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Reiseapotheke

DAS RICHTIGE IM KOFFER?

Etwa jeder Dritte wird im Urlaub krank. Der Grund, warum eine gut sortierte „Apotheke für unterwegs“ ein unverzichtbarer Begleiter ist. Erläutern Sie Kunden, was unbedingt hineingehört.

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Häufig lässt Touristen ihre Gesundheit bereits während des Bustransfers vom Flughafen zum Hotel im Stich: Wenn es in rasantem Tempo über schmale Straßen mal bergauf und mal bergab in Richtung Ferienort geht, macht sich nicht nur grenzenlose Vorfreude, sondern oft leider auch die Reisekrankheit bemerkbar:

Auf Schwindel und heftige Übelkeit folgt oft das unvermeidbare Erbrechen. Auch im Hotel – egal ob auf Mallorca oder den Malediven, ob im Luxuspalast oder in der einfachen Pension – sind Urlauber nicht vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen gefeit. Sei es, dass es in den ersten Ferientagen, fern der vertrauten Toilette, mit dem Stuhlgang partout nicht klappen will, dass auf Temperaturschwankungen und viel zu kühle Klimaanlagenluft prompt ein lästiger Schnupfen folgt oder dass sich Sonnenhungrige gleich am ersten Strandtag eine schmerzhafte Hautrötung zuziehen.

All das sind keine Katastrophen, wohl aber klassische Anlässe, rasch in die Reiseapotheke zu greifen und sich auf die zuverlässige Wirkung vertrauter Arzneimittel zu verlassen. Voraussetzung für schnelle Beschwerdelinderung: Urlauber haben die passende Medizin – wie Tabletten gegen Reisekrankheit, Abführmittel, Nasenspray und Salbe gegen Sonnenbrand – tatsächlich im Gepäck. Und das ist bei vielen leider nicht der Fall: Mehr als 40 Prozent der Deutschen fahren ohne Reiseapotheke in den Urlaub, hat eine Studie des Marktforschungsinstituts GfK ergeben.

Selbst bei Fernreisen sieht es nicht besser aus: Laut Weltgesundheitsorganisation starten 40 Prozent aller Urlauber völlig unvorbereitet in die Ferien! Ihrer Gesundheit zuliebe sollten Globetrotter jedoch umdenken und sich künftig besser vorbereiten. Im Beratungsgespräch können Sie Kunden erläutern, welche Medikamente und Verbandmittel – jeweils abhängig vom Reiseziel, den Mitreisenden und der Art des Urlaubs – auf jeden Fall in den Koffer gepackt werden sollten. Außerdem können Sie Ihnen wertvolle Gesundheitstipps mit auf die Reise geben und somit Ihre Fachkompetenz unter Beweis stellen.

Impfcheck muss sein Wer eine Fernreise plant, vor allem in ein tropisches Land und/oder in eine Region mit geringem Hygienestandard und schlechter medizinischer Versorgung, sollte idealerweise etwa sechs Wochen vor dem Urlaub eine reisemedizinische Beratung bei einem reise- und tropenmedizinisch erfahrenen Arzt in Anspruch nehmen. Anhand des Impfausweises kann er erkennen, ob noch ausreichender Schutz gegen Tetanus, Diphtherie & Co. besteht. Außerdem kann der Mediziner beurteilen, ob zusätzlich zu den bei uns laut RKIImpfkalender vorgesehenen Standardimpfungen spezielle Reiseimpfungen erforderlich sind.

Oft wird Urlaubern geraten, sich gegen Hepatitis A, eine weltweit verbreitete Virusinfektion der Leber, impfen zu lassen. Die Ansteckung erfolgt durch verunreinigte Nahrung oder über Trinkwasser. Bereits am Mittelmeer ist das Infektionsrisiko um ein Vielfaches höher als bei uns, was die Bedeutung der Hepatitis-A-Impfung unterstreicht. Im Gegensatz zu Hepatitis A wird Hepatitis B durch Blut und andere Körperflüssigkeiten, häufig durch Sexualkontakte übertragen.

