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Neue Serie: Viren & Bakterien – Teil 2

ÜBERLEBENSKÜNSTLER

Vor kurzem machte das hierzulande noch nicht so bekannte Bakterium Acinetobacter baumannii Schlagzeilen. Es wurde im Zusammenhang mit Todesfällen an einer Klinik genannt. Hier sein „Steckbrief“.

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Dass viele noch nicht von ihm gehört haben, liegt daran, dass der Keim in Deutschland bislang noch nicht so oft nachgewiesen wurde. Hier ist er für jede 50. Pneumonie auf Intensivstationen verantwortlich. Infektiologen schreiben ihm aber zunehmende Bedeutung zu. In Osteuropa und Asien kommen deutlich häufiger Infektionen damit vor. In subtropischen und tropischen Regionen ist er gar der häufigste Keim auf Intensivstationen.

Seit etwa zehn Jahren ist die Spezies auch als Verursacher von Wundinfektionen bei Soldaten nach Einsätzen im Irak und in Afghanistan bekannt. Hierzulande muss damit unter anderem dann gerechnet werden, wenn Patienten aus einer Klinik in einer warmen, südlichen Region nach Deutschland verlegt werden.

Beweglich Das gramnegative Stäbchen besitzt anders als diverse andere Bakterien keine Geißeln , weshalb man die Gattung lange für „akinetisch“, also unbeweglich hielt, daher auch der Name. Es hat sich aber herausgestellt, dass der Organismus durchaus mobil ist.

Opportunistischer Keim Während viele andere Arten der Gattung Acinetobacter Boden- und Wasserbewohner sind, ist der natürliche Lebensraum von A. baumannii bisher nicht bekannt. Fest steht, dass das Bakterium auch bei gesunden Menschen als Bestandteil der Hautflora vorkommt und auch Schleimhäute etwa des Nasen- Rachen-Raums besiedeln kann. A. baumannii zählt zu den Opportunisten, das heißt, er ist kein obligat krankmachender Keim. Vielmehr – und das zeigen auch die Fälle des Kieler Krankenhauses – „nutzt“ er quasi Schwachstellen bereits kranker Menschen aus.

Insbesondere können Patienten nach einer Operation die Infektion akquirieren sowie solche, die beatmet werden oder bei denen ein Katheter gelegt wurde. Für sie kann er dann – vor allem, wenn es sich um einen Vertreter mit Multiresistenz handelt – gefährlich werden. Neben Harnwegsinfekten ruft er im Krankenhaus, insbesondere auf Intensivstationen, hauptsächlich Pneumonien hervor. Wird er in das Blut eingeschwemmt, kann es auch zu einer Sepsis kommen.

Schwer kontrollierbar Acinetobacter zeichnet sich durch eine sehr hohe Umweltstabilität aus. Er ist über Wochen und sogar Monate auf unbelebten Materialien, selbst in trockener Umgebung, und auch in der Raumluft überlebensfähig. Geräte oder Armaturen, die häufig von Personal mit den Händen berührt werden, sind wichtige Erregerreservoirs. Um eine Keimübertragung zu verhindern, muss in medizinischen Einrichtungen daher regelmäßig eine Wisch- beziehungsweise Flächendesinfektion durchgeführt werden.

Eine Eigenschaft, die A. baumannii besonders hartnäckig macht, ist die Ausbildung von Biofilmen. Ein solcher Film besteht aus von den Bakterien produzierten Stoffen, welche eine schleimige Matrix (Hydrogel) bilden, in der die Mikroorganismen gemeinsam leben. Er verleiht den Keimen Schutz gegenüber widrigen Umwelteinflüssen. Hinzu kommt, dass Substanzen, die ihnen schaden könnten – also auch Antibiotika – nur schwer in die zähe Schicht eindringen können – und wenn, so werden die Stoffe nur schlecht von den Bakterien aufgenommen, da diese sich hier im Zustand eines herabgesetzten Stoffwechsels befinden.

Übertragen wird der Keim in erster Linie über die Hände und über kontaminierte Gegenstände – von Bettwäsche bis zum Ultraschall-Gel, Sonden und Kathetern. Auch eine Übertragung über die Luft ist möglich. In einer Studie fand man, dass das Stäbchen-Bakterium leichter von Patient zu Patient weitergegeben wird als sein berühmt-berüchtigter „Kollege“ MRSA, der Methicillin- resistente Staphylococcus aureus.

Behandlungsoptionen eingeschränkt Zunehmend werden multiresistente Stämme von A. baumannii isoliert. Er ist offenbar wichtiger „Player“ beim „horizontalen Gentransfer“, wie er zwischen Bakterien natürlicherweise vorkommt. Dies ist die Bezeichnung für eine Übertragung genetischen Materials – das beispielsweise Unempfindlichkeit gegenüber bestimmten Antibiotika verleiht – von einem Individuum auf ein anderes, die unabhängig von der Fortpflanzung und Arten- überschreitend stattfindet.

Multiresistente gramnegative Keime (MRGN) sind generell eine wichtige Fraktion der sogenannten Krankenhauskeime. Man unterscheidet sie danach, wie vielen der Antibiotika, die bei schweren Infektionen hauptsächlich eingesetzt werden, sie trotzen: Sind sie auf drei der wichtigen Gruppen Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Fluorchinolone nur mehr herabgesetzt empfindlich, spricht man von 3MRGN, sind alle vier Antibiotika-Gruppen betroffen, von 4MRGN. Gegebenenfalls müssen Reservemedikamente, mit zum Teil ungünstigem Nebenwirkungsprofil, wie zum Beispiel Colistin eingesetzt werden.

Teil 1 finden Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 128.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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