Heilpflanzen
ANIS - GESCHÄTZTES GEWÜRZ
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Als Anis werden die Früchte der einjährigen Pflanze Anis aus der Familie der Doldengewächse (Apiaceae) bezeichnet. Die Pflanze wird bis zu einem halben Meter hoch und blüht von Juli bis August mit kleinen weißen Blüten, die in lockeren Dolden angeordnet sind. Aus ihnen entwickeln sich zweiteilige Spaltfrüchte, die rundlich bis eiförmig sind, weshalb Anis auch als Runder Fenchel bezeichnet wird.
Der Name Anis ist vom griechischen anison für Dill abgeleitet, dem eine Verwechselung der beiden Doldengewächse zugrunde liegt. Der Gattungsname Pimpinella soll vom lateinischen bipinulla = doppelt gefiedert stammen, was sich auf die mehrfach gefiederten Blätter im oberen Stängelabschnitt bezieht. Die ursprünglich im Nahen Osten beheimatete Pflanze benötigt einen sonnigen Standort und kalkreichen Boden in einem warmen, mäßig-feuchten Klima.
Seit Jahrhunderten im Gebrauch Schon die alten Griechen und Römer verwendeten Anisfrüchte. Sie fanden sich nicht nur in ihren Brot- und Gebäckrezepten. Gelehrte wie Dioskurides (1. Jahrhundert n. Chr.) kurierten Atembeschwerden und Blähungen; Plinius der Ältere (23 bis 79 n. Chr.) schätzte sie bei Verdauungsstörungen. Zudem war im Altertum Anis zusammen mit Fenchel und Kümmel Bestandteil des Theriak, ein Gegengift, mit dem man Bisse giftiger Schlangen behandelte.
Lange Zeit galt Anis als Aphrodisiakum zur Steigerung der Libido und Potenz. Im 8. Jahrhundert n. Chr. brachten die Benediktinermönche Anis nach Mitteleuropa, wo er in Klostergärten als Gewürz- und Arzneipflanze kultiviert wurde.
Rezepturen gestern und heute In verschiedenen Schriften des späten Mittelalters wird Anis vor allem als entblähendes und krampflösendes Mittel gelobt. Daneben wird es zur Förderung der Milchsekretion in der Stillzeit und zur Behandlung von Bronchialbeschwerden erwähnt. Rezeptursammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts führen die Früchte und das Öl als Bestandteil verschiedener Teemischungen, Säfte und Tropfen vor allem gegen Husten (z. B. Species pectorales, Liquor Ammonii anisatus) auf.
Darüber hinaus findet sich Anis als mildes Karminativum und Spasmolytikum in zahlreichen Magen-Darm-Tees, wobei eine Mischung aus Anis, Fenchel und Kümmel zu gleichen Teilen bis heute auch als milchförderndes Mittel in der Stillzeit bekannt ist.
Traditionelles Heilmittel mit nachgewiesener Wirkung Die seit Jahrhunderten postulierten Effekte auf Bronchien und Magen wurden von der Kommission E und der ESCOP bestätigt. Ihre Monografien führen eine expektorierende, schwach spasmolytische und antibakterielle Wirkung der Anisfrüchte auf und nennen als Indikationen den innerlichen Gebrauch bei dyspeptischen Beschwerden und die innere und äußere Anwendung bei Katarrhen der Luftwege.
Tipps für die Beratung
Machen Sie Ihren Kunden darauf aufmerksam, Anisöl luft- und lichtgeschützt zu lagern, um Zersetzungen des trans-Anethols zum Anisaldehyd und zum Estrogen-ähnlich wirksamen Dianethol zu vermeiden. Für die Teebereitung sollte die Droge vorher angestoßen werden. Nur so kann das ätherische Öl aus den Sekreträumen austreten und optimal zur Wirkung gelangen.
Als Wirkmechanismus wird eine Steigerung der Flimmertätigkeit des Atemwegepithels angenommen, was einen sekretomotorischen Effekt induziert. Darüber hinaus werden die Drüsen zu einer vermehrten Sekretbildung angeregt, woraus eine sekretolytische Wirkung resultiert. Im Magen-Darm-Trakt kann eine direkte spasmolytische Wirkung an der glatten Muskulatur experimentell belegt werden.
Die Wirkungen beruhen auf dem ätherischen Öl, dem Anisöl. Es muss nach den Forderungen des Europäischen Arzneibuches (Ph. Eur.) zu mindestens 2,0 Prozent in den Früchten enthalten sein. Sein Hauptbestandteil ist mit 87 bis 94 Prozent trans-Anethol, das auch für den typischen Geruch und Geschmack der Droge verantwortlich ist. Das Ph. Eur. hat sowohl den Anisfrüchten (Anisi fructus) als auch dem Anisöl (Anisi aetheroleum) eine eigene Monografie gewidmet.
In der Volksmedizin Anis ist in der Stillzeit zur Förderung der Milchproduktion beliebt. Darüber hinaus profitiert der Säugling von der karminativen Wirkung des in der Muttermilch gelösten ätherischen Öls. Daneben soll es den Eintritt der Monatsblutung anregen und entkrampfend bei Menstruationsbeschwerden wirken.
Äußerlich wird Anisöl zur Linderung von Hautreizungen sowie zur Abschreckung von Insekten und Läusen eingesetzt. Aufgrund seiner schwach antibakteriellen Wirkung wird es auch in Mundwässern und -spülungen genutzt. Aromatherapeuten schätzen die entspannenden Effekte bei seelischen Problemen.
Nicht verwechseln! Anis und Sternanis sind nicht das gleiche. Zwar ist Hauptbestandteil beider ätherischen Öle trans-Anethol. Sternanis stammt jedoch von Illicum verum Hook. f., einem tropischen Baum.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/13 auf Seite 32.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin