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Krebs

UNKONTROLLIERTES GESCHEHEN – TEIL 1

Wird aus einer Körperzelle eine Tumorzelle, bricht sie aus dem normalerweise streng geregelten Rhythmus aus Teilungs-, Arbeits- und Ruhephasen aus und vermehrt sich schließlich unaufhörlich.

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Es entsteht in dem betroffenen Organ eine „Neubildung” , die andere Gewebe verdrängen, Hohlräume obstruieren und sogar Strukturen zerstören kann. Von den so genannten soliden Tumoren in den verschiedensten Organen unterscheidet man die hämatologischen: den Krebs von Blut, Knochenmark oder Lymphsystem („Blutkrebs” oder Lymphome). Je nachdem, ob ein Tumor invasiv wächst, also in das umgebende Gewebe infiltriert oder ob er Gewebegrenzen nicht überschreitet, und ob er Tochtergeschwülste aussät oder es bei der lokalen Wucherung bleibt, handelt es sich um eine maligne, also bösartige, oder um eine benigne, sprich gutartige Geschwulst.

Wächst ein Tumor zwar in umgebendes Gewebe ein und zerstört es, streut aber keine Metastasen, fällt er in die Rubrik „semimaligner Tumor”. Hierzu gehört beispielsweise einer der häufigsten Tumoren überhaupt, eine Form des so genannten weißen oder hellen Hautkrebses, das Basaliom.

Fehlregulation des Zellzyklus Ihren Ursprung nimmt die Entwicklung in einer Veränderung der genetischen Information. Fehler können jederzeit spontan, im Zuge der unzähligen im Körper stattfindenden Zellteilungen bei der Replikation (Verdoppelung) der DNS entstehen; viele werden auch durch äußere Einflüsse (Beispiel: UV-Strahlung) ausgelöst. Finden sie an kritischen Stellen des Genoms statt, können die Zellen transformieren (sich in unkontrolliert wachsende Zellen verwandeln).

Solche sensible Orte sind Gene, die an der Regulation der normalen, physiologischen Zellteilung und Reifung der Zelle beteiligt sind. Betrifft die Veränderung ein so genanntes Proto-Onkogen, das in die Kontrolle des Zellzyklus eingebunden ist, kann ein Onkogen entstehen, mit der möglichen Folge einer vermehrten Synthese des entsprechenden Genprodukts. Kodiert das betroffene Gen beispielsweise ein Protein, das die Proliferation, also Vermehrung, der Zelle fördert, so wird diese angekurbelt.

KREBSAUSLÖSENDE FAKTOREN

+ Bestimmte Chemikalien, insbesondere organische Verbindungen wie beispielsweise aromatische Amine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder die Pilzgifte Aflatoxine.
+ Inhalation von Asbeststaub.
+ Ionisierende Strahlung (Radioaktive Strahlen; Röntgenstrahlen) und UV-Strahlung (UV-A und UV-B). Ob auch nicht-ionisierende Strahlen (elektromagnetische Felder, auch „Elektrosmog” genannt) ein mögliches Risiko sind, ist nicht abschließend geklärt.
+ Onkogene Viren. Hierzu gehören humane Papillomaviren (HPV), Hepatitis-Bund-C-Virus.

Viele Kanzerogene, zum Beispiel radioaktive Strahlung, haben keinen Schwellenwert, unterhalb dessen kein DNS-Schaden gesetzt wird. Dies heißt aber nicht, dass in jedem Fall einer Exposition notwendig Krebs entstehen muss.

Einen ähnlichen Effekt kann es nach sich ziehen, wenn ein Tumorsuppressorgen mutiert: Dessen Funktion im normalen Leben der Zelle ist es, zu gegebener Zeit einen Wachstumsstopp zu induzieren. Funktioniert ein solches Gen wegen einer Schädigung nicht mehr richtig, entfällt dieser Regulierungsmechanismus. Auch dann kann es zu ungehemmtem Wachstum kommen.

