbar zu machen. Die Versicherten müssen dem Speichern dieser sensiblen Informationen immer zustimmen. Umfassende Daten auf der Karte bieten den Vorteil, dass alle auf demselben Informationsstand sind, wodurch die medizinische Versorgung wesentlich vereinfacht und verbessert werden kann.

WAS IST DRAUF?
Die eGK ist mit einem Prozessorchip und einem Lichtbild des Versicherten versehen. Auf dem Chip werden bisher nur all die Informationen gespeichert, die auch auf der herkömmlichen Karte gespeichert waren, wie Geburtsdatum und Adresse. Doch nun können zum Beispiel Adressänderungen direkt aufgespielt werden, ohne, dass dafür eine neue Karte ausgestellt werden muss.

Ärzte hätten jederzeit Einblick in patientenrelevante Informationen, ohne sich zum Beispiel erst einen Arztbrief zuschicken lassen zu müssen und diesen auch noch in die praxiseigene EDV zu übertragen. Auch die Kassen profitieren von der Karte, weil sie dadurch wirtschaftlicher arbeiten können, etwa indem doppelte Untersuchungen vermieden werden.

Datenschutz das A und O Viele Versicherte fürchten aber, zum gläsernen Patienten zu werden, dessen Daten missbraucht werden. Auch wenn für die sensiblen Daten ein kompliziertes System mit Verschlüsselung, Entschlüsselung und PIN geplant ist, weiß niemand, ob das auch wirklich seriös umgesetzt wird. Sanktionen bei Verstößen sind bisher gesetzlich nicht festgeschrieben. Die Angst der Versicherten scheint also nicht unbegründet.

Allerdings ist der Transfer von sensiblen Daten im Gesundheitswesen derzeit noch bedenklicher, werden Patientenakten doch vielfach unverschlüsselt per E-Mail verschickt. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind sie nicht anonymisiert und liegen zum Teil für jeden einsehbar in den Behandlungszimmern. Zu den Daten, die per EDV gespeichert werden, hat praktisch jeder Mitarbeiter Zugang – eine Sicherheitslücke, die zum Beispiel im Fall Michael Schumacher deutlich wurde. Dessen Krankenakten wurden erst gesperrt und nur noch für die behandelnden Ärzte zugänglich gemacht, als Mitarbeiter bereits Informationen zu seinem Gesundheitszustand an die Presse verkauft hatten.

Ist auch drin, wer drauf ist? Sicherlich könnte die elektronische Karte ein großer Schritt nach vorne im Hinblick auf die Datensicherheit von Patienten werden, wenn die Auflagen alle verlässlich eingehalten werden. Aber: Bereits wenige Monate nach der Einführung stellte sich heraus, dass die Krankenkassen den Abgleich zwischen Lichtbild und Versichertem nicht vorgenommen haben, obwohl sie dazu verpflichtet waren.

Das bedeutet: Niemand weiß, ob der Mensch auf dem Foto und der namentlich genannte Versicherte auf der Karte ein und dieselbe Person ist. Betrug und Datenschutzverletzungen sind somit bereits jetzt Tür und Tor geöffnet. Trotzdem ist der Grundgedanke einer besseren und effizienteren medizinischen Versorgung richtig und wünschenswert. Ob Politik und Verwaltung die Probleme, die mit der Umsetzung verbunden sind, in den Griff bekommen, bleibt jedoch abzuwarten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 104.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

×