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Wintertees

DAS GETRÄNK DER WEISEN

Eine Tasse Tee bringt Ruhe und Wärme. Sie ist aber auch eine Tasse Medizin in unserer Hand – denn selbst der gewöhnlichste Schwarztee birgt eine Fülle von Inhaltsstoffen, die uns gesund erhalten und bei vielerlei Beschwerden helfen können.

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Wer weiß schon, dass in einer einzigen Tasse Rotbuschtee 1,7 Milligramm Magnesium und 1,1 Milligramm Kalzium versammelt sind? Dass in einem Teelöffel Thymiannadeln, mit heißem Wasser aufgegossen, ein natürliches Antibiotikum enthalten ist? Dass die Gerbstoffe im Schwarztee Darmwände abdichten - ebenso wie ein Absud aus getrockneten Heidelbeeren – und somit gegen Durchfall helfen?

Wer dem Apothekenkunden von diesen Dingen berichten kann, wird einen dankbaren Zuhörer haben. Nun gibt es in jedem Supermarkt und auch in der Apotheke die so genannten „Wintertees“, die zumeist aus aromatisierten Schwarz- oder Rotbuscharten bestehen. Zimt und Kardamom, Orangenschalen oder Fenchel, Nelken und Sternanis bereichern die Mischungen und sorgen für einen Geruch, der an Weihnachten erinnert. Und das mit voller Absicht, denn unser limbisches System assoziiert dies meist mit kuscheliger Heimeligkeit. Doch die beigefügten Gewürze, die in der Apotheke in Arzneibuchqualität erhältlich sind, sind auch hochpotente Wirkstoffbomben.

Kleine GewürzkundeZimt – der hochwertige Ceylonzimt besteht im Rohzustand aus den gerollten Rindenstücken des immergrünen Zimtbaums aus der Familie der Lorbeergewächse. Die getrockneten oder gemahlenen Stücke haben eine Fülle von Eigenschaften: So senken sie den Blutzucker, wirken also antidiabetisch. Sie senken auch den LDL-Cholesterinspiegel und bewirken eine Thermogenese. Zimt gehört also zu den wärmenden Gewürzen. Vorsicht, es ist auch ein Allergen!

Kardamom (Fructus Cardamomi): ein zu Unrecht in Vergessenheit geratenes Gewürz! Schmeckt kräftig, leicht scharf und zitronig. Wer auf eine der grünen Kardamomkapseln beißt, wird übrigens schlagartig wach. Kenner handeln es deshalb als Geheimwaffe gegen Müdigkeit beim Autofahren! Zusammen mit Zimt und Sternanis gehört es zu den typischen Weihnachtsgewürzen. Die angestoßenen Fruchtkapseln werden Tees hinzugefügt, wirken appetitanregend und verdauungsfördernd.

Nelken (Caryophyllum aromaticum): Es gibt tatsächlich einen tropischen Gewürznelkenbaum, dessen gepflückte Knospen in Windeseile zu dem zusammenschrumpfen, womit Orangen zur Weihnachtszeit gespickt werden. In alten Zeiten kaute man die scharfen Nelken, um Zahnschmerzen zu betäuben, denn sie enthalten zum überwiegenden Teil das entzündungshemmende und antibakteriell wirkende Eugenol. Außerdem zeichnet das hocharomatische Gewürz sich durch einen hohen Gehalt an Antioxidantien aus. Es macht fettes Fleisch besser verdaulich.

Sternanis (Illicium verum) und Anisfrüchte (Fructus Anisi): Er sieht wirklich aus wie ein Stern, der kleine Bruder der Anisfrucht, und wird deshalb gern in Duftpotpourries verwendet. Er enthält weniger Inhaltsstoffe, macht aber einfach optisch mehr her: Die Anisfrucht an sich ist sowohl sekretolytisch als auch spasmolytisch, wirkt karminativ und ist deswegen bevorzugter Begleiter der Gewürze Fenchel und Kümmel im Magen-Darm-Tee. Er ist wirksamer Bestandteil des griechischen Nationalschnapses Ouzo, den man deswegen gern nach dem Essen zu sich nimmt.

