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HIV/AIDS – Teil 1

ANGESCHLAGENE ABWEHR

Die chronische Infektion hat dank großer Fortschritte in der Behandlung viel von ihrem Schrecken verloren. Eine späte Diagnose ist jedoch mit schweren Komplikationen verbunden.

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Das Humane Immundefizienzvirus ist ein Retrovirus, dessen genetische Information als Ribonukleinsäure (RNS) vorliegt. Diese RNS muss nach Eintritt in eine menschliche Zelle zunächst in eine Desoxy-Ribonukleinsäure (DNS) umgeschrieben (übersetzt) werden, damit sich das Virus der Zellmechanismen für die eigene Reproduktion bedienen kann.

Hierfür besitzt das HIV ein spezielles Enzym, die Reverse Transkriptase. Sie sorgt dafür, dass die Virusbaupläne vom Zellapparat lesbar sind. Mithilfe eines weiteren viruseigenen Enzyms, der Integrase, werden die nun als DNS vorliegenden Virusgene in das menschliche Genom der infizierten Zelle integriert. Damit ist die Voraussetzung geschaffen für die Produktion viraler Proteine und die massenhafte Bildung neuer Viren, die neue Zellen „entern”, während die Wirtszelle zerstört wird.

Der wichtigste Rezeptor für das Virus ist CD4, ein Glykoprotein, das sich auf der Oberfläche verschiedener Blut- und Immunzellen sowie auf bestimmten Zellen des ZNS befindet. Nur wenn Zellen diesen Marker tragen, kann sich HIV anheften und in die Zelle eindringen. Hauptsächlich sind bestimmte T-Lymphozyten (T-Zellen) Zielzellen von HIV. Dies erklärt die weitreichenden Folgen der Infektion: CD4-tragende T-Zellen, so genannte T-Helferzellen, koordinieren die Immunantwort auf eingedrungene Fremdstoffe oder Erreger. Im Laufe der HIV-Infektion wird ihre Zahl immer mehr dezimiert, eine Immunschwäche entsteht.

Übertragungswege Infiziert wird man, wenn virushaltige Körperflüssigkeiten auf Schleimhäute oder in die Blutbahn gelangen, wie beim Sexualverkehr oder durch Verletzung mit kontaminierten Instrumenten beziehungsweise die gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln bei i.v. Drogenkonsum. Eine Übertragung über die Mundschleimhaut findet kaum statt und anders als bei manchen anderen viralen Erkrankungen gibt es keine Tröpfcheninfektion.

Da generell eine größere Zahl an Viren nötig ist, um eine Infektion zu bewirken, sind weder Speichel noch Tränen, Schweiß oder Urin von Infizierten ein Problem. Daher können zum Beispiel auch sanitäre Einrichtungen ohne Bedenken gemeinsam mit Virusträgern genutzt werden. Relativ häufig haben HIV-positive Menschen auch eine Hepatitis-Boder -C-Infektion, da diese über die gleichen Wege übertragbar sind.

Prinzipiell ist ein HIV-Patient dauerhaft potenziell infektiös, die Ansteckungsfähigkeit steigt und fällt dabei, je nachdem, wie ausgeprägt der Immundefekt ist, insbesondere mit der Menge der Viren im Blut beziehungsweise den Körpersekreten (Viruslast). Daher ist sie bei richtig therapierten Personen, die ihre Medikamente konsequent einnehmen, deutlich reduziert.

»HIV gehört zu den schwer übertragbaren ansteckenden Krankheiten – eine Infektion ist nur durch direkten Kontakt mit belasteten Körperflüssigkeiten möglich.«

Nach einer Inkubationszeit von einigen Tagen bis wenigen Wochen kann sich eine akute Phase der Infektion in Form einer grippeähnlichen Erkrankung mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Hautausschlag oder auch Lymphknotenschwellung manifestieren. Sofern nicht ohnehin eine HIV-Infektion befürchtet wird, wird die Ursache der Beschwerden zu diesem Zeitpunkt häufig übersehen. In der Folgezeit können unter anderem chronische Durchfälle, Fieber, wiederholte Episoden einer Gürtelrose oder charakteristische weißliche Veränderungen der Zungenränder (Haarleukoplakie) vorkommen.

Das Vollbild AIDS Auch ohne spezifische Behandlung können bis zu acht oder zehn Jahre vergehen, bevor das eigentliche AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome)-Stadium, also die erworbene Immunschwäche, ausbricht, die durch eine ausgeprägte Abwehrschwäche gekennzeichnet ist. Die Patienten sind anfällig für verschiedenste Infektionen und selbst von Mikroorganismen angreifbar, die Menschen mit funktionierendem Immunsystem normalerweise nichts anhaben.

Zu solchen opportunistischen Infektionen (OI) gehören wie die durch Pilze verursachte Pneumocystis-Pneumonie, wiederholt auftretende bakterielle Pneumonien, Candidosen, etwa die Soor-Ösophagitis, ein Hefepilzbefall der Speiseröhre, sowie die zerebrale Toxoplasmose, eine Parasiteninfektion des Gehirns. Seit man mit immer besseren Medikamenten die Virusvermehrung gezielt unterdrücken kann, sind OI selten geworden und wenn sie auftreten, ist ihr Verlauf milder beziehungsweise sie sind gut behandelbar.

Wenn hier zu Lande solche Erkrankungen auftreten, so meist bei Patienten, deren Infektion bis dahin unbekannt war, so genannten Late-Presenter (das sind allerdings etwa 30 Prozent aller Infizierten). Diese charakteristischen Infektionen gehören zu den AIDS-definierenden Erkrankungen. In diese Kategorie fällt auch das Wasting-Syndrom, das durch Abnahme von unter zehn Prozent des Körpergewichts bei länger anhaltender Diarrhö und oft großer Schwäche gekennzeichnet ist.

Des Weiteren zählt man einige Tumorerkrankungen dazu, wie das Kaposi-Sarkom (dunkle Flecken beziehungsweise Tumorknoten auf der Haut, die auch Schleimhäute und innere Organe betreffen können) oder maligne Lymphome, bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems. Außerdem sind HIV-positive Menschen wegen der geschwächten Abwehrlage auch anfällig für die Entwicklung anderer Krebsarten, insbesondere des Analkarzinoms.

Die Diagnose Nach einer Infektion gilt es, die Entstehung eines schweren Immundefekts zu verhindern, indem die Virusvermehrung medikamentös unterbunden wird. Voraussetzung ist eine rechtzeitige Diagnose. Diese erfolgt zweistufig: In einem relativ einfachen Suchtest mit hoher Sensitivität wird die Probe zunächst auf HIV-spezifische Antikörper sowie ein bestimmtes HIV-Antigen untersucht. Wird man hier fündig, folgt ein aufwändigerer Bestätigungstest mit höherer Spezifität, der das tatsächliche Vorliegen von HI-Viren besser von zufällig reagierenden anderen Strukturen unterscheiden kann.

Nur im Falle positiver Reaktionen in beiden Tests gilt die Diagnose als gesichert. Außerdem muss jeder positive Befund durch eine zweite Probe bestätigt werden, um Verwechslungen sicher auszuschließen. Ein HIV-Test ist frühestens drei Wochen nach einer möglichen Exposition sinnvoll, denn bis im Körper die spezifischen Antikörper gebildet sind, dauert es mindestens zwei bis zwölf Wochen. Wird in dieser Zeit getestet, kann es sein, dass der Test negativ ausfällt, obwohl die Person infiziert ist (diagnostische Lücke).

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/12 ab Seite 72.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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