DNA-Modell
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Seltene Erkrankungen A bis Z

XERODERMA PIGMENTOSA

Weil DNA-Reparatur-Mechanismen nicht funktionieren, sind bereits geringe Mengen UV-Strahlung für die Betroffenen extrem gefährlich. Verantwortlich sind Mutationen in bestimmten Genen.

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Normalerweise werden Schäden in der DNA, die etwa durch UVStrahlung oder chemische Substanzen entstehen, mithilfe der Nukleotidexzisionsreparatur (NER) sofort behoben. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus mit acht verschiedenen Enzymen. Bei Patienten mit Xeroderma pigmentosa verhindern ererbte Mutationen, dass diese Enzyme reibungslos funktionieren. Die Folge: Es häufen sich schnell zahlreiche Veränderungen in der DNA an. Sind Gene betroffen, die die Zellteilung steuern, entsteht Krebs. Um dies zu verhindern oder zumindest zu verzögern, müssen Betroffene das Sonnenlicht meiden. Die Xerdoderma pigmentosa gehört damit zu den sekundären Lichtbeziehungsweise Fotodermatosen. Weil sie eine genetische Ursache hat, wird sie auch den Genodermatosen zugeordnet. Mit einer Prävalenz von etwa 1:1 000 000 Einwohner ist sie in Europa und Nordamerika extrem selten. Etwas häufiger kommt sie in Japan und Afrika vor. Erstmals beschrieben wurde die Erkrankung im 19. Jahrhundert von dem Wiener Dermatologen Moriz Kaposi. Wegen der sehr trockenen und pigmentierten Haut der Patienten, wurde sie Xeroderma (xeros = griechisch für trocken) pigmentosa genannt. Gebräuchlich ist auch die Abkürzung XP.

Klinisches Bild Der Beginn der Krankheit liegt in den ersten Lebensjahren. Je nachdem, welches der Enzyme betroffen ist, kann sie bereits in den Tagen beziehungsweise Wochen nach der Geburt auftreten. Mehr als die Hälfte der Babys entwickelt einen schweren Sonnenbrand, der Wochen braucht, um wieder abzuheilen. Andere bekommen keinen Sonnenbrand, im Laufe der ersten beiden Lebensjahre aber immer mehr sommersprossenartige lentiginöse Veränderungen der Haut. Sie wird extrem trocken, es entwickeln sich hypo- und hyperpigmentierte Läsionen. Oftmals zeigen die Kinder eine Fotophobie. Im Vergleich zu Gesunden haben Patienten mit Xeroderma pigmentosa ein 2000-fach erhöhtes Risiko, an einem Melanom zu erkranken, bevor sie 20 Jahre alt werden. Für nicht-melanozytären Hautkrebs ist das Risiko sogar 10 000-fach erhöht. Je nach zugrunde liegender Mutation entwickeln sich bevorzugt spinozelluläre Karzinome, maligne Melanome, Basalzellkarzinome oder Sarkome. Auch das Risiko für Krebserkrankungen, die nicht die Haut betreffen, ist bei Patienten mit XP deutlich erhöht. Neben der Haut sind sehr häufig auch die Augen beteiligt. Die Hornhaut entzündet sich und trübt sich ein; es können sich Plattenepithelzellkarzinome und Melanome sowie nicht-kanzeröse Zellwucherungen bilden. Etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten mit XP zeigen neurologische Symptome, die sich vermutlich aufgrund einer Degeneration von Nervenzellen entwickeln: Typisch sind eine fortschreitende Schallempfindungsschwerhörigkeit, verminderte oder fehlende tiefe Sehnenreflexe, Sprech-, Gang- und Gleichgewichtsstörungen, Mikrozephalie und kognitive Störungen.

Mutationen Die Nukleotidexzisionsreparatur erkennt bei Gesunden Schäden in der DNA, entwindet an diesen Stellen die DNADoppelhelix, schneidet die fehlerhafte Stelle heraus und füllt sie mit der korrekten Sequenz auf. Dafür verantwortlich sind die Enzyme XPA, XP-C und XP-E (Schadenserkennung), XP-B und XP-D (Helicase; Entwindung der DNA), XP-G und XP-F (Schneiden der DNA). Mutationen in allen diesen Genen führen zu einem Funktionsverlust und in der Folge zu Xeroderma pigmentosa. Eine Sonderstellung nimmt die Polymerase POLH ein, bei der ebenfalls ein Fehlen zur Erkrankung führt. Sie ist aber nicht an der Nukleotidexzisionsreparatur beteiligt.

Behandlung und Management Die Diagnose erfolgt anhand der klinischen Symptome. Zusätzlich kommen zytologische Tests zum Einsatz. Xeroderma pigmentosa ist nicht heilbar. Patienten müssen Sonnenlichtexposition meiden. Dafür sollten alle Fenster im Haus, Auto und sonstigen Gebäuden/Räumen, in denen sich Patienten regelmäßig aufhalten, mit einem UV-abschirmenden Film beklebt werden. Falls Patienten bei Tageslicht das Haus verlassen, benötigen sie starke Sonnencreme und Lippenschutz, UV-protektive, lange Kleidung und eine UV-undurchlässige Gesichtsmaske. Alternativ können eine breite, der Gesichtsform angepasste Sonnenbrille, ein breitkrempiger Hut und/ oder ein Hoodie getragen werden. Essentiell sind regelmäßige Untersuchungen beim Dermatologen, sodass entstehende kanzeröse Läsionen frühzeitig erkannt und entfernt werden können. Dies gilt genauso für Augenärzte. Wenn durch die konsequente Sonnenvermeidung ein Vitamin- D-Mangel auftritt, muss dieser supplementiert werden. Zigarettenrauch und andere Kanzerogene in der Umwelt sind zu vermeiden. Wenn alle diese Maßnahmen streng eingehalten werden, haben Pateinten ohne neurologische Störungen eine gute Prognose. Allerdings schränken sie die Lebensqualität deutlich ein. Unterstützung kann eine Selbsthilfegruppe bieten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/17 ab Seite 98.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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