Möglichkeit der inneren Einkehr Ein nicht zu unterschätzender Aspekt des Teegenusses ist dessen meditativer Aspekt. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum es „Coffee to go“ und nicht „Tea to go“ heißt? Man muss aus dem Teetrinken nicht gleich eine Zeremonie machen wie die Japaner, doch allein die Vorbereitungen schaffen eine Zeitinsel, in der die Gedanken einfach einmal fließen können.

Die Winterzeit eignet sich perfekt dazu, denn der Körper hat das Bedürfnis nach Wärme. Man bringt kaltes Wasser zum Kochen, gießt es noch sprudelnd in die vorher heiß ausgespülte Kanne und wartet die Ziehzeit ab. Dann wird die Kanne aufs Stövchen gestellt. Mit einer Tasse aromatischem, duftenden Tee in der Hand ist es leichter, für fünf Minuten eine Auszeit zu nehmen: Man tut einfach – nichts. Dieser kleine Zusatztipp zum „Wintertraum“-Tee aus der Freiwahl wird den Kunden lächeln lassen, wetten?

Klassische Teesorten Alle kommen sie vom Teestrauch, der mit lateinischem Namen „Camellia sinensis“ heißt und in subtropischen Gebieten mit feuchtwarmem Klima gedeiht (Indien, China und Japan). Dessen lanzettförmige Blättchen werden per Hand gepflückt, und zwar lediglich die Endknospen und die dann folgenden obersten jungen Blätter. In der Haltbarmachung liegt dann der Unterschied. Zunächst werden alle Teeblätter in Welktunneln ausgebreitet, damit sie trocknen können. Dann oxidieren sie von selbst an der Luft, „Fermentation“ nennt man diesen Vorgang.

Bei Grünem Tee tut man alles, um das zu verhindern – die Blätter werden nur kurz erhitzt, geröstet oder gedämpft, um ihnen die Feuchtigkeit zu entziehen. Weil er kaum behandelt wurde, hat grüner Tee die höchste Konzentration an Inhaltsstoffen wie zum Beispiel Antioxidantien und Gerbstoffen; medizinische Studien legen unter anderem eine antidiabetische und cholesterinsenkende Wirkung nahe. Grüner Tee darf nur zwei Minuten lang mit 70 Grad heißem Wasser in Berührung kommen, bevor er getrunken wird. Er gilt als sehr gesund.

WINTERTEE
Dieser Tee erzeugt das echte Glühpunsch-Flair und ist garantiert alkoholfrei. Die Apfel-, Orangen- und Zitronenschalen einfach auf die Heizung oder den Ofen legen bis sie getrocknet sind. Das hat dann auch gleich einen aromatherapeutischen Nebeneffekt!

Das Rezept:
Getrocknete Apfelschalen 20 Gramm
Hagebuttenschalen 15 Gramm
Melissenblätter 15 Gramm
Hibiskusblüten 15 Gramm
Kakaoschalen 10 Gramm
Orangenblüten geschnitten 5 Gramm
Getrocknete Schale (Zesten) einer Bio-Orange
Getrocknete Zesten einer Bio-Zitrone
1 TL Gewürznelken
1 Zimtstange in kleinen Stücken

Jeweils einen Esslöffel der Mischung auf eine große Tasse kochendes Wasser, 10 Minuten ziehen lassen. Entweder pur oder mit Honig oder Kandis genießen. Den Tee kühl und dunkel in einem dicht schließenden Gefäß lagern und alsbald verbrauchen!

