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Kreuzbandriss

WENN ES REISST

Eine Kreuzbandruptur ist die häufigste klinische Erkrankung des Kniegelenks. Oft ist auch der Meniskus mit betroffen. Die Therapie ist langwierig und nicht immer von Erfolg gekrönt.

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Knochen, Muskeln, Sehnen und Bänder bilden zusammen unseren Bewegungsapparat. Dabei geben die Knochen die stabile Grundstruktur vor, die Muskeln ermöglichen die Bewegung. Knochen und Muskeln sind durch Sehnen verbunden, die Knochen untereinander durch Bänder. Deren bindegewebsartige Faserstruktur erlaubt eine flexible, aber sinnvoll eingeschränkte Bewegung.

Schwerstarbeit Das Kniegelenk muss große Kräfte aushalten, ein Sprung nach unten belastet es zum Beispiel mit dem 24-fachen des Körpergewichts. Daher ist das Knie eines der krankheitsanfälligsten Gelenke unseres Körpers. Dazu trägt auch eine weitere anatomische Besonderheit bei, denn es besteht aus mehreren knöchernen Strukturen.

Dabei lastet die Auflage des größeren Oberschenkelknochens auf zwei kleineren: Schienbein und Kniescheibe, was das Kniegelenk ebenfalls einer großen Belastung aussetzt. Zudem fehlt ihm dadurch die Passgenauigkeit, die zum Beispiel ein Kugelgelenk hat. Diese fehlende Passgenauigkeit wird durch zwei scheibenförmige Knorpel im Gelenk, die Menisken, ausgeglichen.

Das Kniegelenk ist ein Dreh-Scharniergelenk; seine Stabilität garantieren Sehnen und verschiedene Bänder: Innen- und Außenband sowie vorderes und hinteres Kreuzband, die sich im Zentrum des Gelenks kreuzartig überschneiden. Diese Bänder halten das Kniegelenk stabil, verhindern eine Überstreckung des Unterschenkels in beide Richtungen und begrenzen die Drehbewegung des Gelenks.

Bei einer Rotation des Unterschenkels nach innen verschrauben sich die Kreuzbänder und werden so angespannt, bei einer Außendrehbewegung entspannen sie sich wieder. Angespannte Bänder sind wichtig für die Gelenkstabilität, da sie Kräfte, wie zum Beispiel durch einen Aufprall, an den Bewegungsapparat weiterleiten und so Verletzungen vermeiden können.

Vorderes Kreuzband reißt zehn Mal häufiger Als Kreuzbandriss bezeichnet man eine teilweise oder vollständige Ruptur eines oder beider Kreuzbänder. Dazu kommt es, wenn das Band so stark gedehnt wird, dass es der Belastung nicht mehr standhält. Am häufigsten reißt dabei das vordere Kreuzband, meist bei sportlicher Betätigung. Gerade „stop-and-go“-Sportarten wie Tennis oder Squash weisen ein erhöhtes Risiko auf, denn dort kommt es vermehrt zu gleichzeitigen Beuge- und Drehbewegungen durch schnelle Richtungswechsel.

Aber auch bei anderen Sportarten, wie Fußball oder Skifahren, ist das Verletzungsrisiko hoch. Seltener reißt das hintere Kreuzband, dieses geschieht meist durch äußere Gewalteinwirkung, wie bei einem Autounfall, wo der Betroffene mit gebeugtem Knie sitzt, und die Kräfte von hinten auf ein entspanntes hinteres Kreuzband wirken. Häufig wird bei einem Kreuzbandriss auch der Meniskus in Mitleidenschaft gezogen, denn dieser ist mit dem Innenband verwachsen und kann extremer Krafteinwirkung daher nicht ausweichen.

