Frau schaut in Kühlschrank © nenetus / stock.adobe.com
© nenetus / stock.adobe.com

Glykämischer Index

DEM GLYX AUF DER SPUR

Die Blutzuckerreaktion auf einzelne Nahrungsmittel wird auch Glykämischer Index (GI) genannt. Eine Beschäftigung mit diesem Thema lohnt sich besonders für Diabetiker – aber auch für Abnehmwillige.

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Vor einigen Jahren erlebte die „Glyx-Diät“ einen regelrechten Hype. Ein großer Sachbuchverlag hatte den GI auf diesen griffigen Namen eingedampft und brachte zahlreiche Diätbücher auf den Markt, andere taten es ihm nach. Doch was ist dran am Glyx und was ist das eigentlich genau?

Glukose als Referenz Der Glykämische Index wurde in den 1980er Jahren zu Forschungszwecken in einem Labor entwickelt. Er sollte in Zahlen darstellen, was bestimmte Lebensmittel mit unserem Blutzuckerspiegel anstellen. Als Referenzwert dient die Resorption von Traubenzucker oder Glucose: Der GI beträgt 100. Würden wir eine bestimmte Menge Glucose in Wasser aufgelöst trinken, könnte der Blutzuckerspiegel als Glockenkurve gemessen werden: Er steigt zunächst kräftig an, erreicht dann seinen Höhepunkt und fällt unter dem Einfluss von Insulin in einer bestimmten Geschwindigkeit wieder ab.

Anhand der Größe der Fläche unter der gezeichneten Kurve kann man den GI berechnen. Als die Forscher sich die unterschiedlichen Kurvenflächen anschauten, konnten sie sich auch endlich erklären, warum ein paar Scheiben Weißbrot den Blutzucker stärker ansteigen ließen als die schiere Glucose. Es geht nämlich auch noch um die Glykämische Last (GL), das heißt: Wie viel man von einem Nahrungsmittel isst, spielt auch noch eine Rolle. So sind Karotten nur vordergründig mit einem recht hohen GI von 43 ausgestattet. Doch bei der durch- schnittlichen Verzehrmenge kommen sie gerade mal auf eine GL von 3.

Kartoffeln und Reis Für eine Überraschung sorgte die als so gesund geltende Kartoffel. Sie weist nämlich je nach Verarbeitung einen Wert von 85 auf. Bratkartoffeln haben dabei mehr als Pommes; am besten schneiden gekochte Kartoffeln ab, die einige Stunden geruht haben: Dabei entsteht eine Form von Stärke, die unser Körper nicht mehr als Zucker erkennt – aber ein prima Futter für unsere Darmbakterien darstellt. Der König in der Verwertungstabelle ist allerdings der Jasmin-Klebereis aus dem China-Restaurant: Die kleinen weißen Stärkekörnchen rauschen praktisch direkt in die Blutbahn – und bringen es damit auf den astronomischen Wert von 109; eine Zahl die noch höher ist als der GI für reinen Traubenzucker.

Folge Unterzuckerung Bei stoffwechselgesunden Menschen wird bei Glucose-lastigem Essen die passende Menge Insulin ausgestoßen. Gleichzeitig wird die Freisetzung von Glukagon gehemmt, dem Gegenspieler des Insulins. Glucose kann also abgebaut, Fett und Kohlenhydrate können gespeichert werden. Und das ist auch noch zwei Stunden später so – mit der Folge, dass nun eine Unterzuckerung entstehen kann. Und was passiert? Wir bekommen schon wieder Hunger, obwohl wir gerade eine große Portion Pommes gegessen haben.

Unser Gehirn kann nämlich auf gar keinen Fall zulassen, dass es zu wenig Zucker bekommt, denn das ist schließlich der Stoff, von dem es sich ernährt. Die Folge: Es entsteht ein Teufelskreis. Wir essen, obwohl wir gerade so viele Kalorien zu uns genommen haben, dass wir eigentlich satt sein müssten. Die Wissenschaft ist sich einig: Wer dauerhaft Nahrungsmittel mit hohem Glyx verspeist, bei dem steigt die Wahrscheinlichkeit, einmal adipös zu werden. Und das wiederum führt zum nächsten Problem: Mit dem Übergewicht steigt auch das Risiko für Typ-2-Diabetes.

