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DNA-Tests

AHNENFORSCHUNG VIA DNA-ANALYSE

Woher stammen meine Vorfahren? Bin ich über zehn Ecken mit Angelina Jolie verwandt? Kommerzielle DNA-Tests können Antworten auf diese Fragen liefern. Doch wie sinnvoll sind sie für seriöse Genealogie?

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Sie heißen AncestryDNA, MyHeritage oder 23andME und werden immer beliebter – DNA-Tests, die Auskunft darüber geben sollen, woher die Vorfahren stammen und ob man vielleicht noch irgendwo Verwandte hat, von denen man nichts weiß. Den ersten dieser kommerziellen Tests bot das Unternehmen Family Tree DNA im Jahr 2000 in den USA an. Kein Wunder, denn in diesem Land, in das seit 500 Jahren Menschen aus der ganzen Welt einwandern, ist die geografische Abstammung besonders wichtig. Angesichts der globalen Migrationsbewegungen wird das aber auch für immer mehr Menschen weltweit interessanter. Dabei ist der erste Schritt in die eigene Vergangenheit denkbar einfach: Test-Kit bestellen, Speichelprobe oder Wangenabstrich nehmen, an ein Labor schicken und warten: Einige Wochen später ist das Ergebnis da. Doch Test ist nicht gleich Test. Mit welchem Anbieter man am besten fährt, hängt davon ab, was man erfahren und auch wieviel man ausgeben möchte: Die günstigsten Angebote liegen bei etwa 70 Euro.

Drei Formen der DNA Die DNA ist der Bauplan unseres Lebens. Jede unserer Zellen enthält einen knapp zwei Meter langen Faden des Moleküls, der in insgesamt 23 Chromosomenpaare, also 46 Chromosomen verpackt ist. Die DNA enthält rund 23 000 Gene, die für die Produktion aller unserer Proteine verantwortlich sind. Ihr jeweiliger Bauplan ergibt sich dabei aus der Abfolge der vier Nukleotid-Basen (Cytosin, Adenin, Thymin, Guanin), aus denen der DNA-Faden besteht. Zudem gibt es lange Abschnitte, deren Funktion noch weitgehend unklar ist. Jeder Mensch besitzt in der Regel 44 autosomale Chromosomen sowie zwei als X beziehungsweise Y bezeichnete Chromosomen, die das Geschlecht bestimmen. Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und das immer vom Vater ererbte Y-​Chromosom. Darüber hinaus findet sich in den Mitochondrien, den Kraftwerken jeder Zelle, noch eine kleine kreisförmige DNA. Diese mitochondriale DNA (mtDNA) wird immer über die Mitochondrien der mütterlichen Eizelle an die männlichen und weiblichen Nachkommen weitervererbt.

Sequenzen ohne Grenzen Für die gängigsten Tests wird die autosomale DNA verwendet. Mittels sogenannter Biochips wird dann bei einer Vielzahl von Genen untersucht, welche Basensequenzen an bestimmten definierten Stellen vorliegen. Nachdem diese Rohdaten ermittelt sind, können sie mit denen bereits in der Datenbank des Unternehmens vorhandenen Sequenzen verglichen werden. Im Wesentlichen vergleicht der Computer hierbei Stellen der DNA, an denen nur eine einzige Base unterschiedlich ist, die so genannten SNPs (single nucleotid polymorphisms). Solche Veränderungen gibt es bei jedem Menschen zu Tausenden, wobei die Häufung bestimmter SNPs kennzeichnend für bestimmte ethnische Gruppen ist. In der Regel zeigt jede Untersuchung die Herkunft aus mehreren solcher Gruppen an, wobei einige Ethnien dominieren.

Um eine prozentuale Schätzung der Abstammung von den verschiedenen Gruppen abgeben zu können, arbeiten die Firmen mit einer Einteilung in geografische Regionen wie etwa Skandinavien oder Mitteleuropa, wobei manche sogar Migrationsbewegungen anzeigen. Für die Einteilung der Regionen hat jedoch jeder Anbieter ein anderes System, auch die Anzahl der Regionen, die in den Datenbanken aufgeführt sind, schwankt stark. Daher können die Ergebnisse derselben Rohdaten bei unterschiedlichen Anbietern sehr voneinander abweichen. Je feiner die Regionen eingeteilt sind und je mehr Daten dazu vorliegen, desto genauer fällt die Schätzung der biogeografischen Herkunft aus. Aber: Es bleibt eine Schätzung, die wissenschaftlich nur begrenzt belastbar ist.

