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Welch ein Name!

BILSE, BILSE, JEDER WILLSE

Beispiele, bei denen pharmazeutische Eigenschaften einer Pflanze einer Stadt einen Namen gaben, gibt es nicht viele: Das tschechische Pilsen heißt nach dem Schwarzen Bilsenkraut.

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Und das lag natürlich am Bier. Das ursprüngliche Pilsner wäre mit dem heutigen Reinheitsgebot nicht mehr vereinbar: Es enthielt so manches berauschende Kraut, vor allem aber „Blyn“, Bilsenkraut, und vor 1516 war das der Renner. Danach gab es zum oben genannten Gesetz den Anstoß, denn auch in Deutschland waren Kräuterzusätze zum Bier gang und gäbe.

Kraut der Inquisition Hyoscyamus niger gehört wie die Tollkirsche zu den giftigen Nachtschattengewächsen und hat ähnliche Eigenschaften: halluzinogene, schmerzlindernde, einschläfernde und enthemmende. Volkstümliche Namen wie „Hexenkraut“, „Teufelsauge“ lassen den richtigen Schluss zu, dass die große Stunde des Krautes während der Inquisition schlug: Es war Hauptbestandteil der hochwirksamen „Hexensalbe“.

Und die setzte sich wie folgt zusammen: Pflanzenasche , Krötenschleim und Menschenfett, am besten das frisch Gehängter. Das Rezept wurde per Flüsterpropaganda weitergegeben. War die „Hexenschmiere“ fertig, wurde sie dem Probanden unter Aufsagen magischer Formeln auf Stirn und Schläfen getupft und dann abgewartet, ob sie sich an unzüchtige Begebenheiten mit dem Teufel erinnern konnten.

Erotische Träume Sie konnten immer. Und meistens konnten sie während ihrer Erinnerungen auch fliegen, was der Salbe dann auch den Namen „Flugsalbe“ gab. Es gibt zudem eine Geschichte, die zumindest den Versuch einer wissenschaftlichen Bewertung enthält: 1545 wurde während der Inquisition ein Ehepaar verhaftet, das (unter Folter) gestand, den Herzog von Lothringen mit einer Salbe vergiftet zu haben.

Der päpstliche Leibarzt Andrès de Laguna überprüfte seine Vermutung, dass diese Salbe Schierling, Alraune und Bilsenkraut enthalte, und schmierte sie einer weiblichen Testperson auf die Stirn. Die fiel in einen dreitägigen Schlaf und zeigte sich anschließend empört, dass man sie schließlich wachrüttelte: Zu angenehm waren die erotischen Erlebnisse während des Fluges, die sie wohl so mit ihrem Ehemann noch nie gehabt hatte.

Starkes Narkosemittel Im arabischen Raum, der Europa in der Entwicklung der Medizin weit voraus war, wurde ein Narkotikum aus den Samen des Bilsenkrautes bereitet. In vorchristlicher Zeit vermischten ihn die Römer bereits mit Schlafmohn und Alraune, tränkten einen Schwamm mit dessen wässriger Lösung. Es wirkte hundertprozentig, war allerdings schlecht zu dosieren, sodass die Patienten aus der Narkose manches Mal nicht wieder aufwachten.

Hildegard von Bingen hat das Kraut für Umschläge verwandt, die der Ausnüchterung Betrunkener dienen sollten. Die indische Medizin kennt es als Schmerz- und Beruhigungsmittel, geraucht auch als Asthmamedizin. Und die Sadhus (indische Bettelmönche) rauchen es sogar zusammen mit Cannabis, das bei ihnen den gleichen Namen hat: Bhang.

ZUSATZINFORMATIONEN
Schöne Blüte
Trotz ihrer teuflischen Eigenschaften ist die Pflanze als solche hübsch und harmlos anzuschauen: Mit großer gelber Blüte und violettem Innenkreis wächst das halbmetergroße Kraut auf kargem Boden, gern auch am Rand von Schuttplätzen. Hochtoxisch die Samen; 15 davon sind für ein Kind tödlich. Medizinisch werden die Inhaltsstoffe des Bilsenkrauts gegen Epilepsie, Asthma und auch als Beruhigungsmittel eingesetzt. Die Homöopathie verwendet es gegen Erregungszustände, Unruhe und Schlafstörungen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/15 auf Seite 46.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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