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Bettnässen

TROCKENE NACHT?

Enuresis nocturna bezeichnet das nächtliche, unkontrollierte Wasserlassen von fünfjährigen und älteren Kindern. Verständnis und Unterstützung von Seiten der Eltern sind für das Selbstwertgefühl der Sprösslinge von großer Bedeutung.

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Das Thema wird nach wie vor kaum angesprochen. Viele Eltern schämen sich, weil sie glauben, in der Erziehung versagt zu haben. Völlig unnötig, denn das Phänomen kommt häufiger vor, als man erwartet. Unter Enuresis nocturna versteht man eine vollständige Blasenentleerung, die in der Regel ungewollt im Schlaf stattfindet. Voraussetzung für die Diagnose sind verschiedene Aspekte: Die Betroffenen sind mindestens fünf Jahre alt, die unwillkürliche Blasenentleerung tritt wiederholt auf und organische Erkrankungen sowie medizinische Gründe wurden ausgeschlossen.

Bettnässen ist keine Schande Eine britische Studie zeigte, dass es nicht selten ist, wenn sogar Neunjährige nachts ins Bett machen. Acht Prozent dieser Altersgruppe konnten mindestens zwei Mal wöchentlich im Schlaf das Wasser nicht halten. Einer amerikanischen Untersuchung zufolge sollen vorwiegend Jungen betroffen sein.

Entwicklung der Blasenfunktion Nach der Geburt läuft die Steuerung des Hohlorgans zunächst durch subkortikale Strukturen unwillkürlich ab. Wenn die Blase voll ist, entleert sie sich automatisch. Zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr setzt die bewusste Wahrnehmung der Miktion ein. Die vollständige Kontrolle entfaltet sich im Alter von zwei bis vier Jahren. Oft denken Eltern, ihr Nachwuchs müsste mit etwa drei Jahren bereits trocken sein. Doch nach Meinung der Experten lernen die Kleinen erst mit ungefähr fünf Jahren, ihre Blase auch nachts zu beherrschen.

Zwei Arten des Bettnässens Bei der primären Enuresis waren die Sprösslinge noch nie über einen längeren Zeitraum trocken. Verschiedene Faktoren scheinen das Problem zu fördern, auch wenn die genauen Ursachen nicht eindeutig geklärt sind.

  • Weil das Bettnässen in einigen Familien gehäuft vorkommt, vermutet man eine genetische Prädisposition.
  • Die Kontrollmechanismen der Blasenfunktion entwickeln sich individuell. Bei Betroffenen geht man von einer Entwicklungsverzögerung aus.
  • Das antidiuretische Hormon spielt eine wichtige Rolle für die Regulation des Wasserhaushaltes. Der Hypophysenhinterlappen schüttet es in den Blutkreislauf aus. ADH reduziert die Harnbildung. Bei einigen Kindern, die unter Enuresis leiden, kann ein Mangel dieses Hormons vorliegen.
  • Der Tag-Nacht-Rhythmus der Harnausscheidung wird von der Hypophyse beeinflusst. In der Nacht wird vermehrt Vasopressin abgegeben, sodass der Organismus zu dieser Zeit weniger Urin bildet. Oft ist dieser Rhythmus bei Patienten noch nicht voll ausgeprägt.

Bei der sekundären Enuresis waren die Personen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bereits trocken, bevor sie erneut einnässen. Häufig geht der plötzliche Rückfall mit Veränderungen im Leben der Kinder einher. Daher nimmt man hierfür psychische Gründe an.

Medikamentöse Behandlung Der Arzneistoff Desmopressin ist mit dem körpereigenen Hormon Vasopressin strukturverwandt. Er wirkt durch Hemmung der Wasserausscheidung. Früher gab es Nasensprays – aktuell sind Tabletten die gängige Darreichungsform. Sie zeigen weniger unerwünschte Begleiterscheinungen. Bei einigen Patienten haben trizyklische Antidepressiva einen positiven Effekt, doch aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen lehnen Eltern die Verabreichung dieser Substanzen meist ab.

GELASSEN BLEIBEN
Kein Kind macht absichtlich ins Bett. Das nächtliche, unkontrollierte Urinlassen kann das Selbstwertgefühl Betroffener enorm beeinträchtigen und stellt auch für die Eltern eine hohe Belastung dar. Trotzdem sollten sie Verständnis zeigen und den Nachwuchs auf keinen Fall für das Dilemma bestrafen. Die Kleinen sind auf die positive Unterstützung der Eltern (z. B. in Form von Lob für eine trockene Nacht) angewiesen und gewinnen dadurch an Selbstvertrauen.

Des Weiteren ist es hilfreich, die abendliche Flüssigkeitszufuhr zu reduzieren. Ein Plastikschutz sollte nachts untergelegt werden, um die Matratzen zu schonen.

Alarmtherapie erfolgreich Bewährt haben sich Bettnässer-Alarmsysteme. Sie bestehen aus einem Feuchtigkeitssensor und einem Weckgerät. Ersterer wird in der Windel, Unterhose oder auf der Matratze angebracht, registriert den Flüssigkeitsverlust und löst bei Bedarf ein Signal aus. Die Kinder erwachen und können zur Toilette gehen.

Die Alarmtherapie beruht auf lerntheoretischen Prinzipien und strebt eine Verhaltensänderung an. Die Sprösslinge sollen die Fähigkeit erwerben, langfristig selbst auf ihren Blasendruck zu achten. 66 Prozent der Kinder mit dieser Behandlung blieben nach 10 bis 20 Wochen für ganze 14 Tage trocken. Nur vier Prozent der Kinder ohne Therapie schafften dies.

UnterstützungWeitere Informationen zum Thema Bettnässen gibt es im Internet unter www.selbsthilfeverband-inkontinenz.org, unter anderem mit einem Infoforum und -chat.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/12 ab Seite 104.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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