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Venenleiden

VERSTOPFTE GEFÄSSE

Besenreiser und Krampfadern sind ein weit verbreitetes Problem. Unbehandelt können sie ernsthafte Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Unterstützen Sie Ihre Kunden, rechtzeitig etwas dagegen zu tun.

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Venenleiden gehören zu den häufigsten Erkrankungen hierzulande: Bei über 90 Prozent der erwachsenen Männer und Frauen sind Veränderungen in den Beinvenen feststellbar, ein Fünftel weist sogar Symptome einer chronischen venösen Insuffizienz auf. Dabei sind Venenerkrankungen nicht nur ein Problem älterer Menschen. Bereits jeder dritte Jugendliche ist laut der Deutschen Venen-Liga e.V. von einer Venenschwäche betroffen.

Vielfach unterschätzt Die Zielgruppe der Kunden mit Venenproblemen ist also groß. Viele Betroffene wissen jedoch gar nicht, dass sie selbst zum Patientenkreis zählen. Die ersten sichtbaren Zeichen einer Venenerkrankung haben eine jahrelange pathogenetische Vorgeschichte, die sich unbemerkt in den Tiefen der Venen abspielt. Schwere, müde Beine, unangenehme Spannungsgefühle und Kribbeln im Wadenbereich, Schwellungen und Schmerzen in den Beinen treten anfangs lediglich bei akuten Belastungen auf.

Viele verkennen ihre Bedeutung und sind sich nicht über die chronischen Entzündungsprozesse in ihrem Venensystem bewusst, die ohne Eingreifen unaufhörlich weiter voran schreiten. Erkrankungen der Venen kann man zwar nicht heilen, doch wer frühzeitig gegensteuert, kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.

Immer herzwärts Die Venen übernehmen die Aufgabe, verbrauchtes, sauerstoffarmes Blut zum Herzen zu transportieren – bis zu 7000 Liter täglich. Um das Blut in Richtung Herz – also entgegen der Schwerkraft – führen zu können, sind die Beinvenen mit Venenklappen ausgestattet. Sie arbeiten wie Ventile, die das Blut nur in eine Richtung nach oben fließen lassen und einen Rückfluss und damit das Zurücksacken des Blutes in die Beine verhindern.

VENENLEIDEN – EIN WEIBLICHES PROBLEM?
Frauen sind auf die gesamte Lebensphase betrachtet nicht häufiger von Venenleiden betroffen. Allerdings bilden sich bei ihnen im mittleren Lebensalter aufgrund hormoneller Einflüsse wie Schwangerschaften und die Einnahme von Kontrazeptiva häufiger Krampfadern als bei Männern gleichen Alters.

Der Bluttransport aus den Beinen in Richtung Herz wird wirksam von der Wadenmuskulatur unterstützt. Man spricht auch von der Muskelpumpe: Bei jeder Bewegung werden die Venen durch sich zusammenziehende Muskeln zusammengedrückt, sodass das Blut immer ein Stückchen höher gepumpt wird. Zudem hilft die Thoraxpumpe, einen ungehinderten Blutfluss zu Herzen zu gewährleisten, indem der beim Einatmen entstehende Unterdruck im Bauchraum das venöse Blut zum Herzen saugt.

Gestörter Rückfluss Allerdings kann das Zurückfließen des Blutes durch vielfältige Faktoren behindert werden. Häufig sind die Betroffenen genetisch vorbelastet. Es liegt eine angeborene Bindegewebs- und Venenwandschwäche vor, die sich mit zunehmendem Alter verstärkt und zu einer nachlassenden Elastizität der Venen führt. Außerdem tragen falsches Schuhwerk und ein ungesunder Lebensstil wie Übergewicht und Bewegungsmangel zu einer Schädigung der Venen bei.

Vor allem zu wenig Bewegung ist ein essenzieller Wegbereiter für ein Venenleiden. Bei zu langem Stehen oder Sitzen ist die Muskelpumpe weitgehend inaktiv und lässt das Blut regelrecht in den Beinen versacken. Der fortwährende Druck des Blutes auf die Venenwände erweitert die Venen, sodass die Venenklappen nicht mehr funktionsgerecht schließen. Das Blut staut sich in den Venen und der Innendruck erhöht sich, wodurch die Venenwände sich dehnen, verlängern und verformen.

