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Kulturpflanzen

BEGEHRTE HALME

Den Namen Zuckerrohr trägt die Pflanze zu Recht. Ihre kräftigen runden Stängel sind mit einem zuckerhaltigen Mark gefüllt, das seit Jahrtausenden zu Rohrzucker weiterverarbeitet wird.

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Zuckerrohr (Saccharum officinarum) ist eine bis zu 20 Jahre alt werdende Pflanze aus der Familie der Süßgräser (Poaceae). Neben Mais und Getreide gehört sie zu den weltwirtschaftlich bedeutendsten Nutzpflanzen.

Zuckerhaltige Graspflanze Das bis zu sieben Meter hohe Süßgras wächst schilfartig. Aus weit im Boden verzweigten Wurzelstöcken sprießen hellgrüne bis rotbraune leicht mit Wachs überzogene runde Halme empor. Sie werden bis zu sechs Zentimeter dick und sind in zahlreiche Knoten unterteilt. Die Zwischenstücke (Internodien) enthalten ein weißes, saftiges Mark, in dem Zucker gespeichert ist. Der Zuckeranteil kann bis zu 16 Prozent betragen. Die Blätter sind linealisch, spitz und ganzrandig und durch Kieselsäureeinlagerungen raukantig. Sie können bis zu zwei Meter lang und fünf Zentimeter breit werden. Auffällig ist die dicke Mittelrippe der Blattspreite. Die blass-rosa Blüten sind flaumig behaart und stehen in großen bis zu 90 Zentimeter langen, reich verzweigten, dichten Rispen. Neben einer Deckspelze besitzt jede Blüte eine Vorspelze, die aus zwei Kronblättern gebildet wird. Ihre Früchte sind etwa 1,5 Millimeter lange Karyopsen.

Einst ein Luxusgut Die Heimat des Süßgrases wird in Neuguinea vermutet, wo es schon in der vorchristlichen Zeit kultiviert wurde. Von dort aus soll die Pflanze nach Indien und Persien gekommen sein. Um 600 n. Chr. erreichte sie mit den Arabern den Mittelmeerraum, wo die ersten Plantagen entstanden und mit der Zuckerproduktion begonnen wurde. Während der Kreuzzüge des Mittelalters wurde das begehrte Süßungsmittel bereits an die Königs- und Fürstenhäuser Mitteleuropas gebracht, während das gemeine Volk allerdings seine Speisen weiterhin mit billigem Honig süßte. Nach Mittel- und Südamerika gelangte das kostbare Gut mit den Spaniern und Portugiesen erst im 15. Jahrhundert. Dort fand die Pflanze optimale Standortbedingungen vor, sodass sich bereits 200 Jahre später ausgedehnte Zuckerrohrplantagen etablierten, die man von afrikanischen Sklaven unter menschenunwürdigen Bedingungen bewirtschaften ließ.

Heute ist Zuckerrohr in allen tropischen und subtropischen Ländern verbreitet, aber Südamerika gehört weiterhin zur Hauptanbauregion (vor allem Brasilien). Zudem wird es im großen Maßstab in Indien, China, Thailand und Pakistan kultiviert. Derzeit geht immer noch der größte Teil der Zucker-Weltproduktion aus dem Anbau von Zuckerrohr hervor (circa 55 Prozent). Doch seitdem Ende des 18. Jahrhunderts ein Berliner Apotheker entdeckt hatte, dass Zucker auch aus der heimischen Runkelrübe (Beta vulgaris ssp. vulgaris var. crassa/alba) isoliert werden kann, sind die Europäer nicht mehr auf den teuren Zuckerimport angewiesen. In Mitteleuropa wird seit gut 200 Jahren Zucker aus der Zuckerrübe (Beta vulgaris ssp. vulgaris var. altissima) gewonnen, die gezielt aus der Runkelrübe gezüchtet wurde, um Rüben mit hohem Zuckerertrag zu erhalten.