MIT MEDIZIN AUF REISEN
Worauf Sie Ihre Kunden hinweisen sollten:
+ Arzneimittel immer mit Beipackzettel mitnehmen.
+ Bei Flügen die Dauermedikation ins Handgepäck packen und eine großzügige Reserve einplanen.
+ Medikamente vor Wärme und Feuchtigkeit schützen. Hitzeempfindliche Medizin in eine Kühltasche 
   packen, kälteempfindliche bei Flugreisen ins Handgepäck.
+ Sich rechtzeitig vor der Reise nach den Einfuhrbestimmungen des Reiselandes erkundigen und
   ggfs. eine entsprechende ärztliche Bescheinigung einholen.
+ Praktisch für unterwegs sind handliche, bruchsichere Verpackungen , hitzestabile Darreichungsformen (z. B.
  Tabletten) sowie Präparate, die ohne Flüssigkeit eingenommen werden können (z. B. Lutsch- und
  Schmelztabletten).

Es gibt Kombinationsimpfstoffe, die gleichzeitig vor Hepatitis A und Hepatitis B schützen. Auch gegen einige „Tropenkrankheiten“ gibt es wirksame Schutzimpfungen. Etwa gegen Gelbfieber (Achtung, die Impfung darf nur in autorisierten Gelbfieberimpfstellen gegeben werden), Japanische Enzephalitis, Typhus und Cholera. Recht viele Krankheiten, darunter auch das Gelfieber, werden in subtropischen und tropischen Gefilden durch Mückenstiche auf den Menschen übertragen.

Doch bei weitem nicht gegen alle dieser Infektionen gibt es Schutzimpfungen. Bekanntestes Beispiel ist die Malaria, die auch heute noch in etwa 100 Ländern vorkommt und weltweit eine der häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt ist. Besonders gefährlich ist die Malaria tropicana. Übertragen wird Malaria durch Stiche nachtaktiver Anophelesmücken. Weitere durch Mückenstiche übertragbare Infektionskrankheiten, gegen die es keine wirksame Impfung gibt, sind beispielsweise Denguefieber, West-Nil-Fieber und Leishmaniosen.

Eine wesentliche Schutzmaßnahme besteht darin, Insektenstiche zu vermeiden. Empfehlenswert ist es, im Freien lange, helle Kleidung zu tragen und unter engmaschigen Moskitonetzen zu schlafen. Unverzichtbare Reisebegleiter sind Repellents, die auf die Haut aufgetragen beziehungsweise aufgesprüht werden. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt bei Reisen in die Tropen DEET-haltige Präparate. Zusätzlichen Schutz bietet es, auch das Moskitonetz mit einem Repellent zu imprägnieren. Ob abhängig von Reiseziel und -zeit eine Chemoprophylaxe gegen Malaria erforderlich ist, kann ein reisemedizinisch erfahrener Arzt beurteilen. Eventuell wird er auch zur Mitnahme von Einmalspritzen und -kanülen sowie Präparaten zur Wasserentkeimung raten.

Keine Angst vor Montezumas Rache In der Regel weit weniger gefährlich als viele Tropenkrankheiten, aber trotzdem äußerst lästig, oft auch schmerzhaft und kräftezehrend, sind viele klassische Reisekrankheiten, die Touristen so gut wie überall auf der Welt treffen können. Spitzenreiter unter den Reiseübeln ist der Durchfall, auch Reisediarrhö genannt. Meist wird sie von Bakterien, insbesondere Escherichia coli, ausgelöst, möglicherweise aber auch von Viren oder Protozoen.

Die Übertragung erfolgt meist über kontaminierte Nahrungsmittel oder über Wasser. Ein besonders hohes Erkrankungsrisiko besteht in Afrika, Asien und Lateinamerika – und somit auch in Brasilien, dem Gastgeber der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft. In Südamerika ist der Reisedurchfall auch als „Montezumas Rache“ bekannt. Obwohl eine Reisediarrhö normalerweise selbstlimitierend und nicht wirklich bedrohlich ist, sollten Betroffene schnell und richtig handeln: Auf jeden Fall ist es erforderlich, den mit Durchfall einhergehenden Wasser- und Mineralstoffverlust auszugleichen. Deshalb gehören Elektrolytlösungen unbedingt in die Reiseapotheke.

