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Autoimmunerkrankungen

AUTOIMMUNHEPATITIS

Bei dieser seltenen Form der Leberentzündung lassen sich verschiedene Autoantikörper nachweisen. Warum sie gebildet werden, ist Wissenschaftlern jedoch bis heute unklar.

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Bei der Autoimmunhepatitis (AIH) richtet sich das Immunsystem gegen die Leber, die sich dadurch entzündet. Unbehandelt entwickeln sich eine Leber-Fibrose und schließlich eine Zirrhose, die wiederum zum Tod führen kann. Die Erkrankung ist selten – in Deutschland geht die Deutsche Leberhilfe e.V. von etwa 4000 bis 12 000 Betroffenen aus. Meist tritt sie im mittleren Lebensalter erstmals auf, aber auch Kinder können schon erkranken. Frauen sind etwa drei bis viermal häufiger betroffen als Männer. Die Behandlung besteht heute aus einer Kombination von Immunsuppressiva und muss lebenslang erfolgen. Damit lässt sich der Verlauf aufhalten und eine weitgehend normale Lebenserwartung ist möglich, wenn auch häufig bei eingeschränkter Lebensqualität.

Zunächst unspezifische Symptome Eine Autoimmunhepatitis kann lange schleichend verlaufen und zuerst keine und dann zunächst unspezifische Symptome verursachen – nicht selten wird sie zufällig entdeckt, weil bei einer Blutuntersuchung erhöhte Immunglobuline oder Leberwerte auffallen. Seltener kommt es zu einem akuten Verlauf mit einem fulminanten Leberversagen. Die ersten Symptome sind meist Müdigkeit, Abgeschlagenheit und verminderte Leistungsfähigkeit. Wenn die Vernarbung (Fibroisierung) der Leber fortschreitet, berichten manche Patienten über einen Druck oder Schmerzen im Oberbauch. Darüber hinaus können auch Gelenkschmerzen und Fieber auftreten.

Je weiter die AIH fortschreitet und je stärker die Leber geschädigt wird, desto weniger kann sie ihre Funktion erfüllen. Dann treten zunehmend Symptome auf, die auf eine Leberinsuffizienz hinweisen: Ikterus (Gelbsucht), eine Vergrößerung der Leber und/oder der Milz, Aszites (Bauchwassersucht), Leberhautzeichen und Gerinnungsstörungen. Es sammeln sich Giftstoffe im Körper an, die auch das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen können. Durch die Vernarbungen kann das Blut nicht mehr ungehindert durch die Leber fließen – es kommt zu einem Pfortaderhochdruck. Schließlich steigt auch das Risiko für Leberkrebs. Bei etwa jedem dritten Patienten mit Autoimmunhepatitis liegt zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine Leberzirrhose vor.

Verschiedene Autoantikörper Typisch für die Autoimmunhepatitis ist der Nachweis von Autoantikörpern im Blut. Dazu gehören Antikörper gegen Kernantigene (ANA), gegen glatte Muskulatur (SMA), gegen Leber-Nieren-Mikrosomen (LKM-1), gegen Leberzytosol-Antigen Typ 1 (LC-1), gegen das Soluble Liver Antigen/Leber-Pankreas-Antigen (SLA/LP) sowie Anti-Neutrophile Cytoplasmatische Antikörper (ANCA). Sie alle sind jedoch nicht spezifisch für die AIH, sondern können auch bei anderen Autoimmunerkrankungen vorkommen. Warum sie gebildet werden und das Immunsystem sich gegen den eigenen Körper wendet, ist nicht bekannt. Wissenschaftler vermuten, dass dafür eine genetische Veranlagung und auslösende Faktoren wie Giftstoffe oder Infektionen zusammenkommen müssen.

Diagnose Für die Autoimmunhepatitis existiert kein einzelner spezifischer Marker, der die Erkrankung zweifelsfrei nachweist. Vielmehr müssen für die Diagnose mehrere Punkte erfüllt sein: Leberwerte: Typisch ist eine Erhöhung der Transaminasen; auch Gamma-GT und Bilirubin sind häufig erhöht. Immunglobuline: Bei fast allen Patienten sind Gamma-Globulin und IgG erhöht. Autoantikörper sind bei fast allen Patienten nachweisbar. Aber: Diese Autoantikörper können auch bei anderen Autoimmunerkrankungen vorkommen; zum Teil werden sie manchmal sogar bei Gesunden nachgewiesen.

