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Bruxismus

ZUGESCHNAPPT!

Vor allem im Schlaf tun es viele Menschen unbewusst: Sie beißen oder reiben die Zähne so fest aufeinander, dass es dadurch zu Zahnschäden und Muskelschmerzen kommt.

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Beiß die Zähne zusammen! – in vielen Lebenslagen kann dieser Rat sicherlich hilfreich sein. Doch manche Menschen nehmen ihn allzu wörtlich: Sie pressen oder reiben die Ober- und Unterkieferzähne fest aufeinander und knirschen mit den Zähnen. Geschieht dies unbewusst im Schlaf, sprechen Mediziner von nächtlichem Zähneknirschen oder Schlafbruxismus. Davon unterscheidet sich das Zähneknirschen am Tag, das als Wachbruxismus bezeichnet wird.

Bruxismus gehört zu den sogenannten Parafunktionen. Das sind Aktivitäten des Kausystems, die keinem funktionellen Zweck, wie dem Zerkleinern von Nahrung oder dem Schlucken, dienen. Kinder, aber auch Erwachsene knirschen mit den Zähnen, Frauen häufiger als Männer.

Häufiger Übeltäter: Stress Mögliche Ursachen für Bruxismus gibt es viele: Naheliegend ist der Zusammenhang zwischen Stress und nächtlichem Zähneknirschen. Redewendungen wie „sich an etwas festbeißen“ oder „sich in eine Sache verbeißen“ veranschaulichen gut, in welch engem Zusammenhang Alltagsbelastung und -Aktivität des Kauapparates stehen.

Doch längst nicht immer sind Termindruck, Seelenkummer & Co. für das Problem verantwortlich: Auch Atmungsstörungen während des Schlafs, psychische und neurologische Erkrankungen wie beispielsweise Angststörungen und Multiple Sklerose, der Konsum von Alkohol und Koffein sowie die Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. selektive Serotonin-Wiederaufnahme- Hemmer) können mit Zähneknirschen einhergehen. Darüber hinaus sind auch Störungen beim Zusammenbiss der Kiefer, etwa durch Zahnfehlstellungen, mögliche Ursachen für Bruxismus.

Liegt dem Zähneknirschen keine eindeutige Ursache zugrunde, sprechen Mediziner von primärem Bruxismus. Der sekundäre Bruxismus tritt infolge bestimmter neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen auf. Und beim sogenannten iatrogenen Bruxismus hat das Zähneknirschen seine Ursache in der Einnahme von Medikamenten oder Substanzen, welche die Psyche und das Bewusstsein beeinflussen.

Druck mit Folgen Doch unabhängig von den individuellen Ursachen sollte man Bruxismus grundsätzlich nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn beim Knirschen und Pressen entsteht ein enormer Druck, der bis zu 480 Kilogramm pro Quadratzentimeter betragen kann. Das entspricht dem Zehnfachen des gewöhnlichen Drucks, der beim Kauen entsteht. Von selbst versteht sich, dass dieser enorme Kraftakt Zähnen und Kiefer nicht gut tut.

SCHÜTZENDE SCHIENEN
Um das Gebiss vor weiterer Schädigung zu bewahren, kann der Zahnarzt eine Aufbissschiene (Okklusionsschiene) anfertigen. Entsprechende Kunststoffschienen, die es in unterschiedlichen Ausführungen gibt, schützen die Zahnreihen und verhindern, dass die Zähne beim nächtlichen Pressen und Reiben weiter abschleifen. Eventuell ist es erforderlich, die Aufbissschiene nicht nur in der Nacht, sondern auch am Tag zu tragen. Die Okklusionsschiene kann dramatischeren Schäden im Kiefer häufig effektiv entgegenwirken. Wird sie jedoch nicht mehr getragen, kann sich das Zähneknirschen wieder verstärken. Und: Trotz ihres therapeutischen Nutzens können Aufbissschienen das Problem nur lindern, ursächlich beheben aber nicht. Deshalb ist es immer auch sinnvoll, nach den Auslösern des Bruxismus zu forschen und, falls möglich, Abhilfe zu schaffen.

Wer die Zähne heftig und regelmäßig aufeinander presst oder reibt, riskiert unter anderem Schäden am Zahnschmelz und Zahnhalteapparat. Häufig kommt es zu Schliffflächen, kleinen Schmelzrissen und Frakturen der Zahnhartsubstanz. Möglicherweise bildet sich auf Dauer das Zahnfleisch zurück. Zähneknirschen kann auch dazu führen, dass sich die Kaumuskulatur vergrößert und sich schmerzhafte Verhärtungen entwickeln. Und auch an den Kiefergelenken können durch den Dauerdruck Veränderungen entstehen.

Häufige Folgen sind zudem Muskelverspannungen, die Schmerzen in der Kaumuskulatur hervorrufen. Aber auch schwere Schmerzsyndrome im Kopf und Nacken sowie Ohrgeräusche (Tinnitus) sind möglich. Nächtliche Knirscher klagen häufig morgens nach dem Aufwachen über Schmerzen an den Zähnen, im Kiefer und über eine schmerzende Gesichtsmuskulatur. Kommt es durch das Zähneknirschen neben Schmerzen auch zu Funktionseinschränkungen der Kieferbewegung, sprechen Mediziner von craniomandibulärer Dysfunktion, kurz CMD.

Folgeschäden an Zähnen, Zahnhalteapparat & Co. verhindern können Zähneknirscher, die möglichst frühzeitig den Zahnarzt aufsuchen. Unbedingt zum Arzt gehen sollten alle, die bemerken, dass sie ihre Zähne tagsüber häufiger fest aufeinander pressen oder knirschen, beispielsweise beim konzentrierten Arbeiten oder unter Stress. Aber auch den dezenten Hinweis des Partners auf nächtliches Zähneknirschen sollten Betroffene nicht ignorieren, sondern zum Arzt gehen.

Anhand charakteristischer Symptome am Gebiss – wie glatt polierten Zahnflächen, abgewetzten Zahnkronen, Aussprengungen von Zahnhartsubstanz an den Zahnhälsen und Schneidekanten oder einer druckempfindlichen Kaumuskulatur – kann der Zahnarzt die Diagnose „Bruxismus“ häufig rasch stellen.

Ursächlich gegensteuern Beim Wachbruxismus ist es wichtig, dass Betroffene für die Problematik sensibilisiert werden und künftig bewusst darauf achten, in welchen Situationen sie zum Knirschen und Zähnezusammenbeißen neigen. Dann können sie oft bewusst gegensteuern. Aber auch nächtliches Zähneknirschen muss kein dauerhaftes Schicksal bleiben. Viele Betroffene können von gezielten Entspannungstechniken profitieren, die beim Stressabbau helfen.

Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga und autogenes Training gehören zu den erfolgversprechenden Entspannungsmethoden. Unter Umständen sind auch Verhaltenstherapien oder andere psychotherapeutische Maßnahmen sinnvoll. Sind Substanzen wie Alkohol und Koffein, die anregend auf das zentrale Nervensystem wirken, für den Bruxismus mitverantwortlich, ist es vorteilhaft, den Konsum einzuschränken oder ganz darauf zu verzichten.

Wer aufgrund bestimmter Medikamente zum Zähneknirschen neigt, sollte mit dem Arzt besprechen, ob es Alternativen gibt. Gegen die schmerzhaft verspannte Kaumuskulatur helfen Maßnahmen wie Physiotherapie, Wärmebehandlung und Massagen. Falls erforderlich können darüber hinaus kurzzeitig Medikamente zur Schmerzreduktion und Muskelentspannung zum Einsatz kommen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 90.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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