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Seltene Erkrankungen von A bis Z

ALPHA-1-ANTITRYPSIN-MANGEL

Weil ein Protein fehlt, das eine körpereigene Protease hemmt, zerstört diese die Lungenbläschen. Es entwickelt sich ein Lungenemphysem, das die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann.

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Meist treten die ersten Symptome im Alter von 30 bis 40 Jahren auf: Es beginnt mit Luftnot, zunächst nur in belastenden Situationen wie beim Sport oder Treppensteigen, später auch in Ruhe. Husten mit Auswurf kommt dazu. Weil die Erkrankung selten und nicht auf Anhieb von Asthma oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung zu unterscheiden ist, wird die Ursache – ein Mangel an dem Eiweiß Alpha-1-Antitrypsin – oft erst mit Verspätung oder eventuell auch gar nicht erkannt.

Fehlender Hemmstoff Alpha-1-Antitrypsin wird normalerweise von den Leberzellen produziert und in den Blutkreislauf abgegeben. Seine Funktion: die Hemmung von körpereigenen Proteasen, also Eiweiß-spaltenden Enzymen, besonders der Elastase. Produziert wird diese unter anderem im Rahmen der Immunabwehr von den neutrophilen Granulozyten. In der Lunge hilft sie, Bakterien und andere potenziell gefährliche Partikel, die wir mit der Atemluft einatmen, zu zerstören. Allerdings wirkt sie relativ unspezifisch.

Bei gesunden Menschen verhindert deshalb Alpha-1-Antitrypsin als Inhibitor, dass sie auch körpereigenes Gewebe angreift. Patienten mit Alpha- 1-Antitrypsin-Mangel können jedoch keine ausreichenden Mengen dieses Hemmstoffs bilden.

Ursache Grund dafür sind Mutationen in dem Gen, das für dieses Eiweiß kodiert. Es liegt auf dem Chromosom 14, die Vererbung erfolgt autosomal rezessiv. Menschen, die ein gesundes und ein verändertes Gen tragen, haben – wenn überhaupt – leichtere Symptome als jene mit zwei mutierten Allelen, bei denen die Erkrankung schwerer verläuft. Die sogenannte Z-Mutation kommt vor allem in skandinavischen Ländern vor, führt zu einer stark verringerten Konzentration von Alpha-1-Antitrypsin und somit zu stärkeren Symptomen als die S-Mutation, die man eher auf der iberischen Halbinsel findet. In Deutschland geht man von etwa 12 000 homozygot Betroffenen aus, die Prävalenz in Europa wird auf 0,01 bis 0,02 Prozent der Bevölkerung geschätzt.

Überblähte Lunge Weil die Elastase wegen des Alpha-1-Antitrypsin- Mangels nicht (ausreichend) gehemmt wird, greift sie das Elastin- Protein in den Lungenbläschen an und baut es ab. Die Alveolen verlieren zunehmend an Elastizität, je weiter der Prozess voranschreitet. Schließlich fallen sie beim Ausatmen in sich zusammen. Zudem geht Lungengewebe verloren, da die winzigen Alveolen zu größeren Blasen verschmelzen – es entsteht ein Lungenemphysem. Zum einen kann nun die Luft nicht mehr vollständig ausgeatmet werden, zum anderen ist ein Verlust an für den Gasaustausch wichtiger Lungenoberfläche zu verzeichnen. Patienten können nicht mehr ausreichend Sauerstoff aufnehmen und Kohlendioxid abgeben. Die Folge ist Luftnot.

»Auf jeden Fall sollten Betroffene mit dem Rauchen aufhören.«

Symptome der Leber Vor allem ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel vom Typ ZZ manifestiert sich bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen auch in der Leber. Ein Teil der Babys weist eine Neugeborenengelbsucht auf, die sich nach einigen Wochen spontan zurückbildet. Später können unabhängig davon Symptome einer Hepatitis oder eine Leberzirrhose auftreten. Im Fall einer Zirrhose ist das Risiko für ein Leberzellkarzinom erhöht.

Diagnostik und Behandlung Die Diagnose erfolgt über die Messung der Alpha-1-Antitrypsin-Konzentration im Serum. Dabei muss beachtet werden, dass diese im Verlauf von Infekten hochreguliert wird – und damit auch bei Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel scheinbar im Normbereich liegen kann. Zusätzlich ist auch eine genetische Analyse möglich, um die Art der Mutation zu bestimmen. Auf jeden Fall sollten Betroffene mit dem Rauchen aufhören, weil dadurch die Lungenbläschen weiter geschädigt werden und die Krankheit schneller fortschreitet.

Die Lebenserwartung für nichtrauchende Patienten wird mit 60 bis 68 Jahren angegeben, die von rauchenden mit 48 bis 52 Jahren. Außerdem ist eine berufliche Schadstoffbelastung zu vermeiden. Prinzipiell erfolgt die Therapie des Alpha-1-Antitrypsin- Mangels analog zur COPD mit bronchialerweiternden und entzündungshemmenden Medikamenten oder auch einer Sauerstofftherapie.

Auf der nicht-medikamentösen Seite sind die Physio- und Atemtherapie zu nennen. Weil im Rahmen von Infekten das Enzym Elastase vermehrt gebildet wird, sollten Infekte möglichst vermieden werden. Schließlich existiert – abhängig vom Schweregrad der Erkrankung – eine Substitutionstherapie, bei der aus Spenderblut gewonnenes Alpha-1-Antitrypsin regelmäßig intravenös zugeführt wird. Bereits entstandene Schäden können dadurch allerdings nicht rückgängig gemacht werden. Als Ultima Ratio können eine Lungen- beziehungsweise Lebertransplantation notwendig werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 106.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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