Allein der Nachweis eines Autoantikörpers reicht deshalb nicht aus, um die Diagnose einer Autoimmunhepatitis zu stellen. Ultraschall: Mit der Sonografie des Abdomens lassen sich der Umbau des Leberparenchyms sichtbar machen und andere Ursachen für die Leberschädigung (z. B. Gallenwegserweiterungen, Tumoren) ausschließen. Leberpunktion: In Gewebeschnitten lassen sich für die AIH typische Veränderungen nachweisen. Wenn außerdem andere Ursachen für die Leberschädigung ausgeschlossen wurden, wird die Diagnose Autoimmunhepatitis gestellt.

Klassifikation Anhand der nachgewiesenen Autoantikörper wird die AIH in einzelne Typen unterteilt: Bei Typ 1 (80% aller Fälle) lassen sich meist ANA- und SMA-Antikörper nachweisen. Bei dem schwerer verlaufenden Typ 2 dagegen findet man Antikörper gegen LKM-1 und LC-1. Nicht abschließend geklärt ist, ob es sich bei einer weiteren Form, bei der Anti-SLA/LP-Antikörper nachweisbar sind, um einen eigenen Typ 3 oder um einen Subtyp von Typ 1 handelt.

Begleiterkrankungen Zwei weitere autoimmune Lebererkrankungen, die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) und die primär biliäre Cholangitis (PBC) treten bei einem Teil der Patienten zusammen mit der Autoimmunhepatitis auf. Von einer PSC sind etwa zwei bis acht Prozent der Autoimmunhepatitis-Patienten betroffen, von einer PBC vier bis vierzehn Prozent. Ärzte sprechen in diesem Fall von Overlap-Erkrankungen. Auch weitere Autoimmunerkrankungen sind mit der Autoimmunhepatitis assoziiert: Dies gilt besonders für die Hashimoto-Thyreoiditis, von der zwischen 10 und 23 Prozent der Patienten betroffen sind. Zahlreiche weitere Autoimmunerkrankungen, darunter die Zöliakie, Diabetes mellitus, Sjögren-Syndrom und andere, treten bei Patienten mit Autoimmunhepatitis ebenfalls häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.

Therapie mit Immunsuppressiva Das Immunsystem und damit die Entzündung der Leber lassen sich mithilfe von Immunsuppressiva unterdrücken – dadurch wird die Leberschädigung aufgehalten. Wenn das Organ noch nicht zu stark geschädigt ist, kann es auch teilweise regenerieren. Typischerweise wird die Therapie mit einer hohen Dosis Prednisolon begonnen. Diese wird dann schrittweise so weit wie möglich reduziert und gleichzeitig Azathioprin hinzugenommen. Ziel ist es, für die Erhaltungstherapie eine möglichst geringe Dosierung zu finden, die die Entzündung unterdrückt. Bei Patienten ohne Zirrhose kann anstatt Prednisolon auch Budesonid eingesetzt werden. Fast immer ist eine lebenslange Therapie notwendig.

Nur in Einzelfällen gelingt es, die Therapie abzusetzen, ohne dass die Entzündung wieder aufflammt. Schreitet die Erkrankung trotz Therapie fort, kann bei einem vollständigen Leberversagen eine Lebertransplantation erforderlich werden. Auch bei geringen Dosierungen haben die Patienten mit den bekannten Steroid-Nebenwirkungen zu kämpfen: Gewichtszunahme, Mondgesicht, Verdünnung der Haut, Akne, Bluthochdruck, Erhöhung der Blutfette, Osteoporose, Wassereinlagerungen, Erhöhung des Diabetesrisikos. Zudem ist die Infektanfälligkeit durch die Unterdrückung des Immunsystems erhöht. Weil das Immunsystem bei Gesunden auch für die Bekämpfung von Tumorzellen zuständig ist, sollten Patienten alle empfohlenen Krebsvorsorgemaßnahmen wahrnehmen. Depressionen kommen häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/19 ab Seite 136.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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