»Für einen ungestörten Blutfluss in Richtung Herz spielen intakte Venenklappen eine entscheidende Rolle.«

Geschädigte Venen zeigen sich zunächst als Besenreiser und Krampfadern (Varizen). Dabei handelt es sich um gekrümmte, bläulich schimmernde oberflächliche Venen. Sie sind sackförmig erweitert und schlängeln sich sicht- und tastbar im Bereich der Beine entlang. Ein Krampfaderleiden (Varikose) ist entstanden.

Besenreiser und Krampfadern Bei den Besenreisern sind lediglich kleinste Venen in der Oberhaut erweitert, die in der Regel nicht zu Beschwerden führen und nur ein optisches Problem darstellen. Allerdings sollte man sie nicht verharmlosen, denn sie können auch schon sichtbarer Ausdruck eines behandlungsbedürftigen Venenleidens sein. Krampfadern sind bereits Zeichen einer Venenerkrankung und die häufigste Ursache für Venenentzündungen, die ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen können.

Krampfadern gehen zunächst mit Symptomen wie Juckreiz, Schwereund Spannungsgefühl, Schwellungen, Wadenkrämpfen und Schmerzen in den Beinen einher. Im weiteren Verlauf entwickeln sich aufgrund entzündlicher Prozesse in den Venen krankhafte Veränderungen vom Ödem über Hautveränderungen bis hin zum Unterschenkelgeschwür (Ulcus cruris venosum).

Fortschreitende Venenentzündung Der zunehmende Druck in den Venen lässt Lücken in der Gefäßwand entstehen. Die Innenseiten der Venen sind mit einem Gewebe (Endothel) ausgekleidet, das normalerweise die Venenwand gut abdichtet und mit speziellen Substanzen dafür sorgt, dass das Blut flüssig bleibt. Nimmt aber der hydrostatische Druck im Beinvenensystem zu, kommt es rein physikalisch zur Aufweitung der Fugen zwischen den Endothelzellen.

Die Venenwand wird durchlässig, sodass immer mehr Wasser, der Hauptbestandteil des Blutplasmas, hindurch sickert und sich besonders im Knöchelbereich Ödeme bilden. Außerdem werden komplexe biochemische Mechanismen in Gang gesetzt, welche entzündliche Reaktionen aktivieren und das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) und damit für die Entstehung einer Thrombose erhöhen. Liegt eine Entzündung und Thrombose in den oberflächlichen Venen vor, spricht man von einer Thrombophlebitis. Sie ist örtlich begrenzt und zeigt sich durch Erwärmung und Rötung der betreffenden Venen und einen starken Druckschmerz.

Kommt es zur Blutgerinnselbildung und zum Verschluss der tiefer gelegenen Bein- und Beckenvenen, handelt es sich um eine Phlebothrombose, bei der die Gefahr besteht, dass ein abgelöster Thrombus zur Lunge wandert und eine lebensbedrohliche Lungenembolie auslöst. Hinweise auf eine Phlebothrombose sind ein stark angeschwollenes oder blau verfärbtes Bein sowie starke Druckschmerzen in den Kniekehlen, an der Wade oder Fußsohle.

Der Rückstau des sauerstoff- und nährstoffarmen Blutes bedingt auch eine unzureichende Versorgung von Haut und Gewebe. Überdies entwickelt sich oft eine verstärkte Venenklappeninsuffizienz, wodurch sich das Blut in den Venen immer stärker staut und eine fortschreitende Venenentzündung und später eine chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) resultiert.

Chronisch-venöse Insuffizienz Der Begriff CVI umfasst alle sichtbaren Veränderungen und Symptome, die sich mit der Zeit in Folge einer chronischen Rückflussstörung des venösen Blutes entwickeln. Anhand der klinischen Ausprägung wird die CVI in verschiedene Stadien gegliedert, wobei unterschiedliche Einteilungen existieren. Die Klassifizierung nach Widmer teilt die CVI in drei Stadien ein. Dabei sind im Anfangsstadium I die Ödeme noch reversibel, im Stadium II bilden sie sich nicht mehr zurück und im Stadium III hat sich schließlich ein gefürchtetes Ulcus cruris gebildet.

