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Neue Serie: Viren & Bakterien – Teil 1

WINZIGE INVASOREN

Meist sind die Erreger auf bestimmte Wirte beziehungsweise Gewebe „spezialisiert“. Viele verfügen über eine enorme Anpassungsfähigkeit. Sie setzen Schäden durch spezielle Gifte oder sie kapern gleich ganze Zellen.

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Bakterien sind im Schnitt zwischen einem halben und einem Mikrometer dick und bis zu fünf lang, bei erheblichen Abweichungen nach oben wie unten. Auch die Formenvielfalt ist groß: von stab- über kugel- bis korkenzieher- oder fadenförmig, nicht selten lagern sich Einzelorganismen zu Aggregaten zusammen, speziell wenn es etwa um das Überleben in ungünstigen Milieus geht.

Als kernlose Einzeller (Prokaryoten) sind die Mikroorganismen einfacher organisiert als Zellen mehrzelliger Lebewesen. Ihre DNA (Desoxyribonukleinsäure) liegt frei im Zytoplasma, meist zu einem Ring geschlossen. Daneben finden sich häufig kleinere DNA-Ringe, die Plasmide, die ebenfalls Gene enthalten.

Die große Mehrzahl der Bakterien kann nach ihrem Verhalten bei einer bestimmten Färbemethode einer von zwei Gruppen zugeordnet werden: bei den grampositiven Bakterien lässt sich im Gegensatz zu den gramnegativen die Farbe wegen einer anders aufgebauten Zellwand nicht mit Alkohol auswaschen. Diese Unterscheidung ist medizinisch relevant, da meist andere Antibiotika benötigt werden, um die jeweiligen Keime zu bekämpfen.

Die „guten“ und die „bösen“ In beziehungsweise auf unserem Körper hilft uns eine enorme Zahl an Bakterien dabei, krankmachende Arten abzuwehren. Es sind zehnmal mehr, als wir Zellen haben. Von der genaueren Erforschung der Zusammensetzung dieses „Mikrobioms“ erhofft man sich unter anderem ein besseres Verständnis etwa bestimmter Verdauungsstörungen.

Am anderen Ende des riesigen Spektrums der verschiedenen Bakterien befinden sich ihre pathogenen Vertreter. Sie schädigen den von ihnen infizierten Organismus durch ihre verschiedenen Endo- und Exotoxine. Gene auf Plasmiden können zum Beispiel Eiweiße kodieren, die dafür sorgen, dass die Bakterien unempfindlich gegenüber der Wirkung von Antibiotika sind. Solche Resistenz-Plasmide können zwischen Bakterien – auch verschiedener Arten! – übertragen werden.

URTIERCHEN
Immer wieder hört man von Protozoen oder von Erkrankungen, die durch sie übertragen werden. Aber was genau verbirgt sich hinter der Bezeichnung und worin besteht der Unterschied zu Bakterien? Die Einzahl ist Protozoon und das heißt Urtierchen – was darauf hindeutet, dass sie die ersten als tierisch angesehen Einzeller waren, die man fand. Im Grunde ist dies aber eine veraltete Bezeichnung, denn Einzeller werden heute ganz anders klassifiziert. Dennoch hat sich der Begriff Protozoen in der Medizin gehalten. Protozoen sind also einzellige Lebewesen. In ihrem Aufbau haben sie allerdings tatsächlich Gemeinsamkeiten mit tierischen Zellen, die den Bakterien fehlen. Protozoen besitzen neben Zellorganellen, wie Mitochondrien und Golgi-Apparat, auch einen echten Zellkern, in dem von einer Doppelmembran umgeben, die DNA aufbewahrt wird. Dieser Zellkern fehlt den Bakterien.

Das heißt, Bakterien können nicht nur durch Mutationen resistent gegen Antibiotika werden, sondern auch durch den Austausch genetischer Information untereinander. Resistenzen gegen Beta-Laktam-Antibiotika werden beispielsweise häufig über Plasmide weitergegeben; diese Ausbreitungsmöglichkeit wird unter anderem im Zusammenhang mit der Entstehung von Multiresistenzen als großes Problem gesehen.

Die Fähigkeit, Sporen – äußerst widerstandsfähige Dauerstadien – zu bilden, ermöglicht einigen Arten, darunter zum Beispiel dem Krankenhauskeim Clostridium difficile, über Jahre hinweg auch extremen Bedingungen (z. B. Hitze, Kälte oder aggressiven Substanzen) zu trotzen, bis die äußeren Gegebenheiten es wieder erlauben, aus der Ruheform in ein aktives Stadium überzugehen.

Extrazellulär nicht lebensfähig Nochmals erheblich kleiner (im Nanometer-Bereich) und einfacher aufgebaut sind die Viren. Direkt sichtbar machen konnte man sie erst nach Entwicklung des Elektronenmikroskops in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie weisen weder Zytoplasma, noch einen Kern oder andere Zellorganellen (wie Ribosomen oder Mitochondrien) auf und haben keinen eigenen Stoffwechsel, noch können sie sich selbständig replizieren, also vermehren.

Das heißt, ihnen fehlen die wesentlichen Merkmale eines Lebewesens. Insofern spricht man statt von Mikroorganismen besser von infektiösen Partikeln. Im Wesentlichen bestehen sie aus Nukleinsäure, die meist von einem Gebilde aus regelmäßig angeordneten Proteinen (Kapsid) umschlossen ist. Diese Verpackungsstruktur kann vielfältige geometrische Formen haben. Die Nukleinsäure liegt je nach Virusart als Ribonukleinsäure (RNA) oder Desoxy-Ribonukleinsäure (DNA) vor, einzel- oder doppelsträngig. Sie enthält die Information für die verschiedenen Bauteile des Virus, die dieses allein jedoch nicht abrufen kann.