Der lange Weg zum Tumor Die Tumorentstehung (Kanzerogenese oder Karzinogenese) nimmt ihren Ausgang von einer einzigen Zelle. Im Laufe der ständigen Teilungen entsteht auf der Basis weiterer akkumulierter Mutationen eine heterogene Zellpopulation. Die Entwicklung erstreckt sich zum Teil über Jahrzehnte. Man geht davon aus, dass sie sich in mehreren Schritten vollzieht. Zunächst setzt ein „gentoxisches” Kanzerogen einen irreversiblen Schaden an der DNS (Initiation).

Erst wenn die betroffene Zelle – die zunächst noch normal funktioniert – in der Folge immer wieder weiteren ungünstigen Einflüssen, etwa Wachstumsstimuli ausgesetzt ist, kann schließlich ein – zunächst gutartiger – Tumor entstehen. Zu solchen Einflussfaktoren (Promotoren) können neben verschiedenen Noxen auch Hormone oder chronische Entzündungen gehören.

Kontroll- und Reparaturmechanismen Ob am Ende wirklich Krebs entsteht, hängt auch vom Funktionieren verschiedener körpereigener Schutz- und Kontrollmöglichkeiten ab. So sind Zellen in der Lage, Fehler, die während der Reduplikation der DNS entstehen, mithilfe verschiedener Strategien auszumerzen. Beispielsweise können während der Verdoppelung des DNS-Strangs Fehler in der Basenfolge korrigiert werden oder aber bei größeren Defekten die ganze Zelle zum Absterben (Apoptose) gebracht werden. So wird potenziell gefährliche Information ausgeschaltet und verhindert, dass sie sich vervielfältigt.

Diese Reparaturprozesse finden im Rahmen der normalen Zellteilung tagtäglich tausendfach statt. Ist dennoch eine Krebszelle entstanden, kann das Immunsystem sie anhand veränderter Oberflächenmerkmale erkennen und unschädlich machen. Es gibt aber immer wieder Krebszellen, die der Abwehr entkommen, beispielsweise wenn das Immunsystem geschwächt ist oder die Zellen sich nicht eindeutig von normalen Zellen unterscheiden. Nur ein kleiner Teil aller Krebserkrankungen ist erblich. Ein solcher „hereditärer” Krebs bedeutet nicht, dass sich bei betroffenen Familienangehörige in jedem Fall ein Tumor entwickelt, jedoch haben sie wegen einer ererbten Mutation ein erhöhtes Risiko. Ein erster Schritt zur Krebsentstehung ist bei ihnen schon gemacht.

Entdifferenzierung & Streuung Im Zuge der Vermehrung verlieren die transformierten Zellen einige oder alle Merkmale ihrer bisherigen Spezialisierung. Je stärker diese Entdifferenzierung, also je mehr sich die Tumorzelle von den Zellen des Gewebes, aus dem sie stammt, unterscheidet, desto bösartiger ist der Tumor in der Regel. Zudem bilden die Zellen bestimmte Oberflächenmoleküle nicht mehr aus, die Adhäsionsmoleküle auf der Zellmembran, die für Zusammenhalt und Kommunikation zwischen benachbarten Zellen wichtig sind. Dadurch können sie sich aus dem Zellverband herauslösen. Über den Blutweg oder den Lymphstrom gelangen sie auch in entfernte Organe.

Bei vielen Krebsarten siedeln sich Tumorzellen zunächst in Lymphknoten im Abflussgebiet des Tumors ab (regionäre Metastasen). Die Lokalisation von Fernmetastasen ist unter anderem vom Primärtumor abhängig. Tumoren des Darmes metastasieren häufig in die Leber; Brustkrebszellen befallen zunächst meist Lymphknoten der Achselhöhle, danach wandern sie häufig in Knochen oder Gehirn. Mit der Absiedlung von Tochtergeschwülsten sinken bei vielen Krebsarten die Heilungschancen erheblich.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/12 ab Seite 101.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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