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Was ist eigentlich…

… DAS REYE-SYNDROM?

Die meisten begegnen dem Syndrom wohl in der Ausbildung, denn das Auftreten stellt die Begründung für die kontraindizierte Gabe von Acetylsalicylsäure an Kinder unter zwölf Jahren dar.

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Das Reye-Syndrom hat sich als „Nebenwirkung von ASS“ ins Gedächtnis eingebrannt. Der pathologische Mechanismus, der zum Ausbruch des Reye-Syndroms führt, ist jedoch noch nicht vollständig geklärt. Man vermutet einen Zusammenhang mit einer Virusinfektion wie Influenza, Mumps oder Masern und einer begleitenden fiebersenkenden Therapie mit Salicylaten. Ein gesicherter Zusammenhang konnte noch nicht bewiesen werden. Die Einführung des Warnhinweises für Acetylsalicylsäure und damit die zurückgehende Gabe des fiebersenkenden Mittels an Kinder in den USA führte jedoch dazu, dass statt mehreren 100 Fällen jährlichen nur noch ungefähr zwei auftraten. Dies könnte aber auch auf den schwindenden Gebrauch anderer Substanzen, die früher üblich waren, zurückzuführen sein. Es gibt daher auch unter wissenschaftlichen Kreisen die Anhänger der Salicylat-​These und die Gegner.

Entdeckung und Warnung Aber die seltene pädiatrische Krankheit ist auch noch jung – in einem Lancet-Beitrag schilderte der australische Pädiater und Pathologe Ralph Douglas Kenneth Reye 1963 zum ersten Mal das potenziell tödliche Syndrom, das später nach ihm benannt wurde. Er entdeckte bei der Organuntersuchung verstorbener Kinder Gemeinsamkeiten, die sich auf keine andere Erkrankung zurückführen ließen. Auch er konnte sich nicht auf einen Pathomechanismus festlegen und vermutete, dass sich der Symptomkomplex aus mehreren Gründen einstellt. Trotzdem trägt die Packungsbeilage ASS-haltiger Arzneimittel seit über 30 Jahren folgende Warnung: „Acetylsalicylsäure soll bei Kindern und Jugendlichen mit fieberhaften Erkrankungen nur auf ärztliche Anweisung und nur dann angewendet werden, wenn andere Maßnahmen nicht wirken“.

Hirn und Leber in Gefahr Es handelt sich um eine nicht entzündungsbedingte, nicht ansteckende Enzephalopathie. Die Mitochondrien in Skelett-, Gehirn- und Leberzellen beginnen sich zu verändern. In der Folge häufen sich zelltoxische Stoffwechselprodukte an, die sonst abgebaut würden: langkettige Fettsäuren, Laktat und Ammoniak. Das Resultat: Die Transaminasen steigen, die Leber verfettet, der INR steigt und der Blutzucker fällt drastisch ab. Im schlimmsten Fall bildet sich ein potenziell tödliches Hirnödem. In einem frühen Stadium entdeckt, lässt sich die Krankheit gut behandeln. Immer später bemerkt, steigt die Sterblichkeit der jungen Patienten – voll ausgeprägt führt das Reye-Syndrom in knapp drei Vierteln der Fälle zum Tod. Das Anfangsstadium des Krankheitsbildes ist geprägt durch Übelkeit, Erbrechen, Lethargie, Leberfunktionsstörungen und Müdigkeit – kleine Kinder und Säuglinge können mitunter ohne Unterlass schreien. Bei einem Drittel entwickelt sich das Vollbild des Syndroms mit der gefürchteten Enzephalopathie. Es kann sich ein Hirnödem entwickeln, die Kinder hyperventilieren, bekommen Krämpfe, erliegen einer Dezerebrationsstarre, fallen ins Koma und werden atemdepressiv. Eine sofortige medizinische Intensivbetreuung ist gefragt: Der kleine Patient wird intubiert und sediert. Besonders wichtig ist die Überwachung des Hirndrucks, gegebenenfalls werden osmotische Diuretika wie Mannitol gegeben. Auch der Blutzucker wird stabil gehalten, um Folgeschäden zu vermeiden. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/19 ab Seite 137.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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