Es bedient sich stattdessen eines genialen „Tricks“, um sich zu vermehren: Es nutzt einfach die „Werkzeuge“ seiner Wirtszelle. Ist die virale Nukleinsäure erst einmal in die Zelle geschleust, machen die dort vorhandenen Strukturen zur Vervielfältigung der DNA und zur Proteinsynthese das, was sie immer mit diesen Makromolekülen machen: Sie duplizieren die Nukleinsäure – in diesem Fall die des Virus – und sie bauen Proteine, also auch die spezifisch viralen Eiweiße. Es kommt zur Umprogrammierung des Wirtsstoffwechsels, wodurch schließlich bevorzugt die Virus-Produkte synthetisiert werden.

Daraus fügen sich dann neue Viruspartikel zusammen. Diese verlassen die infizierte Zelle, beispielsweise indem sie diese zerstören (Zell-Lyse). Oder sie veranlassen, dass sich kleine Teile der Zellmembran nach außen stülpen und schließlich - mit dem Virus im Innern – abschnüren (engl.: „budding“, also „Ausknospen“). Letzteres ist einer der Wege, über die sich verschiedene Virusarten eine zusätzliche Hülle aus einer Lipid-Doppelmembran zulegen.

Behüllte und nackte Viren Diese Spezies bezeichnet man als „behüllte“ Viren (z. B. Influenzaviren, HIV), im Unterschied zu den „nackten“. Das Vorhandensein einer Hülle erleichtert es Viren, ihre Oberfläche zu verändern und damit der Immunabwehr zu entkommen. Andererseits kann die Hülle durch fettlösende Alkohole, andere organische Lösemittel oder Detergenzien leicht zerstört werden, was diese Viren ihrer Infektiosität beraubt. Sie lassen sich somit – anders als unbehüllte – einfacher inaktivieren. Viren mit Hülle sind auch gegenüber thermischen und anderen Umwelteinflüssen wie Trockenheit weniger stabil.

Verschiedene Virus-Arten schädigen Organismen auf verschiedenste Weise. Neben der beschriebenen Auflösung der Zelle kann beispielsweise die zelleigene Proteinsynthese zum Erliegen kommen oder die Zell- DNS wird abgebaut oder die Zellmembran verändert, was sich auf deren Permeabilität auswirkt.

Es gibt auch persistierende Infektionen ohne zytopathischen Effekt, das heißt, ohne gravierenden Zellschaden. In diesem Fall vermehren sich die Viren in „ihren“ Zellen kontinuierlich auf niedrigem Niveau weiter; die betroffenen Menschen (Träger) haben keine Symptome, können die Viren aber übertragen. Ein Beispiel dafür ist eine Verlaufsform der chronischen Hepatitis, die klinisch nicht in Erscheinung tritt, jedoch ansteckend ist.

»Eine enorme Zahl an Bakterien hilft unserem Körper dabei, krankmachende Arten abzuwehren.«

Bei latenten Infektionen bleibt das Virus „ruhend“ im Wirtsorganismus und wird erst durch bestimmte Stimuli reaktiviert, wie man das etwa vom Herpes-simplex-Virus kennt. Eine besonders schwere Folge einer Virusinfektion ist die Transformation gesunder Zellen in Tumorzellen durch die Veränderung des Wachstumsverhaltens im Sinne einer unkontrollierten Teilung, wie dies bei einigen humanen Papillomaviren passieren kann.

Kleiner Exkurs Die Wirkung von Antibiotika unterteilt man in bakteriostatisch und bakterizid. Wovon hängt es ab, ob der Wirkstoff die Bakterien nur in ihrer Vermehrung hemmt oder komplett abtötet? Ein Bakterizid bringt die Bakterien um. Bakteriostatika haben lediglich eine das Wachstum hemmende Wirkung. Vorweg lässt sich allerdings gleich sagen, dass die Abgrenzung beider Begriffe nicht sehr scharf ist, denn es hängt auch ein wenig von der Dosierung ab, was der Arzneistoff in der Bakterienzelle anrichtet.

Hohe intrazelluläre Konzentrationen eines Bakteriostatikums wirken häufig bakterizid, während niedrige Bakterizidkonzentrationen nur einen bakteriostatischen Effekt haben können. Antibiotika greifen je nach Substanzgruppe an verschiedenen Stellen bei Bakterien an. Beta-Lactam-Antibiotika, wie die Penicilline oder Cephalosporine, behindern die Zellwandsynthese, während Gyrasehemmer und Nitrofurane die Struktur und damit auch die Funktion der DNA verändern. Dadurch werden ein weiteres Wachstum und die Teilung der Bakterienzellen verhindert.

Sulfonamide und Trimethoprim greifen in den Folsäuremetabolismus ein und blockieren damit bestimmte Stoffwechselwege. Aminoglykoside, Tetrazykline und Makrolide, wie Erythromycin, hemmen die Proteinsynthese. So binden die Tetrazykline beispielsweise an die Ribosomen und fungieren als Translationshemmer, wodurch Proteine und damit auch wichtige Enzyme nicht mehr im notwendigen Maße gebildet werden können.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/15 ab Seite 94.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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