Ein Mehrdosenbehältnis mit dem Impfstoff von AstraZeneca und ein Impfbesteck liegen in einer Metallschale.
Der Impfstoff von AstraZeneca wird vorerst nicht mehr verimpft. © digicomphoto / iStock / Getty Images Plus

Blutgerinnsel | Vorsichtsmaßnahme

IMPFSTOPP FÜR ASTRAZENECA: DAS STECKT DAHINTER

Schwerer Rückschlag für Deutschlands Impfkampagne: Das Impfen mit dem Präparat von AstraZeneca ist vorerst gestoppt. Ob der Impfstoff wieder zum Einsatz kommt, ist ungewiss. Das geplante Bund/Länder-Treffen zum Impfen soll wohl verschoben werden.

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Deutschland setzt die Corona-Impfungen mit dem Präparat von AstraZeneca vorerst aus. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach am Montag von einer „reinen Vorsichtsmaßnahme“, um gesundheitliche Komplikationen in seltenen Fällen wissenschaftlich zu überprüfen. Die meisten Bundesländer kündigten daraufhin an, die Impfungen mit AstraZeneca unverzüglich einzustellen. Bereits vereinbarte Termine sollten in vielen Fällen abgesagt werden. Das für Mittwoch geplante Spitzentreffen von Bund und Ländern zur Impfstrategie soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) voraussichtlich verschoben werden.

7 von 1,6 Millionen
Spahn erläuterte, die Entscheidung gehe auf sieben Fälle zurück, bei denen Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung stünden. „Es ist sehr selten aufgetreten“, sagte er und wies darauf hin, dass hierzulande mittlerweile über 1,6 Millionen Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff verabreicht wurden. Den vorläufigen Stopp empfohlen hatte das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI).

Das sagt das PEI:
Bei der Analyse neuer Daten sehe man eine auffällige Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Thrombosen in Hirnvenen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit AstraZeneca. Die Daten würden von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) weiter analysiert und bewertet. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Thrombose war bisher in keinem Fall festgestellt worden.

Routine, kein Alarmsignal
Das Aussetzen von AstraZeneca-Impfungen ist aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch kein Alarmzeichen. Die Vorfälle seien nicht notwendigerweise aufs Impfen zurückzuführen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. „Es ist eine Routine-Praxis, das zu untersuchen.“ Außerdem zeige es, dass das Überwachungssystem funktioniere und wirksame Kontrollen stattfänden.

Das Aussetzen der Impfungen zeigt, dass das Überwachungssystem funktioniert und wirksame Kontrollen stattfinden.

Impfgipfel wartet Info von EMA ab
Nun ist die EMA am Zug. Dort wird an einer erneuerten Bewertung des Impfstoffs des britisch-schwedischen Pharmakonzerns gearbeitet. Die Sicherheitsexperten wollten am Donnerstag über mögliche weitere Schritte entscheiden, teilte die EMA in Amsterdam mit. Die dpa erfuhr am Montagabend aus mit den Vorgängen befassten Kreisen, der ursprünglich für Mittwoch geplante „Impfgipfel“ von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder werde voraussichtlich verschoben. Es sei davon auszugehen, dass erst die EMA-Entscheidung am Donnerstag abgewartet werde.

Nutzen-Risiko-Bewertung und Hintergrundinzidenz
Die EMA hält vorerst daran fest, dass die Impfungen fortgesetzt werden könnten. Die Vorteile durch den Schutz vieler Menschen vor einer schweren COVID-19-Erkrankung seien höher einzuschätzen als die Risiken möglicher Nebenwirkungen. Bereits vergangene Woche hatte die EU-Behörde erklärt, dass es keine auffällige Häufung von Thrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gebe. Der Anteil der Thrombose-Kranken nach einer Impfung mit dem Präparat entspricht laut EMA dem spontanen Auftreten dieser Erkrankung in der Normalbevölkerung.

Laut dem zuständigen Paul-Ehrlich-Institut solle man sich in ärztliche Behandlung begeben, wenn man sich mehr als vier Tage nach der Impfung unwohl fühlen sollte, etwa mit starken oder anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen.

In diesen Staaten wurde die AstraZeneca-Impfung vorerst gestoppt:

  • Dänemark
  • Norwegen
  • Italien
  • Frankreich
  • Luxemburg
  • Zypern
  • Schweden
  • Lettland

Andere Staaten entschieden sich dagegen und nutzen den Impfstoff weiter:

  • Großbritannien
  • Tschechien
  • Polen
  • Litauen
  • Estland

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisierte den Impfstopp. „Das schafft nur große Verunsicherung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankommt“, sagte Lauterbach der Rheinischen Post.

Quelle: dpa

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