Eine andere Stadieneinteilung, die CEAP-Klassifikation, kennt sechs Kategorien, welche die chronische Venenerkrankung sehr viel genauer differenzieren. Der Begriff stammt aus dem Englischen und ist eine Abkürzung für „Klinischer Befund“ (C = clinical condition), „Ätiologie“ (E = etiology), „Lokalisation“ (A = anatomic location) und „Pathophysiologie“ (P = pathophysiology). Bei C0 sind keine sicht- oder tastbaren Zeichen einer Venenerkrankung zu erkennen. Als C1 werden sichtbare erweiterte Gefäße unter der Haut und netzförmig angelegte Venen bezeichnet. C2 steht für Krampfadern, C3 für Ödem, C4 für Veränderung der Haut und des Unterhautgewebes, wobei noch zwei Unterklassen definiert sind. Von C5 spricht man bei einem geheilten und von C6 bei einem aktiven venösen Geschwür.

Rechtzeitiges Handeln notwendig Damit es gar nicht soweit kommt, muss ein Venenleiden frühzeitig diagnostiziert und konsequent behandelt werden. Nach den Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der CVI der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie ist das Ziel der Behandlung, die subjektiven Beschwerden zu verbessern, Ödeme zu verringern oder zu beseitigen und einer Verschlimmerung des CVI-Grades zu verhindern. Dafür empfiehlt die Gesellschaft eine Kombination aus operativen Methoden, physikalischen Maßnahmen, Kompressionstherapie und systemisch wirksamen Medikamenten.

Aktiv werden Da die Muskelpumpe eine essenzielle Rolle beim ungestörten Rückfluss des Blutes zum Herzen spielt, ist eine regelmäßige Bewegung der Muskulatur das A und O bei Venenleiden. Neben einfachem Spazierengehen gelten als venengesunde Sportarten beispielsweise Wandern, Walken oder Radfahren, da sie die Wadenmuskulatur trainieren und damit den Rückfluss des Blutes zum Herzen fördern. Allerdings muss nicht immer ein umfangreiches Sportprogramm durchgeführt werden. Es reichen auch schon kleine Übungen, die sich bequem zu Hause, am Arbeitsplatz oder unterwegs regelmäßig in den Alltag integrieren lassen. Die „Fußwippe“ oder der „Zehenspitzen-Stand“ sind beispielsweise bekannte Gymnastikübungen für gesunde Venen.

Gut gewickelt Eine frühzeitige und regelmäßige Kompressionstherapie ist integraler Bestandteil einer Venenbehandlung. Kompressionsstrümpfe verbessern den Rückfluss des Blutes, indem sie einen elastischen Druck auf die oberflächlichen Beinvenen ausüben. Die Venen werden eingeengt, sodass die Venenklappen wieder funktionsgerecht schließen. Zudem unterstützt die Kompression bei jeder Bewegung die Muskelpumpe. Ein Zurückfließen des Blutes aus dem tiefen in das oberflächliche Venensystem wird verhindert und damit der venöse Rückstrom gefördert.

Dabei üben Stützstrümpfe einen geringeren Anpressdruck aus als Kompressionsstrümpfe. Kompressionsstrümpfe werden je nach Intensität des ausgeübten Drucks im Fesselbereich in die Kompressionsklassen 1 bis 4 eingeteilt. Während Kompressionsstrümpfe in erster Linie zur Vorbeugung und Nachsorge von Schwellungen zum Einsatz kommen, werden Kompressionsverbände vor allem zur entstauenden Akutbehandlung (z. B. eines Ulcus cruris) verwendet.

Pflanzenkraft nutzen Mithilfe pflanzlicher Ödemprotektiva kann es bei regelmäßiger Einnahme gelingen, dem Verlust der Endothelabdichtung entgegenzuwirken und damit den Austritt von Flüssigkeit ins umliegende Gewebe zu reduzieren und daraus sich entwickelnde Entzündungsprozesse zu verhindern. In Untersuchungen hat sich beispielsweise für die innere Anwendung der Extrakt des Roten Weinlaubs bewährt. Enthaltene Flavonoide (Isoquercitrin, Quercetin und Kämpferol) verfügen über entzündungshemmende und gefäßschützende Eigenschaften.

