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Extremsport

ALLES ODER NICHTS

Man springt aus geringer Höhe in die Tiefe mit dem Fallschirm in der Hand und zieht erst kurz vorher den rettenden Schirm – Base Jumping ist nicht nur Nervenkitzel pur, sondern auch lebensgefährlich.

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Für uns Ottonormalverbraucher ist es oft schon eine Herausforderung, sich für einen Fallschirmsprung zu entscheiden. Das bedeutet nämlich, dass man sich in ein Flugzeug wagt, dann an einen erfahrenen Springer angebunden wird, dem man im Übrigen auch noch vertrauen muss und gemeinsam aus einer gigantischen Höhe abspringt und die Welt aus einer einzigartigen Perspektive betrachtet. Unten angekommen sprechen viele, die einen Fallschirmsprung gewagt haben, von einem einzigartigen Erlebnis. Warum sollte man also aus 300 oder noch weniger Metern in die Tiefe springen, wenn man es auch aus 10 000 Metern haben kann? Für Base Jumper eine relativ leicht zu beantwortende Frage, denn der Reiz beziehungsweise Nervenkitzel liegt für viele gerade in der geringen Höhe und der Nähe zum Absprungobjekt.

Gute Vorbereitung ist wichtig Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Wort Base? Die Buchstaben stehen für Building, Antenna, Span und Earth, also Gebäude, Antennen, Brücken und Felsen. Somit wäre schon einmal geklärt, von welchen Objekten Base Jumper abspringen. Wichtig ist nur, dass es feste Gebäude oder Objekte sind. Klingt ja eigentlich nach einer vielversprechenden Auswahl, denn Hochhäuser, Brücken oder Felsen gibt es viele. Doch Vorsicht, denn rechtlich gesehen befinden sich die Extremsportler in Deutschland in einer Grauzone. Zunächst müssen die Gebäude, von denen gesprungen werden soll, geprüft und einzelne Sprünge vom deutschen Fallschirmsportverband genehmigt werden, bevor der Adrenalinkick gestartet werden kann. Außerdem muss auch immer der Eigentümer des Absprunggebäudes sowie der Besitzer des Landgrundes zustimmen. Viele Base Jumper holen sich allerdings nur die Genehmigung von einer Seite ein.

Wo darf gesprungen werden?
In Deutschland zugelassene Gebäude sind beispielsweise der Messeturm und der Maintower in Frankfurt sowie der Fernsehturm in Berlin. In Norwegen, Frankreich, Italien und der Schweiz ist keine Genehmigung notwendig.

Darauf ist zu achten Die Extremsportart liegt vor allem bei jüngeren Menschen im Trend, ist waghalsig, riskant und auch lebensgefährlich. Vor allem auch, weil der freie Fall oft nur wenige Sekunden dauert, bevor der Schirm geöffnet werden muss. Alles geschieht wahnsinnig schnell und intensiv. Man muss den Absprungpunkt, der im Fachjargon Exit Point heißt, genau anvisieren. Dennoch ist es wichtig, den Fallschirm trotz geringer Absprunghöhe rechtzeitig, aber dennoch relativ spät zu öffnen. Spät klingt für einen Außenstehenden wenig plausibel, hat aber einen bestimmten Sinn. Je länger man an einem Fallschirm hängt, desto mehr ist er den Gegebenheiten der Thermik ausgesetzt, die vor allem auch zwischen Gebäuden nur schwer einzuschätzen sind und man gerät unnötigerweise schnell in Gefahr.

Der Schirm an sich ist besonders groß und stabil und lässt sich schneller öffnen, als die Schirme, die beim Fallschirmspringen verwendet werden. Es ist darauf zu achten, nur von vorragenden Gebäuden zu springen und den Schirm richtig und sorgfältig zu packen und zwar angepasst an die Sprunghöhe. Wird darauf im Vorfeld nicht geachtet, kann es passieren, dass es zum so genannten Twist kommt, bei sich der Extremsportler um 180 Grad dreht und dadurch die Möglichkeit besteht, dass er gegen Teile des Absprungsobjekts stößt. Dabei können schwere Verletzungen auftreten, die den Base Jumper in eine lebensgefährliche Situation bringen. In Sekundenbruchteilen werden vom Springer Entscheidungen gefordert, die über Leben oder Tod entscheiden.

Gefahr niedrige Absprunghöhe
In Deutschland erfolgte der erste Sprung 1982 von einer Autobahnbrücke. Der tiefste Sprung wurde aus einer Höhe von lediglich 22 Metern gemacht.

Jede Bewegung muss sitzen, kleinste Fehler werden bestraft. Zudem werden keine Ersatzfallschirme benutzt, da man aufgrund der niedrigen Höhe keine Zeit hätte, diesen zu öffnen, falls der Hauptschirm versagt. Bei den sogenannten Proximity Flights, wird ganz nah an Wänden oder durch Felsspalten geflogen. Hier kommt es auf Sekunden an. Denn ein überraschender Windstoß kann die Flugbahn entscheidend verändern. Man kann also so erfahren und fit sein, wie man will, es kann immer etwas passieren.

Erfahrung ist viel wert, aber keine Garantie Base Jumping sollte nur von Sportlern durchgeführt werden, die als erfahren gelten und schon mindestens 200 Fallschirmsprünge absolviert haben. Wer sich noch ganz am Anfang befindet, sollte zunächst mit Tandemsprüngen beginnen, danach mit Fallschirmsprüngen weitermachen, bevor er sich dem Wagnis Base Jumping auseinandersetzt. Auch bereits erfahrene Base Jumper, wie der Schweizer Ueli Gegenschatz, sind schon tödlich verunglückt. Der Profi erlag 2009 nach seinem Sprung vom Sunrise Tower in Zürich seinen Verletzungen. Zwischen 1981 und 2016 sind insgesamt 311 Menschen an den Folgen eines Sprungs gestorben.

Etwa 15 Prozent der tödlichen Unfälle entfallen auf das Lauterbrunnental in der Schweiz, in dem pro Saison zwischen 15 000 und 20 000 Absprünge gezählt werden. Zu den spektakulärsten Absprungzielen zählen unter anderem die annähernd 1000 Meter hohen Angel Falls im Urwald von Venezuela, die höchsten Wasserfälle der Welt, der Eiffelturm in Paris und die Petronas-​Zwillingstürme in Kuala Lumpur. Das Risiko dieser Extremsportart ist nicht von der Hand zu weisen und für Außenstehende oft nicht zu begreifen. Es wird schon länger darüber diskutiert, die Sprünge zu verbieten. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/17 ab Seite 66.

Nadine Hofmann, Redaktion

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