Schwarzer Tee durchläuft alle Stufen der Fermentation, nachdem er zunächst gerollt wurde. Im Kontakt mit der Luft verfärben sich die Blättchen kupferrot und eine chemische Veränderung findet statt: Gerbstoffe werden entzogen, Koffein freigesetzt, Aromastoffe gebildet. Beim abschließenden Trocknen erhält der Tee seine schwarze Farbe.

Und dann gibt es da noch den Rotbuschtee: ein sehr leckeres, koffeinfreies Getränk aus den Nadeln des Rooibosstrauches, das bereits ohne Zusatz von Aromen leicht süßlich schmeckt. Bereits seit Jahrhunderten von den Eingeborenen Südafrikas verwendet, entdeckte dessen Zubereitung um 1900 ein weißer Siedler, der daraus flugs ein Geschäft machte. Der Rooibos ist ausgesprochen reich an Mineralstoffen und eignet sich vorzüglich zum Aromatisieren mit getrockneten Früchten und Gewürzen. Sein naher Verwandter, der Honeybuschtee, schmeckt honigartig und wird sehr gern von Kindern getrunken.

Kräuter als „Apotheke Gottes“ Maria Treben, die die alte Rezeptur des Schwedenbitter wiederbelebte, formulierte es treffend. Gegen viele Erkrankungen ist ein Kraut gewachsen und wer sich auskennt, kann dem Kunden wertvolle Hinweise geben. Im Arzneiteeregal der modernen Apotheke findet sich viel vom uralten Wissen der Kräuterheilkunde. So wirkt Thymian auswurffördernd, sekretolytisch und hat eine antibakterielle Wirkung – hilft prima bei grippalen Infekten und Bronchitis! Lindenblüten sind der klassische Schweißtreiber.

Bei wem sich die Erkältung ankündigt, sollte seine Körpertemperatur mit Hilfe von Lindenblütentee steigern – oft kann man auf diese Weise die Erkrankung im Keim ersticken. Spitzwegerich wird zur Reizlinderung bei Katarrhen der oberen Atemwege eingesetzt und besänftigt Reizhusten ebenso wie die Eibischwurzel. Salbei wirkt in der Mundhöhle antibakteriell und wird deshalb nicht nur als Tee genossen, sondern gern auch als Bonbon gelutscht.

Beliebt sind Kräutertees auch bei denjenigen, die abends schlecht einschlafen können. Ein Tee aus Passionsblumenkraut kann da Wunder wirken. Der eignet sich übrigens besonders für Menschen, die lange Zeit synthetische Schlafmittel genommen haben. Lavendel, Hopfenzapfen und Melisse haben jeweils ähnliche Wirkungen. In der großen Gruppe der Tees gegen dyspeptische Beschwerden ist die Kombination Fenchel, Anis und Kümmel geradezu klassisch. Sie steht in jedem Teeregal – und doch kann mit einer Mischung frischer Früchte aus gleichen Teilen die Wirksamkeit gesteigert werden, wenn jeweils ein Esslöffel der gemischten Bestandteile mit einem Mörser angestoßen wird.

Die Echte Goldrute (Herba solidaginis) gilt als Unterstützung bei Harnwegsinfektionen, da sie entkrampfend und entzündungshemmend wirkt. Sie wird außerdem zur Reizminderung bei Reizblase und Dranginkontinenz verwendet. Die Goldrute findet sich in nahezu jedem Teegranulat, das zur Durchspülungstherapie bei Blasenentzündungen angewendet wird. Doch man muss gar nicht krank sein, um Kräuter- und Früchtetees genießen zu können.

Wer erst einmal seine Mischung gefunden hat, mag sie bald nicht mehr missen. Die klassische Kräutermischung zum Genießen besteht oft aus Pfefferminze, Brombeerblättern, Melisse, Anis, Hagebutte und Königskerze. Auch Rotbuschtees mit Minze, Zimt, Zitronengras und Orangenblättern eignen sich für die ganze Familie und können sowohl warm als auch kalt getrunken werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/15 ab Seite 84.

Alexandra Regner, Journalistin und PTA

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