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Marketing

AUCH SCHWACHSTELLEN SIND WICHTIG

Ein Verkäufer, der einem die Nachteile an den Produkten im eigenen Laden zeigt und von deren Kauf abrät – eine Geschichte aus einem Elektromarkt, die nicht unbedingt ein Negativ-Beispiel ist.

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Der „Elektromarkt unseres Vertrauens“ um die Ecke beschäftigt einen Verkäufer, von dem mein Mann und ich uns immer wieder gerne beraten lassen. Sobald man ihm signalisiert, dass man als Kunde wirklich seine Hilfe benötigt, fragt er nach Produkteigenschaften auf die man Wert legt, zum Beispiel Qualität, Langlebigkeit oder einfache Bedienung etc. Dann berät er schwungvoll und engagiert. Wer dabei aber Lobeshymnen über das eigene Sortiment erwartet, wird enttäuscht.

Schwachstellen anschaulich demonstriert … Vielmehr zeigt er anhand der ausgestellten Geräte sehr anschaulich zunächst, welche Defizite jeweils existieren. Ohne mit der Wimper zu zucken demonstriert er, wie bei der Billig-Waschmaschine durch den unpräzisen Drehknopf die Programmauswahl eher zufällig erfolgt und rechnet auch mal vor, dass sich die höchste Energieeffizienzklasse bei Strompreis x erst in zig Jahren amortisiert . Kurz bevor man gefrustet den Laden verlässt („alles Schrott hier“), legt er sich scharf in die Beratungskurve und präsentiert seinen Favoriten. Ein Gerät, das die vorher gezeigten Defizite nicht hat, die eingangs genannten Produkteigenschaften erfüllt und einen vernünftigen Preis hat.

… und trotzdem verkauft Das Ganze hat nicht nur einen großen Unterhaltungswert. Es hat auch echten Nutzwert für den Kunden. Der lernt nämlich dabei eine Menge über das Gerät, für das er sich interessiert, über mögliche Schwachpunkte, über Kriterien, nach denen beurteilt werden kann und sollte. Ganz nebenbei registriert man als Kunde „der Verkäufer, der kennt sich aus!“ – in Elektromärkten ja nicht unbedingt selbstverständlich. Aber auch das Gefühl von „der preist nicht einfach an, der ist ehrlich und damit glaubwürdig“ und der Gedanke „der hat verstanden, worauf es mir ankommt“ sind letztlich entscheidende Kauf-Motivatoren.

Und die Moral von der Geschichte Diese lautet in Bezug auf die Apotheke sicher nicht, dass Sie zukünftig erstmal umfangreich Ihre Produkte dem Kunden gegenüber schlecht machen, damit diese dann Ihren Empfehlungen vertrauen. Aber wenn ein Kunde in einem vielfältigen Sortiment Orientierung sucht, dann braucht er eine offene und fachlich fundierte Beschreibung von Vorund Nachteilen.

Dazu gehört dann auch schon mal die klare Ansage „Wenn Sie das erwarten, ist dieses Produkt nicht das Richtige“. Ein bisschen Mut braucht es dafür schon. Denn von etwas, das man grundsätzlich eigentlich verkaufen will, dem Kunden abzuraten, klingt ja zunächst schon kontraproduktiv. Aber aus Marketing-Sicht steht der Nutzen für den Kunden im Vordergrund. Und dazu gehört, ehrlich zu sagen, wenn ein Produkt den geforderten Nutzen nicht erfüllen kann … und dann im Optimalfall gleich eine passende Lösung empfehlen. In dieser Kombination sorgt die eigene Produktkritik langfristig für Glaubwürdigkeit, zufriedene Kunden und echte Kundenbindung.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 auf Seite 26.

Verena Gertz, Marketingfachfrau

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