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Gifttiere

BAUMSTEIGERFROSCH

Baumsteigerfrösche sind wunderschön und winzig, aber wahre Giftzwerge. Das Toxin einiger Arten kann sogar Menschen töten – doch es hat auch großes pharmazeutisches Potenzial.

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Die Familie der Baumsteigerfrösche umfasst etwa 180 Arten, von denen circa ein Drittel giftig ist. Sie sind nur wenige Zentimeter groß und meist knallbunt gefärbt – ein guter Schutz vor Fressfeinden, die dies als Warnung verstehen. Ihr natürlicher Lebensraum ist der tropische Regenwald von Süd- und Mittelamerika, eine weitere Population hat sich auf einer hawaiianischen Insel etabliert.

Dort wurde der Goldbaumsteiger in den 1930er-Jahren ausgesetzt, um die Mückenpopulation zu dezimieren. In unseren Breitengraden sieht man die bunten Tropenfrösche nur im Zoo oder in Terrarien. In Gefangenschaft verlieren sie jedoch meist ihre Giftigkeit, denn sie produzieren das Toxin nicht selbst, sondern nehmen es aus giftigen Beutetieren ihres natürlichen Lebensraumes auf und reichern es in ihrem Körper an.

Eines der giftigsten Tiere der Welt Weil westkolumbianische Indianer mit dem Froschgift ihre Pfeilspitzen tränken, werden die Baumsteiger häufig auch „Pfeilgiftfrösche“ genannt. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da lediglich drei Arten das Gift für die Blasrohrpfeile liefern: Phyllobates aurotenia (schwarz mit zwei bunten Streifen am Rücken), Phyllobates bicolor (einfarbig gelb, grün oder orange mit dunkleren Beinen, dunklem Bauch) und Phyllobates terribilis (einfarbig gelb mit unwesentlich dunklerem Bauch).

Dieser „schreckliche Pfeilgiftfrosch“ hat seinen Namen nicht von ungefähr: Er ist eines der giftigsten Tiere weltweit, wobei das Toxin eines einzigen Exemplars ausreicht, um 20 Menschen zu töten. Dabei soll das Gift, das aus Hautdrüsen am Rücken und den Ohren abgesondert wird, gar nicht vor großen, sondern eher vor sehr kleinen Feinden schützen. Es dient in erster Linie dazu, die immer leicht feuchte Froschhaut bakterien- und pilzfrei zu halten.

Verschiedene Alkaloide Dazu nutzen die Frösche basische Alkaloide, die als Nervengift wirken, indem sie Kalzium- und Natriumionenkanäle blockieren. Auf der Haut von Baumsteigerfröschen lassen sich teilweise über 200 Alkaloidvarianten nachweisen. Bei der Gattung Dendrobates handelt es sich dabei hauptsächlich um Pumiliotoxine, die zu Krämpfen und Lähmungen führen und in größeren Mengen auch für den Menschen gefährlich werden können.

Weitaus giftiger, etwa 100 bis 1000 Mal so stark, ist das Gift der Froschgattung Phyllobates. Sie sondern Batrachotoxin ab, ein Steroidalkaloid. Es verhindert, dass die Natriumkanäle geschlossen werden können. Hierdurch werden die Neuronen mit Natrium überschwemmt, sodass sie keine Nervenimpulse mehr weiterleiten können, was zu Atemlähmung und Herzstillstand führt. Die letale Dosis liegt bei 0,8 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht.

Nutzen in der Medizin Die Froschgifte sind trotz ihrer hohen Toxizität von großem Nutzen für die Medizin. Denn bevor Batrachotoxin zum Atemstillstand führt, kommt es zunächst einmal zu einer Stärkung des Herzmuskels. Somit könnten daraus neue Anästhetika gewonnen werden, die Herz-Kreislauf-Probleme während der Narkose reduzieren. Ein anderes Alkaloid, das Epibatidin, gewonnen aus dem Hautgift des Dreistreifen-Baumsteigers (Epipedobates tricolor), ist mehr als einhundert Mal effektiver als Morphin. Da seine schmerzlindernde Wirkung aber nicht über die Opioidrezeptoren vermittelt wird, macht es nicht abhängig.

Darüber hinaus wirkt Epibatidin wie Nikotin, nur 120 Mal stärker und ebenfalls ohne süchtig zu machen. Somit könnten Medikamente auf Epibatidinbasis eine neue Generation von Schmerzmitteln begründen oder zur Rauchentwöhnung eingesetzt werden. Sie sind durch ihre einfache Molekülstruktur auch leicht chemisch zu synthetisieren.

PET-Marker für Alzheimer Der Umstand, dass Epibatidin an nikotinerge Acetylcholin-Rezeptoren bindet, könnte auch bei der Früherkennung von Alzheimer genutzt werden. Diese Rezeptoren werden nämlich bereits in einer frühen Krankheitsphase heruntergeregelt, lange bevor sich die typischen Plaques bilden.

Die Universität Leipzig hat bereits ein ungiftiges Epibatidinderivat entwickelt, das sich als Marker in der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) eignet. Mit seiner Hilfe ist es möglich, den Status der Rezeptoren innerhalb von 15 Minuten zu analysieren. Die Analyse war zwar zuvor bereits mit einem anderen Biomarker möglich, dauerte dann aber mindestens sieben Stunden.

Noch ist ein flächendeckender klinischer Einsatz der Froschgiftderivate Zukunftsmusik, viele Anwendungsmöglichkeiten stecken noch in der Forschungsphase. Umso schlimmer ist deshalb, dass viele der oft nur kleinen Baumsteigerfroschpopulationen zum Beispiel durch intensive Rodungen vom Aussterben bedroht sind. Möglicherweise sterben mit ihnen somit viele Medikament gegen die Krankheiten unserer Zeit.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 124.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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