Typ-2-Diabetiker und der Glyx Der (zu viele) Zucker kreist nun aufs Neue im Blut: Doch jetzt nehmen ihn die Zellen nicht mehr auf, denn Typ-2-Diabetiker leiden unter einer Insulin-Resistenz. Zwei amerikanische Studien fanden einen deutlichen Zusammenhang zwischen einer Ernährung mit hohem Glyx und der Entstehung dieser Krankheit. Ist der Diabetes erst einmal ausgebrochen, kann eine Ernährung mit niedrigem GI und GL ihn im Zaum halten: Erwiesen ist, dass eine dauerhafte Ernährungsumstellung den HbA1C-Wert – also den Langzeit-Blutzucker – kräftig senken kann.

Sind nun Nahrungsmittel mit niedrigem Glyx die neuen Heilsbringer? Sicherlich nicht. Doch es lohnt sich, darauf zu achten, was man seiner Bauchspeicheldrüse zumutet. Einen hohen Glykämischen Index (von 100 bis 70) weisen Baguette und Cornflakes, Waffeln, Weißbrot und Kräcker auf; auch Pommes Frites und Kartoffelpüree stehen ganz oben auf der Liste – wobei allerdings auch die Glykämische Last immer mit einbezogen werden sollte. Wer sich aus einer Fertigmischung glutenfreie Pfannkuchen zubereitet, sollte sich bewusst sein, dass deren GI 102 beträgt.

Hilfreiche Kombinationen Zu den Lebensmitteln mit mittlerem GI (55 bis 70) zählen, Vollkornbrot, Rote Beete, Müsliriegel mit Trockenfrüchten, Müsli, Haferflocken und Vollkornreis. Und – Cola (GI=63)! Die ist allerdings insofern eine Mogelpackung, als dass die enthaltene Fruktose direkt in der Leber abgespeichert wird und erst am nächsten Morgen als schwindelnd erhöhter Nüchternblutzucker wieder auftaucht. Sauerteigbrot dagegen enthält Säure, ebenso wie Sushi-Reis – und Säure verzögert die Magen- und Darmentleerung, was wiederum den GI senkt. Auch das oben aufgeführte Baguette hat einen niedrigeren GI, wenn es mit Salat und Vinaigrette genossen wird.

In den unteren Bereichen des GI (weniger als 55) tummeln sich Mais und Salzkartoffeln, Erbsen und Pfirsiche, Parboiled Reis, Vollkornspaghetti, Joghurt und Erdnüsse. Fast alle gängigen Milchprodukte gehören dazu. Der Star unter den Niedrig-GI’s ist aber die Linse. Sie verfügt über einen unschlagbar niedrigen Glykämischen Load von 5, ist aber eine Proteinbombe und nahrhaft, wie fast alle Hülsenfrüchte. Bei uns hat sie leider ein etwas spießiges Image, aber sie muss ja nicht immer in der Suppe schwimmen. Beluga-Linsen sehen aus wie Kaviar und haben die Größe von Bulgur; man kann daraus leckere Salate machen. Rote Linsen passen zu geräucherter Putenbrust und Backpflaumen, als Eintopf durchaus interessant und überaus kostengünstig.

Auf der Nulllinie Es gibt auch Lebensmittel, die über einen Glykämischen Index von O verfügen. Von Eiern steigt der Blutzucker nicht an, auch Tomaten und Walnüsse haben einen GI auf der Nulllinie. Fast keine Kohlenhydrate sind auch in Fleisch und anderen Nüssen sowie in vielen Gemüsesorten. Generell gilt: Je ursprünglicher ein Lebensmittel ist, desto niedriger der Glykämische Index, je höher verarbeitet, desto höher auch der GI. Das Fazit: Lebensmittel mit einem hohen Anteil schnell resorbierbarer Kohlenhydrate haben einen hohen Glykämischen Index. Hält man diesen Anteil in seiner Ernährung niedrig, steigt die Wahrscheinlichkeit, der Fettleibigkeit und der Insulinresistenz zu entkommen – nicht von ungefähr spricht man von der „Glyx-Diät“. Und die soll angeblich sogar glücklich machen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/18 ab Seite 122.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

Der Glykämische Index
… auch Glyx oder GI genannt, wird in Prozent ausgedrückt. Als Referenzwert gilt Dauer und Höhe des Blutzuckeranstiegs nach dem Verzehr von 50 Gramm Glucose, was 100 Prozent entspricht. Kartoffeln haben demnach einen GI von 85, Basmatireis 58 und ein Apfel einen Wert von 38. Neben dem GI gibt es noch den Glykämischen Load (GL), was sich auf die glykämische Gesamtbelastung einer tatsächlich verzehrten Portion des Lebensmittels bezieht.

×