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Krankheiten berühmter Persönlichkeiten

DAS EINSAME GENIE

Isaac Newton gilt als einer der größten Wissenschaftler und Entdecker, welche die Welt jemals gesehen hat. Zu Lebzeiten war er jedoch eine sehr eigene Persönlichkeit, Nervenzusammenbrüche inbegriffen.

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Als eher kränkliche Frühgeburt kam Isaac Newton am Weihnachtstag 1642 in Woolthorpe, Lincolnshire, England, zur Welt. Sein Vater, ein durchaus wohlhabender, aber ungebildeter Farmer, war drei Monate vor seiner Geburt gestorben. Die Mutter schaffte es trotz Hilfe ihrer eigenen Mutter kaum, sich um Sohn und Hof zu kümmern, während gleichzeitig in England der Bürgerkrieg tobte. Während sie zwei Jahre später wieder heiratete – einen Pfarrer – und wegzog, blieb der kleine Isaac auf dem Landgut.

Das Aufwachsen bei den Großeltern, die ihn eher wie ein Waisenkind behandelten, statt bei seiner Mutter, soll – so wird vielfach beschrieben – bei Newton einen psychischen Knacks hinterlassen haben. Die Schule musste er zunächst mit 14 Jahren abbrechen, um den Familienhof zu führen, durfte später jedoch – auf Anraten eines Onkels – die Schule beenden und am Trinity College der Universität Cambridge studieren. Um die Studiengebühren aufzubringen, musste er kellnern. Ebenso verrichtete er Dienste für die Professoren und kümmerte er sich um die Räumlichkeiten anderer Studenten.

1663 legte Newton das juristische Vorexamen ab, begann mit mathematischen Studien, erhielt seitens der Universität ein Stipendium und legte 1665 das Bachelor-Examen ab. Als es noch im gleichen Jahr zu einem verheerenden Ausbruch der Beulenpest in Cambridge kam, wurde die Universität geschlossen. Newton entkam der Seuche und nutzte die zwei Jahre vorlesungsfreie Zeit, indem er auf den Hof nach Lincolnshire zurückkehrte und seine revolutionären Ideen in Mathematik, Optik, Physik und Astronomie zu entwickeln begann.

Produktivste Forschungen Als die Universität von Cambridge 1667 nach Ende der Pestepidemie wieder öffnete, erhielt er dort eine Anstellung als Assistent, machte 1668 seinen Master und wurde 1669 Inhaber des Lukasischen Lehrstuhls für Mathematik. Mehr als die Hälfte der damals bekannten Mathematik ging nach 1700 auf Newton zurück. So erkannte er unter anderem, dass Differenzialrechnung und Integralrechnung wechselseitig miteinander verbunden sind. „Philosophiae naturalis principia mathematica“ heißt jenes Werk, das er erst 1687 vorstellte und das noch heute als die großartigste wissenschaftliche Veröffentlichung eines einzigen Menschen gilt. Optik, Mechanik, Mathematik – alles revolutionierte er.

Zwei Nervenzusammenbrüche Dennoch: Nachdem Newton im Jahr 1678 aufgrund seiner Theorie über die Optik in eine Auseinandersetzung geraten war, erlitt er einen Nervenzusammenbruch. Seine Mutter starb ein Jahr später und Newton zog sich immer weiter in eine von ihm selbst gewählte Isolation zurück, um für mehrere Jahre so wenig Kontakt wie möglich mit anderen Menschen zu haben. 1693 folgte ein weiterer Nervenzusammenbruch, worauf er sich gänzlich von der naturwissenschaftlichen, mathematischen Forschung zurückzog.

VORSCHAU
In unserer Serie „Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:
+ Freddy Mercury
+ Romy Schneider
+ Ernst Hemingway
+ Paul Klee
+ Kaiser Wilhelm II.
+ Elvis Presley
+ Kaiser Wilhelm I.
+ Winston Churchill
+ Franz Kafka

Seine Biografen haben viele mögliche Gründe für seine Zusammenbrüche angeführt: Chemikalienvergiftung durch seine alchemistischen Versuche, Unzufriedenheit mit seinen Forschungen, das Ende seiner Freundschaft mit dem aus der Schweiz stammenden Mathematiker Fatio de Duillier (1664 bis 1753), Schwierigkeiten aufgrund seiner religiösen Überzeugungen. Newton selbst begründete seinen zweiten Zusammenbruch mit einem Mangel an Schlaf. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies eher eine Folge statt Ursache seiner Krankheit war. Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass Newton unter chronischen Depressionen litt – den größten Teil seines Lebens.

Es gibt in der Literatur auch Spekulationen darüber, dass Newton an einer Geisteskrankheit gelitten hat. Die einen vermuten eine manisch depressive Erkrankung, andere gehen von einer spät aufgetretenen Schizophrenie aus, also einer „Seelenspaltung“. Wiederum andere halten ihn für einen Autisten. Doch nachweisbar ist all dies heutzutage natürlich nur schwer. Fest steht aber, dass Newton dauerhaft einsam war.

Ein anderes Leben Nun widmete sich Newton immer stärker religiös-politischen Problemen und zog ein Leben in London dem in Cambridge vor. 1696 wurde er dort ein hochbezahlter Regierungsbeamter, zunächst Direktor, ab 1699 Leiter der Königlichen Münzanstalt. Er bekämpfte Falschmünzerei fortan streng. Seinen Posten als Professor in Cambridge gab er hingegen auf. Seine neue berufliche Tätigkeit sowie zusätzliche Einkünfte aus seinem Landgut machten Newton letztlich zu einem außerordentlich reichen Mann.

Schwieriger Umgang Wie viele Wissenschaftler seiner Zeit war Newton seit 1672 ein Mitglied der Royal Society (Königlichen Gesellschaft) of London. 1703 wurde er sogar zu deren Präsident gewählt – und dies wiederholte sich jedes Jahr bis an sein Lebensende. Dennoch: Mit anderen Mitgliedern und Naturwissenschaftern beziehungsweise Universalgelehrten wie Robert Hooke (1635 bis 1703) oder Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 bis 1716) stand er in ständiger Konkurrenz, da sie oft an den selben Problemen arbeiteten. Ihr Verhältnis war – milde ausgedrückt – deshalb nicht allzu freundlich.

»Sehr wahrscheinlich ist, dass Newton unter chronischen Depressionen litt – den größten Teil seines Lebens.«

Völlig überzogene, unbeherrschte Reaktionen sind von Newton überliefert, etwa bei der Kontroverse über die Frage, ob er oder Leipniz als erstes die Differenzial- und Integralrechnung entwickelt haben. Dabei hatte Newton umgekehrt ein deutlich ambivalentes Verhältnis zu seinen eigenen Veröffentlichungen. Einerseits strebte er nach Ruhm und Anerkennung, andererseits konnte er mit jeglicher, auch nur der kleinsten Kritik nicht umgehen. Und der einfachste Weg öffentliche Kritik zu vermeiden, war es, nichts zu veröffentlichen! So erschienen viele seiner Werke erst sehr spät.

Gewiss ist diese Reaktion auf Kritik irrational, genauso irrational und anormal wie Newton umgekehrt Mitstreiter oder Konkurrenten selbst öffentlich zu demütigen suchte und dazu selbst seine Stellung als Präsident der Royal Society missbrauchte. Nie verheiratet und wahrscheinlich auch ohne jemals Sex gehabt zu haben, starb Newton 1726. Begraben liegt der große Denker in der Westminster Abbey in London.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/15 ab Seite 98.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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