Hörbares Problem Ein Band reißt meist mit einem hörbaren kurzen Knall, verbunden mit einem stechenden Schmerz. Danach bemerken die Betroffenen sofort, dass ihr Kniegelenk instabil ist. Ist das vordere Kreuzband gerissen, verschiebt sich der Oberschenkelknochen nach vorne. Dazu kommt eine starke Hämatombildung, das Knie schwillt an und verfärbt sich. Wenn es sich „nur“ um einen isolierten vorderen Kreuzbandriss handelt, klingen die Symptome nach einer Woche wieder ab.

Doch in 80 Prozent der Fälle sind weitere Strukturen beteiligt. So reißt in 42 Prozent der Fälle auch der Innenmeniskus und in 62 Prozent wird zusätzlich der Außenmeniskus geschädigt. Außerdem können noch Innen- und Außenbänder angerissen oder gerissen sein.

Häufige Fehldiagnosen Erstaunlicherweise werden Kreuzbandrisse häufig als Meniskusriss oder Verstauchungen fehldiagnostiziert. Das kommt daher, dass bei Anrissen oder isolierten Rupturen die Stabilität durch gut trainierte umgebende Muskeln noch weitgehend gegeben sein kann. Außerdem erschwert die Gelenkschwellung häufig eine manuelle Untersuchung. So kann der „Schubladen-Test“ negativ ausfallen.

Auch die bildgebenden Verfahren sind nicht zuverlässig – die MRT weist bei Kreuzbandrissen eine Fehlerquote von 20 Prozent auf. Die einzig sichere Diagnosemethode ist die Gelenkspiegelung, die minimal-invasiv praktiziert wird. Da eine Operation meist ebenfalls mittels Arthroskopie erfolgt, kann nach positiver Diagnose die operative Wiederherstellung des Kreuzbandes anschließend direkt mit durchgeführt werden.

Therapie nötig Im Gegensatz zu anderen Bändern verheilt das Kreuzband nicht durch Vernarbung. Die Verletzung sowie die Instabilität bleiben bestehen. Das bedeutet, dass die anderen Bänder, Sehnen und Menisken dies kompensieren müssen, was zur vorzeitigen Abnutzung des Gelenks führt. Tatsächlich sind Arthrosen als Spätfolgen eines Kreuzbandrisses sehr häufig, was eine präventive Therapie notwendig macht. Sie kann konservativ durchgeführt werden, indem man durch Physiotherapie die umgebenden Muskelgruppen stärkt, sodass sie das instabile Gelenk festigen, oder durch eine Operation.

Das einfache Zusammennähen des Kreuzbandes wird heute kaum noch durchgeführt, da hierbei die Häufigkeit eines erneuten Risses sehr hoch ist. Stattdessen rekonstruiert man das gesamte Kreuzband mit einer aus körpereigenem oder fremdem Gewebe geformten Kreuzbandplastik. Für fünf Wochen muss der Patient eine Knieorthese tragen, danach folgt Physiotherapie. Nach etwa sechs Monaten können die meisten Patienten wieder Sport treiben, die vollständige Heilung ist erst nach einem Jahr abgeschlossen.

Die Erfolgsrate bei der Kreuzbandplastik ist mit 90 Prozent sehr hoch, trotzdem birgt sie, wie jede Operation, ein gewisses Risiko. Daher muss individuell entschieden werden, welche Therapieform für den Betroffenen in Frage kommt. Rupturen des hinteren Kreuzbandes werden sehr selten operiert, da sie auf konventionelle Therapie sehr gut ansprechen.

Noch Zukunftsmusik Prinzipiell wären die Kreuzbänder in der Lage, von selbst zu verheilen, das wurde in Laborversuchen nachgewiesen. Warum das nicht passiert, ist noch unklar. Forscher arbeiten jedoch daran, die Zellen des Kreuzbandes zum Beispiel durch Wachstumsfaktoren so zu stimulieren, dass sie Kollagen produzieren und durch Vernarbung wieder zusammenwachsen („Tissue Engineering“). Experten rechnen jedoch damit, dass es bis zur klinischen Anwendung dieser Therapie noch mindestens zehn Jahre dauert.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/13 ab Seite 128.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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