Herz in der Hand
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Herzerkrankungen

DAS LOCH IM HERZEN

Pro Jahr kommen in Deutschland etwa 8000 Kinder mit einem angeborenen Herzdefekt zur Welt. Am häufigsten sind dabei Kammer oder Vorhofwanddefekte – kleine Lücken in den Herzscheidewänden.

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Die zwei Hälften des Herzens bestehen jeweils aus einem Vorhof und einer Kammer. Sauerstoffarmes Blut aus dem Körper gelangt über den rechten Vorhof in die rechte Kammer, die es in den Lungenkreislauf befördert. Dort wird es mit Sauerstoff angereichert und fließt über den linken Vorhof in die linke Herzkammer, die es durch die Aorta in den Körperkreislauf pumpt. Vorhöfe und Herzkammern sind durch Scheidewände (Septen) voneinander getrennt, sodass sich sauerstoffarmes und sauerstoffreiches Blut nicht mischen und der unterschiedlich hohe Druck in den einzelnen Abteilungen aufrechterhalten wird.

Bei einem Septumdefekt, also einer Fehlbildung in einer der Scheidewände, ist dies nicht mehr gewährleistet. Die Gründe für angeborene Herzschädigungen sind zahlreich – Gendefekte können ebenso eine Rolle spielen wie Toxine oder Infektionen in der Schwangerschaft. Beim Embryo wachsen oberer und unterer Teil der Herzscheidewand während der Entwicklung im Mutterleib aufeinander zu. Manchmal ist diese Entwicklung bei der Geburt noch nicht vollständig abgeschlossen. Ist die Lücke nur bis zu zwei Millimeter groß, schließt sie sich in den meisten Fällen noch nach der Geburt.

Hohe Belastung Der häufigste angeborene Herzdefekt ist der Kammer- oder Ventrikelseptumdefekt (VSD), der etwa 30 Prozent aller angeborenen Fehlbildungen ausmacht. Durch den höheren Druck in der linken Herzkammer fließt dabei ein Teil des sauerstoffreichen Bluts von dort in die rechte Herzkammer (Links-Rechts-Shunt). Die Folgen sind eine erhöhte Aktivität und Leistung des linken Ventrikels, der so versucht, trotzdem genug Blut in den Körper zu pumpen, um ihn ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Der Rückstau von Blut in der rechten Herzkammer kann dabei zu einem erhöhten Druck in den Lungengefäßen, einer pulmonalen Hypertonie, führen.

Da die Lungengefäße dadurch zunehmend verhärten, wird der Druck in ihnen irgendwann so hoch, dass sich die Fließrichtung des Blutes umkehrt und kaum noch sauerstoffreiches Blut in den Körper gelangt. Das Herz wird somit immer weiter überlastet, bis es schließlich versagt. Zweithäufigste Fehlbildung mit etwa zwölf Prozent der Fälle ist der Atriumseptumdefekt (ASD), hier befindet sich ein Loch in der Scheidewand zwischen den beiden Vorhöfen. Dadurch fließt das sauerstoffreiche Blut aus dem linken Vorhof wegen des höheren Drucks in den rechten Vorhof. Durch das höhere Blutvolumen können sich rechter Vorhof und Kammer vergrößern. Auch der Druck in der Lunge steigt, aber deutlich weniger als beim VSD, da der Druck in den Vorhöfen weitaus geringer ist als in den Kammern.

Gerade kleinere Defekte bleiben häufig zunächst symptomlos, müssen jedoch aufgrund langfristiger Risiken wie erhöhter Thromboseneigung oder Herzrhythmusstörungen dennoch behandelt werden. Im Kindesalter nicht zwingend behandelt werden muss hingegen ein anderer ASD, das Persistierende Foramen ovale (PFO). Dabei handelt es sich um eine Öffnung zwischen den Vorhöfen, die beim Fötus eine direkte Verbindung zwischen Lungen- und Körperkreislauf ermöglicht, das heißt, das Blut wird aus den Lungenvenen über das PFO direkt in die Aorta gepumpt. Schließt sich diese Tür nicht wie vorgesehen in den ersten Lebenstagen, leben die Kinder mit einem PFO, das ihnen zunächst aufgrund der noch niedrigen Druckverhältnisse in der Lunge kaum Probleme bereitet.

Das kann sich mit zunehmendem Alter jedoch ändern. Gefährlich beim PFO sind Sportarten, die starke Druckschwankungen mit sich bringen, wie etwa Tauchen, bei dem viele tödliche Unfälle auf ein nicht diagnostiziertes PFO zurückgehen. Auch ein Zusammenhang zwischen PFO und Migräne konnte gezeigt werden. So reduzierte der Verschluss der Öffnung die Zahl der Migränetage mit Aura bei vielen Betroffenen deutlich. 

In Deutschland werden jährlich rund 8000 Babys mit Herzfehler geboren. Inzwischen überlebt fast jedes.

Noch während der Schwangerschaft abklären lassen Manche Löcher im Herzen können bereits im Ultraschall erkannt werden. Nach der Geburt weisen die betroffenen Säuglinge meist typische Symptome auf. Sie haben Atemnot, trinken wenig und nehmen kaum zu. Der Verdacht auf Septumdefekte muss schnellstmöglich von einem Kinderkardiologen abgeklärt werden. Die Therapie richtet sich dabei nach Größe und Lage der Öffnung. Schwere Herzfehlbildungen werden frühzeitig operiert. Diese Operationen sind risikoreich, da das Herz eines Neugeborenen nur so groß wie eine Walnuss ist. Beim VSD wird spätestens im sechsten Lebensmonat das Loch in einer Operation am offenen Herzen mit einem Patch verschlossen. Der ASD hingegen kann in 80 Prozent der Fälle minimal-invasiv behandelt werden. Dabei wird mit Hilfe eines Katheters ein Schirmchen eingeführt, das die Öffnung verschließt. Voraussetzung ist allerdings, dass das Loch in der Mitte der Vorhofscheidewand liegt. In allen anderen Fällen ist ebenfalls eine Operation am offenen Herzen notwendig.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 auf Seite 124.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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