PRIMÄRE UND SEKUNDÄRE VARIKOSE
Ursache für eine primäre Varikose sind Risikofaktoren wie eine angeborene Bindegewebsschwäche, Übergewicht, Bewegungsmangel oder sitzende sowie stehende Tätigkeiten. Eine sekundäre Varikose ist die Folge anderer Erkrankungen wie beispielsweise Thrombosen, Tumore oder Erkrankungen des Bindegewebes.

Entzündliche und thrombotische Reaktionen werden unterbunden, Venenwände geschützt und abgedichtet. Schmerzen und ein Schweregefühl in den Beinen lassen spürbar nach, Schwellungen spürbar reduziert. Darüber hinaus verbessert die Wirkstoffmischung die Mikrozirkulation und die Sauerstoffversorgung im Gewebe.

Ähnliche Effekte zeigen die Flavonoide Rutin aus dem Buchweizen und die Rutoside aus dem japanischen Schnurbaum, die zur Resorptionserleichterung partialsynthetisch in Troxerutin beziehungsweise Oxerutin verändert werden. Zudem sind feste Kombinationen aus Troxerutin mit Cumarin aus dem Steinklee erhältlich. Auch Aescin, ein Saponingemisch vom Triterpenglykosid-Typ aus dem Rosskastianiensamen, sowie die Steroidsaponine Ruscogenin und Neoruscogenin aus dem Extrakt des Mäusedornwurzelstocks werden häufig aufgrund ihrer ödemprotektiven und antiexsudativen Eigenschaften als Venentherapeutika eingesetzt.

Obwohl es keine ausreichenden Studienergebnisse für eine topische Venenbehandlung gibt, sind Gele und Salben mit Pflanzenextrakten (z. B. Rotes Weinlaub, Rosskastaniensamen, japanischer Schnurbaum, Arnika) oder Heparin bei den Verwendern äußerst beliebt, da sie eine subjektive Erleichterung verschaffen. Ein bewährter Tipp ist es, gekühlte Gele zu verwenden. Dabei sollte zur Unterstützung des venösen Rückflusses vom Fußknöchel in Richtung Oberschenkel massiert werden. Eine Kontraindikation stellen jedoch akute Venenentzündungen und Thrombosen wegen der Emboliegefahr dar.

Operativ eingreifen Gelingt keine ausreichende Behandlung mit Bewegung, Kompression und Medikamenten, können operative Methoden erwogen werden. Gängig ist eine Verödungsbehandlung (Sklerosierungstherapie), die sowohl als kosmetisches Element (z. B. bei Besenreisern) als auch bei medizinischer Indikation (z. B. wenn Krampfadern den Blutstrom stören oder mit Geschwüren einhergehen) durchgeführt wird.

Dafür spritzt der Arzt mit einer feinen Nadel ein gewebstoxisches Verödungsmittel in die erkrankte Vene ein, wodurch es zu einem vorläufigen Verschluss des Gefäßes kommt. Durch anschließende Kompressionstherapie werden dauerhafte Ergebnisse erzielt. Beim Venenstripping entfernt (strippt) der Arzt unter Narkose die geschädigten Venen mittels einer Sonde. Dabei werden heute nur noch die Teile der Vene gezogen, bei denen die Venenklappen defekt sind. Gesunde Areale bleiben bestehen.

Ergänzende Tipps Raten Sie Ihrem Kunden neben gezielten körperlichen Aktivitäten (Venengymnastik, venengesunder Sport) so oft es geht, ohne Schuhe zu laufen. Barfuß gehen aktiviert die Fußsohlenpumpe und erleichtert daher wie auch Bewegung den Rücktransport des Blutes zum Herzen. Auch sollte aus dem gleichen Grund immer wenn möglich die Gelegenheit genutzt werden, die Beine entspannt hochzulegen. Schließlich nutzen kalte Güsse, kaltes Abduschen von unten nach oben sowie Wechselduschen der Venengesundheit, da kaltes Wasser die Blutzirkulation in den Beinvenen verbessert.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/15 ab Seite 58.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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