© Die PTA in der Apotheke
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Tatort Apotheke

CHININ

Neben Magnesium gilt auch Chinin als erfolgreicher Wirkstoff zur Prophylaxe oder Therapie nächtlicher Wadenkrämpfe. Doch zusammen mit Erythromycin besteht das Risiko von Herzrhythmusstörungen.

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Eine Kundin, etwa 65 Jahre alt und der PTA nicht bekannt, steht interessiert vor dem neuen Aufsteller, der ein chininhaltiges Arzneimittel zur Behandlung von Wadenkrämpfen bewirbt. „Wissen Sie, ich habe nachts oft mit Krämpfen zu tun und ich möchte einmal etwas anderes versuchen als Magnesium. Ist das wohl wirksamer?”

Die PTA erkundigt sich, wie oft und seit wann die Patientin unter den Krämpfen leidet und ob sie derzeit Magnesium einnimmt. „Nein, die Brausetabletten, die ich hatte, sind schon seit ein paar Wochen leer und jetzt wollte ich mir eine neue Packung holen, weil ich seit einigen Tagen wieder nachts die Beschwerden habe. Ich habe aber auch beim letzten Arztbesuch abgeklärt, dass die Krämpfe keine schwerwiegende Ursache haben.”

Die PTA fragt die Betroffene nach bestehenden Dauererkrankungen, Einnahme sonstiger Medikamente und Unverträglichkeiten. Dabei stellt sich heraus, dass sie seit gestern Erythromycintabletten einnimmt. Diese sollen noch sechs Tage fortgeführt werden. Außerdem hat sie leicht erhöhten Blutdruck, den sie mit Lisinopril unter Kontrolle hat.

Pharmakologischer HintergrundChininsulfat zählt zu den peripheren Muskelrelaxanzien. Es dämpft die Übererregbarkeit der Muskulatur, indem es die Reizübertragung von Nerven auf die Muskulatur – aber auch die Sensibilität der Muskeln für die Stimulation – reduziert. So wirkt Chininsulfat rasch krampflösend, ohne die Muskelfunktion zu beeinträchtigen.

Bezüglich seiner Wirkungsweise ist Chininsulfat eine geeignete Alternative zur Magnesiumsubstitution, um gegen Wadenkrämpfe anzugehen. Chininsulfat hat aber eine Reihe von Kontraindikationen, die im Beratungsgespräch abgeklärt werden sollten. Es darf nicht eingenommen werden, wenn Patienten gleichzeitig Arzneimittel anwenden, die Torsade de pointes hervorrufen und/oder das QT-Intervall verlängern. Zusammen mit Erythromycin könnte sich das Risiko für diese Nebenwirkung potenziell lebensbedrohlicher ventrikulärer Herzrhythmusstörungen vom Typ Torsade de pointes erhöhen.

Die gleichzeitige Gabe von Chinin und Makrolidantibiotika ist laut Herstellerangaben kontraindiziert. Eine Reihe von Wirkstoffen zeigen diese Nebenwirkung und einige sind bereits wegen eines zu hohen Risikos vom Markt gerufen worden, zum Beispiel Astemizol, Terfenadin oder Clobutinol. Wenn möglich sollte eine gleichzeitige Gabe mehrerer Arzneimittel mit diesem Risiko nicht erfolgen.

Zu dieser Gruppe von Wirkstoffen gehören zum Beispiel auch Erythromycin, Fluoxetin, Ketoconazol, Terbinafin oder Amiodaron. Eine vollständige Liste der betroffenen Stoffe ist unter www.qtdrugs.org zu finden. Außerdem sollten Hemmstoffe des CYP-vermittelten Abbaus der QT-verlängernden Arzneistoffe nicht gleichzeitig eingenommen werden.

Zurück zu unserem Fall Wegen der derzeitigen Verordnung von Erythromycin rät die PTA von Chinin zur Behandlung der Wadenkrämpfe ab. Sie erklärt, dass es zwischen dem Antibiotikum und dem anderen Medikament zu Wechselwirkungen kommen kann, die gefährliche Herzrhythmusstörungen auslösen. Sie gibt der Kundin den Rat, zunächst noch einmal mit Magnesium gegen die Krämpfe anzugehen. Wenn die Antibiotikabehandlung beendet ist, spricht allerdings nichts dagegen, das Arzneimittel mit Chinin einmal auszuprobieren.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/12 auf Seite 80.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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