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Medikamente

VORSICHT FROST!

Das Arzneimittel wurde über Nacht bei Minusgraden im Auto vergessen oder irrtümlich in den Kühlschrank getan – was können Sie Ihrem Kunden raten? Kann er es noch bedenkenlos verwenden?

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Gegenüber Feuchtigkeit, Licht und Temperatur sind Medikamente empfindlich. Dabei macht nicht nur direkte Sonnenbestrahlung den Arzneimitteln zu schaffen, auch eine zu kalte Lagerung kann ihre Wirksamkeit beeinträchtigen – vor allem Frost.

Hersteller gibt Lagerungshinweise Angaben zur korrekten Lagertemperatur sind Angaben des Herstellers, die er auf der Umverpackung des Arzneimittels und in der Packungsbeilage vermerkt. Diese Hinweise beruhen auf den von den Herstellern im Rahmen der Zulassung erhobenen und von den Behörden geprüften Daten zur Stabilität des betreffenden Arzneimittels. Entsprechend der Stabilitätsergebnisse garantiert der Hersteller die Sicherheit und Wirksamkeit seiner Produkte bis zum Verfalldatum – aber eben nur bei vorschriftsmäßiger Lagerung.

Im Normalfall Raumtemperatur Die meisten Arzneimittel sind bei Raumtemperatur lagerungsfähig, wobei hierbei in der Regel Temperaturen zwischen 15 und 25 °C verstanden werden. Auf der Packung finden wir dann entweder keinen Lagerungshinweis oder Angaben wie beispielsweise „Nicht über 25 °C lagern“. Da der Hersteller aber nicht grundsätzlich gesetzlich verpflichtet ist, eine Untergrenze für die Lagertemperatur anzuzeigen, können wir nicht davon ausgehen, dass das Arzneimittel dann auch eine Lagerung im Kühlschrank oder gar im Gefrierfach verträgt.

ANZEICHEN FÜR VERDORBENE ARZNEIMITTEL
Nicht immer zeigen sich Frostschäden mit sichtbaren Veränderungen. So treten beispielsweise bei zu kühl gelagertem Insulin Ausflockungen, Schlierenbildung oder milchig-gelbliche Verfärbungen häufig erst nach langem Einfrieren auf. Generell können folgende Merkmale Hinweis auf eine Veränderung eines Arzneimittels sein: Verflüssigung, Verfärbung, Risse im Überzug, Haarrisse im Gefäß, Ausflockungen, Trübungen, aufgeblähte Verpackungen, Geruchsentwicklung oder Geschmacksveränderung.

Manchmal werden Medikamente zu lange bei eisigen Temperaturen transportiert oder sie landen fälschlicherweise im Kühlschrank oder sogar im Gefrierfach. Sei es, dass der Verwender den oft verbreiteten Tipp, Arzneimittel kühl zu lagern, mit einer Lagerung im Kühlschrank verwechselt. Oder, dass er mit der besonders kühlen Aufbewahrung eine verlängerte Haltbarkeit erzielen möchte.

Im Spezialfall Kühlschranklagerung Dies ist nur empfehlenswert, wenn es ausdrücklich vom Hersteller mit einem entsprechenden Hinweis angegeben ist. Oftmals ist die Aufbewahrung im Kühlschrank bei wasserhaltigen Topika, flüssigen (z. B. angerührte Antibiotikasäfte), oder injizierbaren Arzneiformen (z. B. Insulin) der Fall – aber nicht die Regel.

»Im Zweifelsfall sollte immer der Hersteller gefragt werden, ob ein Arzneimittel nach zu kühler Lagerung noch zu verwenden ist.«

So können beispielsweise Säfte bei kühlen Temperaturen ihren Geschmack verändern, Injektabilia nicht mehr schmerzfrei injizierbar sein, da die fein verteilten Wirkstoffteilchen zu großen Teilchen agglomerieren, oder Gele nach Kühlschranklagerung durch Auskristallisieren der Arzneistoffe unbrauchbar werden.

