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Arzneimitteltherapie bei Kindern – Teil 1

ALTERSGERECHTE DOSIERUNG

Kinder stellen eine besondere Patientengruppe dar. Da sie auf Medikamente viel empfindlicher als Erwachsene reagieren, kann eine falsche Anwendung bei den Kleinen weitaus schwerwiegendere Auswirkungen haben.

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Zahlreiche Entwicklungs- und Reifungsvorgänge, die in die Arzneimitteltherapie miteinbezogen werden müssen, finden in den ersten Lebensmonaten und -jahren statt. Darüber hinaus verläuft die Entwicklung gleichaltriger Kinder in diesem frühen Lebensabschnitt individuell sehr unterschiedlich. Eine medikamentöse Behandlung muss infolgedessen immer genau auf das jeweilige Kind abgestimmt werden. Daher sind Erkrankungen bei Neugeborenen und Säuglingen bis zu einem halben Jahr auch kein Fall für die Selbstmedikation, sondern gehören in die Hand eines Kinderarztes.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen Physiologische Besonderheiten im Säuglings- und Kindesalter führen zu großen pharmakodynamischen und -kinetischen Unterschieden. So differieren die Freisetzung des Wirkstoffs aus der Arzneiform, seine Aufnahme in den Blutkreislauf, seine Metabolisierung, seine Verteilung im Organismus und seine Ausscheidung je nach Entwicklungsstadium des kleinen Patienten. Da sich die Parameter zudem sehr schnell verändern können, ist vor allem in den ersten Lebenswochen und -monaten besondere Vorsicht und eine ständige Dosisanpassung notwendig.

Physiologische Entwicklung berücksichtigen Bei Früh- und Neugeborenen ist die Metabolisierung über die Leber noch wenig entwickelt und die Nierenfunktion verringert. Die Halbwertszeiten nahezu aller Arzneimittel sind daher verlängert. Neben der Arzneimittelelimination unterscheidet sich auch die -verteilung deutlich von der älterer Kinder. Insbesondere bei den Frühgeborenen sind das Gesamtkörperwasser sowie der Extrazellularraum deutlich erhöht, sodass wasserlösliche Arzneistoffe höher dosiert werden müssen. Arzneistoffe, die sich im Fettgewebe verteilen, benötigen hingegen eine niedrigere Dosierung.

Bei Säuglingen und Kleinkindern (28 Tage bis 24 Monate) ist ein rasches Wachstum und eine schnelle Reifung der Organe zu beobachten. Die Körperzusammensetzung ähnelt spätestens am Ende des zweiten Lebensjahres der von Erwachsenen. Auch entspricht die Bindung der Arzneistoffe an Plasmaproteine weitgehend den Verhältnissen beim Erwachsenen. Daher sind falsche Dosierungen im zweiten Lebensjahr nicht mehr so schlimm.

Im Kindesalter (2 bis 11 Jahre) verlangsamen sich Wachstum und Gewichtszunahme, sodass eine Dosisanpassung in größeren Intervallen erfolgen kann. Bei Dosisangaben werden die Kinder aber meist noch in Klein- und Schulkinder unterteilt. Bei Jugendlichen (12 bis 17 Jahre) entspricht die Dosierung von Arzneimitteln weitgehend der bei Erwachsenen. Die größte Herausforderung stellt in dieser Altersgruppe die Sicherstellung der Compliance dar. Jugendliche wollen in die Arzneitherapie integriert werden und zunehmend selbst dafür die Verantwortung übernehmen.

Fehldosierungen vermeidenDie PTA und der Apotheker können dazu beitragen, dass der kleine Patient die für sein Alter richtig ausgewählte Dosierung wirklich erhält. Bei der Abgabe sollte die Dosierung erläutert und anschließend auf der Verpackung eindeutig (keine Abkürzungen!) notiert werden. Optimal ist darüber hinaus eine Markierung der Dosis auf der Dosierhilfe. Es kann nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden, dass der Arzt mit den Eltern über die Einnahme des verschriebenen Präparates gesprochen hat. Einige Praxen gehen davon aus, dass der Beipackzettel ausreichende Informationen liefert oder in der Apotheke notwendige Hinweise gegeben werden.

SUCHE NACH DER DOSIS
Es ist nicht möglich, die Dosis für ein Kind einfach linear nach dem Körpergewicht aus der Erwachsenendosis abzuleiten. Vielmehr muss neben dem Alter und dem Gewicht oftmals auch die Körperoberfläche in die Überlegungen mit einbezogen werden. Verschiedene Dosisberechnungsregeln
(Alters-, Körpergewichtsund Körperoberflächenregel) stehen zur Berechnung zur Verfügung. Für die tägliche Arbeit ist es am einfachsten, auf Angaben aus der Literatur zurückzugreifen. Bewährt haben sich beispielsweise Nachschlagewerke wie die „Pädiatrischen Dosistabellen”, die Dosierungen für verschiedene pädiatrische Altersstufen auflisten.

Manchmal finden sich auch undeutlich geschriebene oder zweideutige Angaben auf dem Rezept, die falsche Dosierungen nach sich ziehen. So ist die Abkürzung ML nicht für alle verständlich und aus beabsichtigen Messlöffeln werden schnell Milliliter gedeutet, die erhebliche Fehldosierungen mit sich bringen. Vermerken Sie auch den Namen des Kindes auf der Verpackung. Bei mehreren Kindern in der Familie kann es sonst schnell zu Verwechselungen bei wirkstoffgleichen Präparaten kommen, was bei Wirkstoffen mit enger therapeutischer Breite (z. B. Paracetamol) problematisch sein kann.

Achtung: Arzneimittel nicht in Nahrungen einrühren Geben Sie auch den Hinweis, Arzneimittel möglichst nicht mit der Nahrung zu vermischen. Eltern möchten vor allem kleinen Kindern die Einnahme des Medikaments erleichtern, indem sie es gut schmeckenden Lebensmitteln zusetzen. Kleine Mengen an Marmelade, Obstmus oder Nuss-Nougat-Creme sind zur Verbesserung des Geschmacks zwar erlaubt. Honig darf bei Säuglingen wegen des möglichen Gehalts an Clostridium-botulinium Sporen nicht verwendet werden.

Arzneimittel sollten aber nicht in größere Volumina (z. B. in die Flaschennahrung, Breimahlzeit) eingebracht werden. Die Gefahr, dass das Kind nicht alles austrinkt oder aufisst, wird von den Eltern oft nicht bedacht und Unterdosierungen sind vorprogrammiert. Außerdem kann es unter Umständen zu unerwünschten Wechselwirkungen zwischen Bestandteilen des Lebensmittels (z. B. Kalzium) und dem Arzneistoff kommen. Auch ist es möglich, dass später Nahrungsmittel nicht mehr vom Kind akzeptiert werden, wenn sie zuvor mit bitteren Arzneimitteln im Geschmack verändert wurden. Besser ist es, den schlechten Geschmack des Arzneimittels nach Applikation mit einem Schluck Wasser wegzuspülen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/12 ab Seite 76.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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