Grundsätzlich müssen Durchfallgeplagte viel trinken. Zur Behandlung stehen zudem unterschiedliche Antidiarrhoika zur Verfügung. Schnell und gut wirksam sind solche mit den Wirkstoffen Loperamid und Racecadotril. Probiotika wie medizinische Hefe oder Laktobazillen können sowohl zur Durchfallprävention als auch zur Behandlung eingesetzt werden. Sie unterstützen die Darmflora und sind gut verträglich.

Hilfe für Magen und Darm Neben Durchfall sind auch andere Verdauungsprobleme – etwa Verstopfung, Magenschmerzen, Übelkeit und Sodbrennen – keine Seltenheit. Deshalb ist es ratsam, entsprechende Arzneimittel in die Reiseapotheke zu packen – etwa ein Abführmittel (z. B Macrogol, Natriumpicosulfat, Bisacodyl), einen Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol, Pantoprazol), ein Präparat gegen Bauchkrämpfe (z. B. Butylscopolamin) und/oder einen pflanzlichen „Allrounder für den Magen“ (z. B. mit bitterer Schleifenblume, Pfefferminzblättern, Kümmelfrüchten und weiteren Heilpflanzenextrakten).

Unbedingt ins Gepäck muss auch ein Medikament gegen Übelkeit und Erbrechen (z. B. Dimenhydrinat). Dimenhydrinatpräparate sind auch wirksam, wenn es darum geht, die tückische Reisekrankheit (Kinetose) zu vertreiben. Dazu kann es praktisch in jedem Verkehrsmittel kommen, wenn verschiedene Organe – wie die Augen und das Gleichgewichtsorgan im Innenohr – widersprüchliche Informationen an das Gehirn melden. Etwa beim Lesen im Auto: Das Gleichgewichtsorgan nimmt alle Bewegungsreize wahr, während das Auge „Stillstand“ signalisiert. Schwindel, Schweißausbrüche und Übelkeit bis hin zum Erbrechen können die Folgen sein.

»Fußballfans, die jetzt zur WM nach Brasilien reisen, sollten auf konsequenten Sonnenschutz hingewiesen werden!«

Zur Vorbeugung und Behandlung eignen sich antiemetische Reisetabletten, -kaugummis oder Suppositorien. Fragen Sie bei der Abgabe nach, für wen das Präparat bestimmt ist, um dem Kunden die bestmögliche Darreichungsform und vor allem eine altersgerechte Dosierung empfehlen zu können. Wichtig ist der Hinweis, dass klassische Antiemetika müde machen, das Reaktionsvermögen beeinträchtigen können und folglich für Autofahrer nicht geeignet sind.

Antiemetisch wirken auch Ingwerpräparate und einige Homöopathika. Sinnvoll ist es, dass Reisetabletten beziehungsweise -kaugummis griffbereit ins Handgepäck gehören. Auch Urlauber, die vor Ort einen Schiffsausflug oder eine Sightseeingtour mit dem Bus unternehmen möchten, sollten entsprechende Medikamente einstecken. Eine arzneimittelfreie Alternative sind Akupressurarmbänder, die schon wenige Minuten nach dem Anlegen wirken und vorbeugen.

Gut gegen Schmerzen, Fieber und Infekte Unabhängig vom Ferienziel gehören Analgetika in jede Reiseapotheke. Bewährte Wirkstoffe wie Paracetamol, ASS und Ibuprofen wirken gegen Fieber und Schmerzen gleichermaßen. Empfehlen Sie Ihren Kunden, bevorzugt solche Präparate mitzunehmen, die sie von Zuhause kennen und erfahrungsgemäß gut vertragen. Ein Analgetikum leistet auch gute Dienste, wenn sich Urlauber eine Erkältung mit Symptomen wie Kopf-, Gliederschmerzen und/oder Fieber zugezogen haben.

Grippale Infekte gehören zu den besonders häufigen Reisekrankheiten, denn in den „schönsten Wochen des Jahres“ können zahlreiche Einflussfaktoren das körpereigene Immunsystem schwächen: etwa Stress kurz vor oder während der Anreise, ein Übermaß an Sonneneinwirkung oder starke Temperaturschwankungen. Wenn es vom gut gekühlten Hotelzimmer gleich an den brüllend heißen Strand und anschließend ins kühle Meerwasser geht, sind Schnupfen und Husten oft schon vorprogrammiert.