Problemfall: Irrtümlich eingefroren Es gibt auch Präparate, die normalerweise bei Raumtemperatur gelagert werden und dennoch eine versehentliche Aufbewahrung im Kühlschrank vertragen, nach Gefrieren aber nicht mehr verwendbar sind. Auch bei Kühlware führt Einfrieren fast immer zu Wirksamkeitsoder Qualitätsverlust. In der Regel müssen versehentlich eingefrorene Arzneimittel verworfen werden, da sich Wirkstoff und Galenik des Präparates durch die Minusgrade so verändern, dass weder Wirksamkeit noch Sicherheit weiter gewährleistet sind.

Beispiele für irreversible Frostschäden Adsorbatimpfstoffe sind endgültig geschädigt, da selbst kurzfristiges Einfrieren zu Antigenveränderungen und zu Ausflockungen führt. Neben verstärkten Lokalreaktionen ist eine verringerte Wirksamkeit die Folge, weshalb sie nicht mehr appliziert werden dürfen. Bei wirkstoffhaltigen transdermalen Pflastern kann ein Wirksamkeitsverlust durch Auskristallisieren des Arzneistoffs möglich sein.

PRAKTISCHE AUFBEWAHRUNGSTIPPS

Um Frostschäden zu vermeiden, sollten Sie Ihren Kunden folgende Aufbewahrungstipps mit auf den Weg geben:

+ Immer die Lagerungshinweise beachten! Eine vermeintlich gut gemeinte kühlere Lagerung als erforderlich tut nicht jedem Präparat gut!
+ Kühlware darf im Kühlschrank nicht die Rückwand berühren, da sie dort gefrieren kann.
+ Beim Transport von Kühlware in Kühltaschen oder Styroporbehältern ist ein Kontakt mit den Kühlakkus wegen der Gefahr des Gefrierens zu vermeiden.
+ Arzneimittel auf Flugreisen nicht zusammen mit dem Koffer abgeben, sondern immer im Handgepäck transportieren, da im Gepäckraum die Temperaturen meist unter 0 °C liegen.
+ Beim Aufenthalt im Freien bei tiefen Temperaturen (z. B. im Wintersport), Arzneimittel nicht in den Außentaschen der Jacke oder im Rucksack mit sich führen, sondern durch Tragen am Körper vor Frost schützen. Von diesem Tipp profitieren besonders insulinabhängige Diabetiker, die ihren Pen immer griffbereit mit sich tragen sollten.

Auch Hormonpräparate wie Insulin werden durch Einfrieren unbrauchbar. Nicht nur, dass das Peptidhormon bei Temperaturen unter 0 °C in kleine Proteinsequenzen zerfällt und damit seine Wirkung verliert. Zudem bilden sich feine Haarrisse in den Glasfläschchen, sodass das Lösungsmittel austreten und sich damit die Insulinkonzentration verändern kann. Darüber hinaus ist die Sterilität nicht mehr gewährleistet, da Keime ins Präparat eindringen können.

Im Zweifelsfall Hersteller fragen Grundsätzlich sollte nach zu kühler Lagerung immer der Hersteller um Rat gefragt werden. Im Einzelfall ist es auch möglich, dass ein Arzneimittel selbst nach Einfrieren noch unbedenklich angewendet werden kann. Beispielsweise können bestimmte Gele problemlos bei bis zu minus 20 °C lagern, ohne dass sie brechen oder der Wirkstoff auskristallisiert. Allerdings sind die Firmen oftmals zurückhaltend mit Angaben zur Wirksamkeit und Sicherheit nach irrtümlichem Einfrieren – sei es, da ihnen keine Daten vorliegen oder, weil sie mit deren Veröffentlichung aus Haftungsgründen zögern.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/13 ab Seite 54.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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