Warm und feucht Um optimal zu gedeihen, benötigt Zuckerrohr Temperaturen um 28 Grad Celsius. Je kälter es wird, desto langsamer wächst die Pflanze. Fällt die Temperatur unter 16 Grad, stellt sie ihr Wachstum ganz ein. Zudem ist viel Niederschlag erforderlich (mindestens 1200 mm/Jahr), wobei die Wasserversorgung gestaffelt sein muss. Zu Anfang im Jungstadium der Pflanze ist somit eine mäßige, während der Hauptwachstumsperiode eine reichliche und zum Schluss keine Wasserzufuhr mehr nötig. Kurz vor der Ernte muss hingegen trockene Hitze herrschen. Diese Bedingungen erhält das Süßgras in allen tropischen und subtropischen Gebieten zwischen 30 Grad südlicher und 35 Grad nördlicher Breite, wo sich dementsprechend auch die Anbauregionen befinden. Zuckerrohr wird nicht wie andere Nutzpflanzen ausgesät. Die Vermehrung des Süßgrases erfolgt vegetativ über Sprossstücke, die sofort wieder austreiben und wurzeln. Dafür werden Stecklinge (Sprossabschnitte mit zwei bis drei Knoten) in den Boden gesteckt und gut bewässert. Der Boden muss tiefgründig, stickstoffreich und feucht, aber ohne Staunässe sein.

Plantagenwirtschaft Abhängig von den klimatischen Bedingungen im Anbaugebiet kann Zuckerrohr nach 8 bis 24 Monaten zum ersten Mal geerntet werden. In den Folgejahren wächst innerhalb von zwölf Monaten eine weitere schnittreife Ernte heran. In vielen Ländern erfolgt die Ernte noch von Hand, nur teilweise wird das Zuckerrohr maschinell eingefahren. Geerntet wird, sobald die Blätter anfangen zu welken. Dann ist der größte Zuckergehalt erreicht. Die Halme werden direkt über dem Boden abgeschnitten, um den zuckerreichen unteren Teil des Rohrs möglichst vollständig einzufahren. Das störende, da zuckerlose, Blattwerk wird am oberen Ende entfernt. Die auf den abgeernteten Feldern stehengebliebenen Halmstümpfe schlagen wieder aus und reifen bis zur nächsten Ernte erneut heran. Diese Prozedur kann mehrere Jahre lang durchgeführt werden. Eine Neuanpflanzung muss erst nach mehreren Jahren (circa drei bis sieben) erfolgen, wobei eine Ausdehnung der Nutzungsdauer nur bei ausreichender Pflege und Düngung möglich ist. Meistens werden die Felder lediglich einjährig kultiviert.

Zucker und mehr Da die geernteten Halme nicht lagerfähig sind, müssen sie spätestens innerhalb von 24 Stunden weiter aufbereitet werden. Dafür werden die von den Blättern befreiten Halme maschinell zerkleinert und zwischen Walzen ausgepresst. Man erhält einen dunklen Presssaft, den Zuckerrohrsaft, und einen faserigen Anteil, die Begasse. Dieses Nebenprodukt dient der Zuckerfabrik als Brennstoff zur Beheizung ihrer Kessel oder findet bei der Produktion von Papier, Isoliermaterial und Zellstoff Verwendung. Der frische Zuckerrohrsaft ist in den Anbauländern gekühlt als Getränk beliebt oder Rohstoff für die Herstellung alkoholischer Getränke (z. B. Cachaça). Der größte Teil geht aber in die Zuckerfabriken, wo er für die Zuckerherstellung erhitzt, eingedickt und in mehreren Schritten gereinigt wird. Dabei kristallisiert zunächst ein gelbbrauner Rohrzucker aus, der weiter zu weißem Zucker verarbeitet wird. Endprodukt der Raffination ist eine von allen braunen Bestandteilen befreite Raffinade, die zu 99,8 Prozent aus Saccharose besteht. Zudem fällt ein brauner Sirup (Melasse) an, aus dem neben Viehfutter vor allem Treibstoff (Bioethanol) produziert wird. Auch wird Rum aus der Melasse gewonnen. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/19 ab Seite 98.

Gode Chlond, Apothekerin

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