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Pille danach

BALD OHNE REZEPT?

In Deutschland ist die „Pille danach“ bisher, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, nur auf Verordnung eines Arztes erhältlich. Doch das könnte sich nach jahrelanger Diskussion nun ändern – nach europäischem Recht?

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Sie ist ein Notfallverhütungsmittel, das zeitnah nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden muss, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Zurzeit sind Produkte mit dem Wirkstoff Levonorgestrel und Ulipristal (ellaOne®) auf dem Markt. Das Gestagen Levonorgestrel verhindert den Eisprung, indem es die Ausschüttung des Luteinisierenden Hormons (LH) hemmt. Ist dieser bereits erfolgt, ist Levonorgestrel also eigentlich nicht mehr wirksam.

Allerdings hat sich gezeigt, dass es auch den pH-Wert und die Konsistenz des Gebärmutterschleims verändert. Er wird saurer und zäher, was die Beweglichkeit der Spermien behindert und so eine Einnistung des Eis erschweren könnte. Die Studienergebnisse hierzu sind jedoch widersprüchlich.

Die höchste Wirksamkeit ist 12 bis 24 Stunden nach dem Koitus gegeben, das Präparat muss aber spätestens 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen worden sein. Ulipristal kann noch 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr genommen werden, wobei auch hier gilt: je früher, desto wirksamer. Der Wirkstoff blockiert das Schwangerschaftshormon Progesteron und verhindert den Eisprung dadurch auch noch kurz vorher, das heißt nach Ansteigen des LH-Spiegels.

Ulipristal und Levonorgestrel wirken aber nicht mehr, wenn sich eine Eizelle bereits in die Gebärmutter eingenistet hat, sind daher also nicht mit der Abtreibungspille (Wirkstoff: Mifepriston) zu verwechseln.

Keine Pille von der Kirche Die Schlagzeilen 2012 : Gleich zwei katholische Krankenhäuser in Köln weigerten sich, eine vergewaltigte Frau zu behandeln und ihr die Pille danach zu verschreiben. Das Argument: Sie dürften das in einer katholischen Einrichtung nicht, da die Empfängnisverhütung, selbst nach einer Vergewaltigung, mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar sei. Die Diskussion, die sich anschloss, brachte die Kirche schließlich zum Einlenken. Seit Februar 2013 können Ärzte in katholischen Krankenhäusern die Pille danach verschreiben – allerdings nur Vergewaltigungsopfern.

Diskussion erneut angefacht Der Präzedenzfall von Köln brachte das Thema Rezeptfreiheit wieder aufs Tapet. Im November 2013 forderte der mehrheitlich rot-grüne Bundesrat die Entlassung aus der Rezeptpflicht. Sein Argument: Eine Verfügbarkeit ohne Rezept würde die Zahl der Abtreibungen senken, da gerade junge Frauen vor einem Arztbesuch zurückschreckten. In ländlichen Gegenden sei zudem die medizinische Versorgung in diesem engen Zeitfenster oft nicht gegeben.

Die Bundesregierung muss nun entscheiden, ob sie dieser Forderung entspricht. Während SPD und Grüne für die Rezeptfreiheit sind, wehrt sich die CDU mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vehement dagegen. Er weist darauf hin, dass es sich nach wie vor um ein Arzneimittel mit Nebenwirkungen handele und bei fehlender ärztlicher Beratung einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet würden.

Europarecht schlägt deutsches Recht Präparate mit Levonorgestrel sind bereits seit Mitte der 1960er-Jahre auf dem deutschen Markt zugelassen, sind also auch in Bezug auf Langzeitwirkungen gut erforscht und gelten als relativ gut verträglich. Im Mai 2009 stimmte die Europäische Arzneimittelbehörde EMA der Zulassung von ellaOne® zu, das in Deutschland im Oktober 2009 auf den Markt kam. PiDaNa® wurde hingegen von der deutschen Arzneimittelbehörde zugelassen, die dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt ist.

KOMMT DIE REZEPTFREIHEIT?
Anders als in Deutschland ist die Pille danach in vielen europäischen Ländern rezeptfrei erhältlich. Hier zu Lande wird darüber schon lange diskutiert. So hat sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits 2003 für eine Entlassung aus der Rezeptpflicht ausgesprochen. Erneut angestoßen wurde die Diskussion durch den Fall einer jungen Frau, der ein solches Präparat im Krankenhaus verweigert wurde.

Genau das führt jetzt zu einer interessanten Konstellation: Denn die Rezeptfreigabe, die der Bundesrat fordert, würde nur für PiDaNa® gelten. Gleichzeitig prüft aber die EMA die Freigabe von ellaOne®. Würde diese Freigabe genehmigt, gälte sie auch für Deutschland, sodass mit ellaOne® dann ein solches Präparat rezeptfrei erhältlich wäre – unabhängig von der Entscheidung der Bundesregierung.

PiDaNa® würde damit wahrscheinlich in der Versenkung verschwinden und damit ein jahrzehntelang erprobtes Produkt, zu dessen Sicherheit es umfassende Daten gibt. An seine Stelle träte ein neueres Präparat, zu dem aber noch keine Langzeitstudien in Bezug auf Verträglichkeit und Nebenwirkungen vorliegen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 84.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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