Mann im Sand © Nastco / iStock / Getty Images
© Nastco / iStock / Getty Images

Psychologie in der Apotheke

AKZEPTANZ VON KRISEN

Wer mit einem Schicksalsschlag konfrontiert ist, wünscht sich meist, das Ereignis wäre nicht geschehen. Allerdings erfordern die Situationen eine Haltung der Akzeptanz, um den Fokus auf vorhandene Handlungsmöglichkeiten zu richten.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Das darf einfach nicht wahr sein. Ich kriege die Krise – diese Floskeln gehen vielen Menschen durch den Kopf, wenn sie sich über irgendetwas ärgern oder beunruhigt sind, doch glücklicherweise ruft nicht jede Aufregung gleich eine Krise hervor. Kritisch wird es erst, wenn der innere Gleichgewichtszustand gestört ist und Anpassungsvorgänge notwendig sind. Für viele Personen sind Beziehungsprobleme, Kündigungen, Enttäuschungen durch Freunde, das Auftreten von Krankheiten oder ein schwerwiegender Verlust wie der Tod eines nahestehenden Angehörigen außergewöhnlich belastend. Der Bruch in der Normalität des Alltags kommt zudem oft unerwartet, was die Situation für Betroffene nicht einfacher macht. An dieser Stelle sind Problemlösestrategien notwendig, um den seelischen Gleichgewichtszustand wiederherzustellen.

Annehmen, was sich nicht ändern lässt Die meisten Menschen reagieren auf die negative Lage zunächst mit Jammern, Widerstand oder Kampf. Es ist völlig normal, Kummer, Schmerz und anderen unangenehmen Gefühlen mit allen Mitteln ausweichen zu wollen. Die Achterbahnen des Lebens zu akzeptieren, wie sie sind, ist ungewohnt und gelingt nicht ohne weiteres, denn die Gesellschaft ist darauf ausgerichtet, die Kontrolle zu bewahren und Probleme zu lösen. Aber gerade die Akzeptanz würde zu einer Entlastung führen und den Verlauf von Krisen positiv beeinflussen, wie zahlreiche Untersuchungen bestätigen.

„Wenn man nicht annimmt, kann man nicht ändern.“ – so lautet ein Zitat des berühmten Schweizer Psychiaters und Begründers der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung. Der erste Schritt zur Überwindung einer Krise besteht demnach darin, die Schwierigkeit zu akzeptieren. Betroffene sollten jedoch wissen, dass Gefühle der Trauer, Angst, Wut und Enttäuschung auch ihre Berechtigung haben und die Verdrängung der Emotionen Schaden anrichtet. Machen Sie Ihren Kunden klar, dass es Zeit braucht, sich mit einer neuen, herausfordernden Situation abzufinden. Kritisch wird es erst, wenn es langfristig nicht gelingt, die Krise anzunehmen und sich dauerhaft ein negatives Gedankenkarussell bis hin zur Verbitterung einstellt.

Realistische Betrachtung Akzeptanz ist ein komplexer Prozess, der nicht willentlich herbeizuführen ist. Er beinhaltet einen realistischen Blick auf die Situation sowie die Unterscheidung von Dingen, die man ändern oder eben nicht ändern kann. Menschen können ihre Sorgen nicht auf Knopfdruck einfach loslassen oder ihre Einstellung zu dem vorhandenen Problem plötzlich umstellen. Der erste Schritt besteht darin, die unangenehmen Gefühle zu akzeptieren und bewusst zuzulassen. Emotionen zu unterdrücken, indem man sie beispielsweise im Alkohol ertränkt oder nach Enttäuschungen Konflikte mit den Mitmenschen anzettelt, gehen mit negativen Konsequenzen wie Lebenskrisen oder psychischen Problemen einher. In einer Metastudie von Chawla und Ostafin zeigte sich, dass die Unterdrückung von Gefühlen den jeweiligen Leidensdruck erhöht. Grund dafür könnte der sogenannte Rebound-Effekt sein, der besagt, dass nicht ausgelebte Emotionen in höherer Intensität wiederkehren.

