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Ähnlich – aber nicht gleich

BIOSIMILARS

Biosimilars sind ein Thema, seit die Patente von biotechnologisch hergestellten Pharmaka der Originalanbieter auslaufen. Wie sind diese Nachfolgeprodukte hinsichtlich Austauschbarkeit und Rabattverträgen einzuschätzen?

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Zu der Gruppe der Biopharmaka oder Biologicals zählen zum Beispiel monoklonale Antikörper, rekombinante humane Insuline oder Wachstumshormone. Erste Biopharmaka wurden durch Extraktion aus menschlichem oder tierischem Gewebe hergestellt. Da die Ausbeute aus diesen teuren Verfahren sehr gering war, wurden biotechnologische Prozesse zur Gewinnung dieser Substanzen entwickelt.

Heute existieren Zelllinien mit entsprechenden Genen, die die gewünschten Arzneistoffe produzieren. In großen Tanks werden die Zellen kultiviert, sodass in einem aufwändigen Herstellungsvorgang Substanzmengen im Kilogrammmaßstab entstehen. Therapien mit Biologicals sind sehr kostenintensiv und so sind nach Ablauf der Patente günstige Nachfolgepräparate für den Gesundheitsmarkt durchaus interessant.

Definition Chemische und pflanzliche Arzneimittel sind seit Jahrhunderten das tägliche Brot des Apothekers. Viel komplexer in ihrer Herstellung, aber auch in ihrer Wirkung sind die Biopharmaka. Jeder einzelne Syntheseschritt hat Einfluss auf die spätere Wirkung des Biomoleküls. Führende Forscher prägten das Statement: Das Produkt ist der Prozess! Häufig werden Begriffe wie „Biologicals”, „Bioidenticals” und „Biosimilars” synonym verwendet.

Tatsächlich sollte auf den kleinen, aber feinen Unterschied geachtet werden. Biologicals sind ganz allgemein komplexe Polypeptide, häufig mit Zuckerresten, die aus Zellkulturen gewonnen werden. Die Bedingungen dieser Kulturverfahren variieren von Hersteller zu Hersteller. So hängt die Struktur des Endproduktes, beispielsweise dessen Proteinfaltung und Glykosylierungen, im Wesentlichen vom Kulturmedium, der Zelllinie und den Kulturbedingungen ab.

Biologicals, die mit unterschiedlichen Herstellungsverfahren produziert wurden, sind niemals gleich, sondern höchstens ähnlich. Diese Biosimilars werden manchmal fälschlicherweise als „Biogenerika” bezeichnet. Während die „klassischen” chemischen Generika dem Original durch klar definierte chemische Syntheseschritte vollständig gleichen, ähneln sich Original und Referenzsubstanz der Biosimilars lediglich. Sie haben zwar die gleiche Indikation und werden normalerweise auch in gleicher Dosierung verordnet, sind aber dennoch nicht identisch.

Bioidenticals können nur Pharmaka sein, die im selben Herstellungsprozess einer Firma synthetisiert wurden. Sie können möglicherweise anschließend unter verschiedenen Präparatenamen von mehreren Unternehmen vertrieben werden. Beispiele dafür sind Arzneimittel, die Epoetin, Filgratim und Interferon-beta-1b enthalten. Wichtige Biosimilars sind Epoetine gegen Anämien, Filgrastim gegen febrile Neutropenie in der Chemotherapie und das Wachstumshormon Somatropin. Biosimilars sind im Preis häufig bis zu 20 Prozent günstiger als das Original.

EMA-GÜTESIEGEL
Das Gütesiegel der EMA attestiert dem jeweiligen Arzneimittel, den strengen Zulassungskriterien zu genügen. Vor Biosimilars aus dem nichteuropäischen Ausland wird wegen mangelnder Qualität und Sicherheit gewarnt.

Vergleichbarkeit Erst wenn der Patentschutz eines Biopharmakons abgelaufen ist, kann ein Biosimilar auf den Markt gebracht werden. Seine Zulassung erfolgt auf der Basis einer Leitlinie der Europäischen Arzneibuchbehörde . Diese fordert von den Herstellern Qualitätsdaten zum Herstellungsprozess, der Reproduzierbarkeit und analytische Untersuchungen, die vergleichbar denen des Originalproduzenten sind. Es wird also nicht nur das Endprodukt, sondern der ganze Herstellungsprozess zugelassen.

Auch muss wie bei allen Biologicals ein „Risiko-Management-Plan“ erstellt werden sowie ein Pharmakovigilanzprogramm nach der Zulassung durchgeführt werden. Aus präklinischen Untersuchungen müssen Verträglichkeit, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik hervorgehen. Kritisiert wird von den Originalherstellern, dass die erforderlichen präklinischen Studien reduziert sind gegenüber der Originalsubstanz.

In der Praxis wird die Frage der Austauschbarkeit eines Originals gegen ein Biosimilars schon alleine aufgrund der Kostenersparnis eine Rolle spielen. Bislang dürfen im Rahmen von Rabattverträgen mit den Krankenkassen nur Bioidenticals ausgetauscht werden. Langfristig werden mit Ablauf weiterer Patente die Einsparpotenziale durch die Biosimilars entscheidend sein. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte (AkdÄ) beurteilt den Einsatz von Biosimilars differenziert. Zum Therapiebeginn können sie genauso wie das Original angewendet werden.

Bei Umstellungen von einem auf ein anderes Biological sind engmaschige Kontrollen des Patienten notwendig. Da minimale Unterschiede der Molekülstruktur zum Beispiel die Affinität zu Rezeptoren beeinflussen können, ist ein Switch möglicherweise mit einer Wirkungsveränderung im Vergleich zum Vorgängerarzneimittel oder mit einer überschießenden Immunreaktion verbunden.

In der Apotheke beachten! Seit Januar 2010 gilt ein Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung und Austauschbarkeit von Biosimilars. Dieser besagt, dass vom Apotheker nur wirkstoffgleiche Biopharmazeutika, die aus der gleichen Produktionslinie kommen, substituierbar sind. Diese Vorgehensweise ist grundlegend unterschiedlich von der sonstigen Praxis bei der Belieferung von rabattierten Generika. Die Unterscheidung, ob es sich um ein Biosimilar oder ein Bioidentical handelt, ist aufgrund des Präparatenamens auf dem Rezept in der Regel nicht möglich.

Die Anlage 1 des Rahmenvertrages nach § 129 Absatz 2 SGB V zwischen dem Verband der Gesetzlichen Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband gibt eine Übersicht über die Bioidenticals, die laut Rabattvertrag gegeneinander ausgetauscht werden. Dennoch können auch bei der Verordnung von Bioidenticals der Anlage 1 Pharmazeutische Bedenken angegeben werden, zum Beispiel, wenn sich die Art der Applikation deutlich unterscheidet. Dann werden wie bei anderen Arzneimitteln das Sonderkennzeichen und eine Begründung auf dem Rezept vermerkt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/12 ab Seite 68.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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