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Giftpflanzen

VIELBLÜTIGER WEISSWURZ

Alle Pflanzenteile der Vielblütigen Weißwurz sind durch Steroidsaponine toxisch. Zu Vergiftungen kommt es hauptsächlich durch die dekorativen Beeren.

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Polygonatum multiflorum ist in der gemäßigten Klimazone der nördlichen Halbkugel vor allem in Laubund Mischwäldern heimisch, weshalb sie auch den Namen Waldweißwurz trägt. Sie ist eine typische Waldstaude, die feuchte, schattige Lagen bevorzugt und vor allem auf lockerem, humus- und kalkhaltigem Lehmboden zu finden ist. Wenn der Waldboden frisch und nährstoffreich ist, kann sie Wuchshöhen von bis zu 60 Zentimetern erreichen.

Während die Vielblütige Weißwurz früher als Lilien- , später als Maiglöckchengewächs (Convallariaceae ) klassifiziert wurde, wird sie heute unter den Spargelgewächsen (Asparagaceae) eingeordnet.

Vielblütig und knotig Die Pflanze verdankt sowohl ihren deutschen Namen Weißwurz als auch den lateinischen Gattungsnamen Polygonatum (griechisch poly = viele und gony = Knoten) ihrem fast waagerecht im Erdboden liegendem auffälligen weißen Rhizom, das durch knotig verdickte Glieder charakterisiert ist. Auf diesen Gelenken zeigen sich kreisförmige, vertiefte Narben, die an ein Siegel erinnern. Sie stammen vom Absterben der oberirdischen Teile aus dem Vorjahr und haben zu dem Volksnamen Vielblütiges Salomonsiegel geführt.

Doch Achtung! Umgangssprachlich wird oft auch nur kurz vom Salomonsiegel gesprochen, was aber wegen der Namensgleichheit mit dem viel selteneren Echten Salomonsiegel, der Wohlriechender Weißwurz (Polygonatum odoratum), zu Verwechslungen führen kann.

Hübscher Blattschmuck Die Staude entwickelt bogig-aufrechte unverzweigte Stängel, die im Gegensatz zum kantigen Stängel der Wohlriechenden Weißwurz einen runden Querschnitt besitzen. An ihnen wachsen circa fünf bis acht Zentimeter lange, wechselständig und zweizeilig angeordnete, eiförmig-elliptische, parallelnervige Blätter. Sie sind sitzend oder kurz gestielt und einfach. Ihre Oberseite ist dunkelgrün und die Unterseite graugrün bereift. Die Blätter sind auch außerhalb der Blütezeit sehr dekorativ, weshalb die Pflanze auch gerne von Hobbygärtner in Garten angepflanzt wird.

Giftige Beeren Im August und Herbst reifen die Früchte heran. Die anfangs noch roten, später blauschwarz bereiften Beeren haben einen Durchmesser von etwa sieben bis neun Millimetern und enthalten kugelige, braune Samen. Die attraktiven Beeren können leicht mit den gleichzeitig reif werdenden Heidelbeeren verwechselt werden. Allerdings schmecken sie widerlich-süßlich und sind vor allem giftig. Verantwortlich für die Toxizität sind Steroidsaponine. Ältere Vermutungen, dass herzwirksame Glykoside enthalten sind, konnten nicht bestätigt werden.

FÜLLE AN BLÜTEN
Im Mai und Juni entspringen aus den Blattachseln nickende, langstielige Blütenstände. Diese bestehen aus zwei bis fünf weißen glockenartigen Blüten mit grünlichen Spitzen in Trauben hängend. Sie sind mit zehn bis zwölf Millimeter Länge sehr lang, sodass nur Insekten mit sehr langen Rüsseln wie beispielsweise Hummeln oder Schmetterlinge den Nektar erreichen. Häufig erfolgt Selbstbestäubung. Im Unterschied zur Wohlriechenden Weißwurz, die gewöhnlich nur eine oder höchstens zwei angenehm duftende Blüten ausbildet, sind die Blüten der Vielblütigen Weißwurz, wie der Name schon sagt, vielzählig und zudem geruchlos.

Die Saponine wirken stark reizend. Nach dem Verzehr der Früchte sowie anderer Pflanzenteile kann es zu heftigem Erbrechen, krampfartigen Bauchschmerzen und Durchfall kommen. Bei hohem Flüssigkeits- und Salzverlust sind Kreislaufstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel und Atemnot möglich.

Obsoletes Heilmittel Das Rhinzom wurde früher zu Heilzwecken eingesetzt. Bereits Dioskurides erwähnte es zur Behandlung frischer Wunden und von Gesichtsflecken. Um 1500 wurde ein Destillat der ganzen Pflanze als Gesichtswasser eingesetzt. 100 Jahre später fand die Waldpflanze Verwendung bei allen Arten von Erkrankungen des Bewegungsapparates.

Diese Indikation hat sich auch lange in der Volksheilkunde gehalten, welche die Vielblütige Weißwurz bei vielerlei Sportverletzungen wie Blutergüssen, Prellungen, Verstauchungen oder Brüchen anwendete. Zudem war sie als blutdruck- und blutzuckersenkendes sowie harntreibendes Mittel, als Hustenschleimlöser und generell als Tonikum bei Altersbeschwerden beliebt. In der Signaturenlehre bildete das Rhizom ein Mittel gegen Hühneraugen, weil diese den Narben des Rhizoms ähneln. Heute hat die Vielblütige Weißwurz keine Bedeutung mehr in der Heilkunde.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/14 ab Seite 72.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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