Verlauf einer Krise Die Bewältigung einer Krise besteht aus verschiedenen Phasen: Anfangs befinden sich Betroffene aufgrund der Konfrontation mit dem problematischen Ereignis in einem Stadium der Verleugnung und der Abwehr – sie wollen nicht wahrhaben, was passiert ist. In der folgenden Phase kommen verschiedene Emotionen wie Wut, Angst, Unsicherheit oder Selbstzweifel auf, wobei Menschen oftmals meinen, sie könnten die Belastung nicht bewältigen. Im weiteren Prozess wird versucht, die Gefühle, mitunter auch auf selbstschädigende Art und Weise (etwa durch Alkoholkonsum), zu kontrollieren. Bei positiven Strategien gelingt es schließlich, die Situation zu verkraften und die innere Balance wiederherzustellen, während bei der Anwendung von dysfunktionalen Methoden ein Rückzug oder ein psychischer Zusammenbruch droht.

Tipps für Ihre Kunden Stellen Sie im Beratungsgespräch fest, dass Kunden in einer Lebenskrise stecken, können Sie ihnen erste Ratschläge geben. Zunächst sollten sie sich darüber klar werden, dass das Ereignis unabänderlich ist. Am besten machen sich Betroffene ein Bild davon, was die Situation für das eigene Leben bedeutet und richten dabei den Blick in die Zukunft. Einige Menschen beruhigt der Gedanke, dass es auch andere Personen gibt, die sich in der gleichen, misslichen Lage befinden.

Unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Suche nach eigenen Ressourcen und Handlungsoptionen und helfen ihnen dabei, trotz aller Schwierigkeiten das Positive zu betrachten (Trotz der Situation geht es mir relativ gut, denn…..). Das Beste aus der Situation zu machen und an die eigenen Stärken zu glauben, ist eine gute Basis für die Schritte hinaus aus der Krise. Selbstverständlich sollten sich Betroffene um psychologische Hilfe bemühen, wenn es ihnen nicht gelingt, ihre Probleme ohne professionelle Unterstützung zu bewältigen.

ACT Die sogenannte Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) stellt verschiedene Methoden bereit, mit denen Menschen Akzeptanz erlernen können, sodass es ihnen gelingt, negative Gefühle und Erfahrungen anzunehmen. Mit der Technik der kognitiven Diffusion versucht man beispielsweise, den Einfluss bedrohlicher Gedanken zu verändern, indem man die Sorgen, Ängste oder negativen Gefühle einfach in einer Melodie vor sich hin singt oder so oft wiederholt, bis ihre quälende Bedeutung abschwächt.

Sich die Frage zu stellen „Was würde ich tun, wenn ich zur Akzeptanz fähig wäre?“ veranlasst Betroffene, über diese Frage nachzudenken und neue Umgangsmöglichkeiten zu entwickeln – daher ist der innere Dialog mitunter sehr sinnvoll. Ein weiteres Vorgehen in der ACT besteht darin, sich in der Vorstellung selbst zu trösten, wie man es bei guten Freunden, Angehörigen oder bei Kindern tun würde. Mit diesen Bildern vor Augen gelingt es den meisten Personen oft besser, ihren Schmerz anzunehmen und zu ertragen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/18 ab Seite 100.

Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin

Psychologie in der Apotheke

In der neuen Serie, die einmal monatlich in unserer Zeitschrift „Die PTA in der Apotheke“ erscheint, betrachten wir psychologische Fragen, die für den einen oder anderen Menschen im Laufe des Lebens relevant werden. Als wichtige Ansprechpartner für die Bevölkerung beraten PTA und Apotheker Kunden oft nicht nur hinsichtlich ihrer Medikation, sondern werden immer häufiger auch mit individuellen Problemen, Krisen und Konflikten konfrontiert. In den folgenden Ausgaben erwarten Sie daher unter anderem Informationen zu den Themen Mobbing, Trennung, Stalking, Flugangst oder Gewalt in Partnerschaften.

×