Rund 4,7 Millionen Liter Blut werden jährlich für eine Transfusion benötigt. © LightFieldStudios / iStock / Getty Images Plus

Blut | Medizin

LEBENSRETTER TRANSFUSION: MUSS ICH ANGST VOR FREMDEM BLUT HABEN?

Fremdes Blut kann Leben retten. Risiken gibt es dabei zwar - doch die sind überschaubar. Und Alternativen existieren kaum. Unsichere Patienten sollten aber ruhig nachfragen, sagen Experten.

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Blut versorgt den Körper mit Sauerstoff. Geht bei einem schweren Unfall oder einer großen Operation zu viel Blut verloren, ist das lebensgefährlich. Hier kommen Blutkonserven zum Einsatz. Längst ist das nicht mehr das Vollblut anderer Menschen, sondern nur ein Teil davon: Erythrozyten etwa, also die roten Blutkörperchen, Thrombozyten, also Blutplättchen, oder Blutplasma, die zellfreie Blutflüssigkeit.

An die 4,7 Millionen Liter solcher Blutprodukte werden laut Professor Andreas Humpe pro Jahr in Deutschland transfundiert. Humpe ist Direktor der Abteilung für Transfusionsmedizin am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Neben Unfällen und Operationen gibt es noch einen weiteren typischen Grund für die Bluttransfusion, sagt er: «Das sind Patienten mit Krebserkrankungen, bei denen durch Chemotherapien irgendwann die Blutbildung nachlässt.»

Der Arzt entscheidet
Wann genau eine Bluttransfusion nötig wird, lässt sich nicht pauschal sagen. Aber es gibt Querschnittsleitlinien mit entsprechenden Grenzwerten, erklärt Kristina Hölig. «Unter einem solchen Grenzwert nimmt der Organismus häufig Schaden, wenn er keine Transfusion bekommt.» Hölig leitet den Bereich Transfusionsmedizin am Uniklinikum Dresden und ist Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Transfusionsmediziner.

Der behandelnde Arzt muss neben den Leitlinien immer den gesamten Menschen im Blick haben, sagt sie: «Ein 20-Jähriger mit gesundem Herz-Kreislauf-System kompensiert viel niedrigere Werte als ein 80-Jähriger, der schon gewisse Herzprobleme hat, Durchblutungsstörungen im Gehirn oder eine Lunge, die nicht mehr richtig funktioniert.»

Null geht immer
Ist eine Transfusion nötig, muss das fremde Blut auch zum Patienten passen. «Welche Blutgruppe hat mein Patient, und bringt er Bedingungen mit, dass ich ihm bestimmtes Blut nicht geben darf?», stellt Humpe die wesentlichen Fragen. Blutgruppe und Antikörper werden gecheckt, dann folgt eine Verträglichkeitsprobe.

«Das Ganze gilt nur dann nicht, wenn wir von einem akuten Notfall sprechen, bei dem es keinerlei Zeitverzögerung geben darf», sagt Humpe. Dann wird Blutgruppe 0 gegeben, die im Prinzip jeder verträgt, die Untersuchungen werden später nachgeholt.

Geringe Risiken - und strenge Regeln
Wie bei Medikamenten gibt es auch bei einer Bluttransfusion Risiken und Nebenwirkungen. Bei vielen Menschen ist die Angst vor möglichen Infektionen groß. Verbandschefin Hölig stuft die Gefahr allerdings als sehr gering ein. Dazu trägt nicht zuletzt das in Deutschland seit 1998 geltende Transfusionsgesetz bei: «Dort ist geregelt, wie man Blutkonserven herstellen und auch testen muss», erklärt Hölig. «Wenn man das nicht macht, macht man sich eindeutig strafbar.»

Ein weiteres Risiko sind immunologisch aktive Bestandteile der Blutprodukte, sagt die Expertin. Sie können bei der Übertragung auf einen anderen Patienten Reaktionen auslösen. Allerdings seien langfristige Auswirkungen auf das Immunsystem schwer objektiv überprüfbar. «Da sind die Daten sehr kontrovers», sagt auch Humpe. «Es sind potenzielle Risiken, aber die sind bis heute nicht hart bewiesen.»

Und auch ein Verwechslungsrisiko im Krankenhaus besteht. Bei all dem ist Humpe aber wichtig: «Am Ende des Tages muss man sagen, dass ohne Bluttransfusionen eine Vielzahl der Therapien, die wir dem Patienten heute anbieten können, nicht möglich wären.» Ihm fällt daher kein Grund ein, eine aus Arztsicht erforderliche Bluttransfusion als Patient abzulehnen.

Bei Angst beraten lassen
Trotzdem können Patienten die Transfusion verweigern, sagt Ruth Hecker, an der Uniklinik Essen für die Patientensicherheit zuständig und Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS). «Die Zeugen Jehovas lehnen das aus religiösen Gründen ab, aber natürlich kann jeder Patient sagen: «Das will ich nicht, weil ich Angst davor habe.»»

Bedenken können im Gespräch geklärt werden: «Wie zu einem operativen Eingriff bekommt man eine einzelne Aufklärung zum Thema Bluttransfusion. Auch nach einem Notfall muss man hinterher eine Sicherheitsaufklärung bekommen.»

Alternativen gibt es kaum. Eigenblutspenden wären eine davon - sie sind aber deutlich zurückgegangen. «Bei vielen Patienten ist das durch Begleiterkrankungen oder ein entsprechendes Alter gar nicht machbar, ohne sie zu gefährden», sagt Humpe. «Gewinne ich Eigenblut, verursache ich ja letztendlich eine Blutarmut bei dem Patienten. Er muss aber in einem bestimmten Zustand in die Operation hineingehen.»

Konsequentes Blut-Management
Stattdessen gehört die Rückgewinnung des eigenen Blutes bei einer Operation inzwischen zum Standard. Und auch das sogenannte Patient Blood Management (PBM) gewinnt an Bedeutung. Laut Humpe ist es aber keine Alternative zur Bluttransfusion, sondern eine Ergänzung.

«Man guckt sich den Patienten vor einer großen Operation an», erklärt Hecker das PBM. Typische Fragen dabei: «Was hat er für Erkrankungen, wie sind seine Blutwerte, was kann man tun, um diese zu verbessern, kann man ihm im Vorfeld etwa Eisen oder andere Präparate geben?» Außerdem wird ihm im Krankenhaus so wenig Blut wie möglich abgenommen.

Fragen möglichst vorher klären
Die APS-Chefin rät, vor einer Operation schon den Hausarzt zu fragen: «Wie ist mein Blut beschaffen, kann ich damit gut in eine OP gehen oder etwas unterstützen?» Ihn können Patienten auch nach Patient Blood Management fragen. Das Konzept kostet nämlich Zeit. Kliniken, die mit PBM werben, sind darauf aber vorbereitet: «Sie stellen dafür Sprechstunden und Ressourcen zur Verfügung«, so Hecker.

Bluttransfusionen nur einsetzen, wo sie wirklich nötig sind - da ist sich Verbandschefin Hölig mit den anderen Experten einig: «Nur dann, wenn Blut wirklich nottut, und nicht, damit es guttut.» Nicht zuletzt deshalb, weil das Blut von Spendern kommen muss. Und deren Zahl geht derzeit immer weiter zurück.

Quelle: dpa

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