Oh Brother, where art thou? Ein Test der autosomalen DNA ist auch Mittel der Wahl, um bisher unbekannte Verwandte ausfindig zu machen, da sie sowohl die Information der mütterlichen als auch der väterlichen Seite enthält. Da es bei ihr im Lauf der Zeit allerdings relativ rasch zu sehr vielen SNPs kommt, verwässern die Gemeinsamkeiten der DNA über die Generationen immer mehr: Zudem erhalten wir von den Großeltern nur ein Viertel und von den Urgroßeltern nur noch ein Achtel unserer DNA, sodass bei weiter entfernten Verwandtschaftsbeziehungen wie etwa einem Cousin vierten Grades unter Umständen keine Übereinstimmungen mehr nachweisbar sind. Wer weiter in die Vergangenheit gehen möchte, ist auf eine Testung der SNPs des Y-Chromosoms oder der mitochondrialen DNA angewiesen, die sich weniger rasch verändern. Mittels Y-Chromosom können allerdings nur Männer die väterliche Linie weiter zurückverfolgen, während sich die mito- chondriale DNA für beide Geschlechter eignet, um die mütterliche Linie weiter zurückverfolgen.

Leibliche Eltern gesucht Besonders interessant ist eine DNA-Analyse für adoptierte Kinder, die ihre leiblichen Eltern nicht kennen. Sucht man nach beiden Eltern, oder als Frau nach dem Vater, muss die autosomale DNA getestet werden. Eltern des gleichen Geschlechts können hingegen auch über Y- oder mtDNA ermittelt werden. Voraussetzung ist natürlich immer, dass die leiblichen Eltern auch in die Datenbank des Anbieters eingepflegt sind. Auch da gilt: work in progress. AncestryDNA zum Beispiel hat mittlerweile bereits 10 Millionen Kunden und damit die größte Datenbank aller Anbieter. Doch auch bei den Mitbewerbern wächst das Datenvolumen ständig.

Du bist nicht mein Kind! Datenschützer sehen noch andere Gefahren durch den Boom der DNA-Tests. So konnten früher beispielsweise nur Ärzte Vaterschaftstests durchführen, was nun jeder Privatperson möglich ist. Dabei werden zwei Varianten angeboten: Der Vaterschaftstest für den eigenen „Seelenfrieden“, und der Vaterschaftstest, der sogar vor einem Gericht Bestand hat, weil er von einem Arzt oder jemandem, der einen medizinischen Beruf ausübt, in zweiter Instanz geprüft wurde. Kaum vorstellbar, wie viele Männer nun womöglich heimlich überprüfen lassen, ob ihr Kind wirklich von ihnen stammt.

Datenschutzrechtlich bedenklich Last but not least bestehen erhebliche juristische Fallstricke. So gehen wir für jede unautorisierte Verwendung unserer Daten auf die Barrikaden, geben hier aber mit unserer Erbsubstanz das Urpersönlichste preis. Auf den Internet- seiten der Anbieter steht zwar, dass die Informationen vertraulich behandelt werden. Aber viele der Anbieter sitzen in den USA, MyHeritage in Israel. Auch die Labors sind im Ausland. Das Netzwerk Datenschutzexpertise hat den US-​amerikanischen Anbieter AncestryDNA im November 2018 näher untersucht, als dieser offiziell seine Geschäftstätigkeit in Deutschland startete.

Das Netzwerk stellte fest, dass AncestryDNA sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einräumte, die erworbenen Daten an „mitwirkende Partner“ und „Forschungspartner“ weitergeben zu dürfen – sie also möglicherweise kommerziell nutzt. Wer daher einen DNA-Test macht, nur um seiner Neugierde nachzugeben, sollte sich des Risikos bewusst sein, damit ein großes Stück seiner Privatsphäre aufzugeben.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/19 ab Seite 26.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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