DURCHFALL VORBEUGEN: FÜNF TIPPS FÜR IHRE KUNDEN
+ Kein Leitungswasser, sondern nur Wasser aus Flaschen mit intaktem Schraubverschluss trinken!
+ Zähne nicht mit Leitungswasser putzen!
+ Auf Eiswürfel in Getränken verzichten!
+ Die Regel „Koch es, schäl es oder vergiss es“ beherzigen!
+ Die Darmflora schon vor Reiseantritt mit medizinischer Trockenhefe (z. B. Saccharomyces
  boulardii) stärken!

Wichtig deshalb, ein abschwellendes Nasenspray (z. B. Oxymetazolin, Xylometazolin), Hustenlöser (z. B. Ambroxol, ACC oder ein pflanzliches Präparat) und Lutschpastillen gegen Halsbeschwerden einzupacken. Ebenfalls unverzichtbar: ein robustes Fieberthermometer.

Rechnen sollten Reisende auch damit, dass es in den Ferien zu Hautverletzungen, Sonnenbrand und Insektenstichen kommen kann. Um kleine Schürf- oder Schnittwunden rasch verarzten zu können, gehören Schere, Pinzette, Verbandmaterial, Pflaster, Desinfektionsspray sowie Wund- und Heilsalbe ins Gepäck.

Ebenfalls unverzichtbar: Dermatika, die bei Sonnenbrand und juckenden Insektenstichen Linderung versprechen. Geeignet sind hier topische Antihistaminika und Präparate mit Hydrocortison. Nutzen Sie das Beratungsgespräch, um auch über hauttypgerechten Sonnenschutz zu informieren und Ihren Kunden entsprechende Produkte zu empfehlen. Weisen Sie auch Fußballfans, die jetzt zur Weltmeisterschaft nach Brasilien reisen, auf die Bedeutung eines konsequenten Sonnenschutzes hin.

So individuell wie der Mensch Welche Medikamente – abgesehen von wichtigen „Basispräparaten“ – in die Reiseapotheke gepackt werden sollten, hängt von vielen individuellen Faktoren ab. Unter anderem davon, welche Beschwerden den Urlauber in der Vergangenheit häufig geplagt haben. Fragen Sie nach, ob unterwegs beispielsweise mit Lippenherpes, „Sonnenallergien“, Augenreizungen, Kreislaufproblemen oder Schlafstörungen gerechnet werden muss und welche Aktivitäten geplant sind. Denn daraus lassen sich wichtige Empfehlungen ableiten.

Einleuchtend erscheint, dass Menschen, die öfter von Lippenherpes geplagt werden, eine antivirale Lippenherpescreme (z. B. Penciclovir, Aciclovir) mitnehmen sollten, Personen, die einen Aktivurlaub planen, mit einer Salbe gegen Prellungen und Verstauchungen (z. B. mit Diclofenac, Ibuprofen oder pflanzlichen Wirkstoffen) gut beraten sind und alle, die selbst zu Hause schlecht ein- und durchschlafen können, in den Ferien von einem pflanzlichen Schlafmittel (z. B. mit Baldrianwurzel, Hopfenzapfen und/ oder Passionsblumenkraut) profitieren können.

Darüber hinaus müssen selbstverständlich alle Medikamente, die aufgrund einer akuten oder chronischen Erkrankung regelmäßig eingenommen werden müssen, in ausreichender Menge mitgenommen werden. Eine individuelle Beratung brauchen grundsätzlich Familien, die mit Kindern wegfahren.

Der Nachwuchs braucht seine eigene Reiseapotheke, denn viele Präparate und Wirkstoffe sind für Kinder kontraindiziert. Hinein gehören neben Verbandmaterial, Schere, Pinzette und Fieberthermometer für die Kleinen zugelassene Arzneimittel in altersgerechter Dosierung. Unverzichtbar sind unter anderem Präparate gegen Fieber, Durchfall, Übelkeit, Erkältungsbeschwerden, Insektenstiche und zur Wundbehandlung. Raten Sie Familien außerdem, für die Jüngsten hochwertige, wasserfeste Sonnenschutzmittel mit hohem oder sehr hohem Lichtschutzfaktor und ein für die Altersgruppe geeignetes Repellent einzupacken.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 58.

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