Kleines Kind hat einen Blutstropfen auf dem Finger und bekommt Glukosewert gemessen© PavlovskiJenya / iStock / Getty Images Plus
Wenn Kleinkinder an Diabetes erkranken, haben Eltern die Aufgabe, den Blutzuckerspiegel regelmäßig zu kontrollieren.

Typ-1-Diabetes

EFFEKTIVE HILFE DANK AUTOMATISIERTEM INSULINABGABESYSTEM

Eine Diabetes-Erkrankung und deren Management ist gerade bei kleinen Kindern ein Kraftakt für alle Beteiligten. Eine automatisierte Insulinabgabe gab es bislang nur für ältere Kinder und Jugendliche. Doch das könnte jetzt vorbei sein, wie Forscher in einer klinischen Studie gezeigt haben.

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Wenn bei Kleinkindern die Diagnose Diabetes gestellt wird, stehen Eltern vor einer großen Herausforderung. Sie haben nicht nur die Aufgabe, ihren Schützlingen die Erkrankung näher zu bringen, sondern sie müssen regelmäßig den Blutzuckerspiegel kontrollieren. Für diese Altersgruppe geht das meist nur mit aufwendig zu bedienenden Insulinpumpen, die in Kombination mit einer kontinuierlichen Glucosemessung unter der Haut als sensorunterstützte Pumpentherapie bezeichnet wird.

Bei dieser Vorgehensweise müssen die Eltern die Insulindosierung und Anpassung des erhöhten Blutzuckers manuell vornehmen. Da solche Korrekturen häufig nachts vorgenommen werden müssen, bedeutet das wenig Schlaf für Eltern und Kind. Diese Altersgruppe hat die höchste Variabilität im Insulinbedarf von Tag zu Tag und kann nicht selbständig auf Blutzucker reagieren. Wäre der Blutzucker über einen längeren Zeitraum erhöht, könnte das negative Folgen auf die Hirnentwicklung und den Intelligenzquotienten haben. Ein automatisiertes Insulinabgabesystem, wie es bereits bei älteren Kindern und Jugendlichen angewendet wird, war innerhalb dieser Altersgruppe bislang nicht möglich. 
 

Forscher entwickeln automatisiertes Insulinabgabesystem für Kleinkinder

Doch warum sollte eine solche automatisierte Insulinabgabe nicht auch bei kleinen Kindern möglich sein? Hierfür testeten Wissenschaftler aus ganz Europa ein an der Universität Cambridge entwickeltes automatisiertes Insulinabgabesystem. Als Probanden standen dem Forscherteam 74 Kinder im Alter von ein bis sieben Jahren und deren Familien aus sieben kinderdiabetologischen Zentren in Großbritannien, Österreich, Luxemburg und Deutschland zur Verfügung.  Die Universitätsmedizin Leipzig war als einziger nationaler Standort am internationalen Konsortium beteiligt.

Im Mittelpunkt der Studie stand neben den Probanden die von Professor Roman Hovorka von der Universität Cambridge entwickelte Android-App namens „CamAPS FX“. Sie passt in Kombination mit Insulinpumpe und kontinuierlicher Glucosemessung automatisch die Insulindosis an und soll so den Blutzuckerspiegel bei Kleinkindern mit Typ-1-Diabetes verwalten.
 

Neuentwicklung effektiver als Standardtherapie

Mittels dieser App müssten Eltern zwar ihren Kindern zu den Mahlzeiten noch Insulin geben. Zu allen anderen Zeitpunkten würde aber der Algorithmus abhängig von den Glucosespiegeln automatisch die Insulinmenge steuern. Man spricht hier von dem sogenannten Hybrid-Closed-Loop-System.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass das System sicher und zudem auch effektiver war als die Standardtherapie in dieser Altersgruppe. Neben dieser positiven Erkenntnis berichteten Eltern, dass sie nachts wieder durchschlafen könnten ohne auf erhöhte oder erniedrigte Blutzucker reagieren zu müssen. Betrachtet man detailliert das System bei Nacht, so lag die Zeit im Zielbereich bei mehr als 80 Prozent. 
Kinderdiabetologe und Leiter dieser Studie im Diabeteszentrum der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, PD Dr. med. Thomas Kapellen, untersuchte zehn Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren. „Neun von ihnen nutzen das System auch nach dem Ende der groß angelegten Studie, aktuell im Rahmen einer nachfolgenden Beobachtung im realen Leben“.
 

Blutzucker fast drei Viertel des Tages im Zielbereich

Alle 74 Probanden nutzten für 16 Wochen den sensorunterstützten Modus, die bisherige Standardtherapie. Im Anschluss dann für 16 Wochen das automatisierte Hybrid-Closed-Loop-System. Die Ergebnisse zeigen, dass mit dem Gebrauch des „CamAPS FX” der Blutzuckerwert fast drei Viertel des Tages im Zielbereich lag. Insgesamt rund zwei Stunden pro Tag länger als mit der bisherigen Standardtherapie. 
Damit verbrachten die Probanden weniger als ein Viertel des Tages, 22,9 Prozent, oberhalb des Zielbereichs des Blutzuckers. Hinsichtlich der Unterzuckungen gab es zwischen der Versuchs- und der Kontrollgruppe keinen Unterschied. Zudem konnte festgestellt werden, dass die App auch den mittleren Blutzucker reduziert. Die Stoffwechseleinstellung der Kinder war somit unter Verwendung des neuen Systems wesentlich verbessert und im gewünschten Bereich. 

„Die App ist CE-zertifiziert, wird derzeit jedoch noch nicht von den Kostenträgern in Deutschland bezahlt. Da es das einzige derzeit weltweit CE-zertifizierte System für ein Behandlungsalter ab einem Jahr ist, würde ich mir eine schnelle Zulassung und Kostenübernahme durch die Krankenkassen in Deutschland wünschen“, so Dr. Thomas Kapellen.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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