Die PTA ermittelt. © Sergey Nivens / 123rf.com

Tatort Apotheke

THERAPIETREUE

Unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln können die Therapietreue des Patienten stark beeinträchtigen. Gerade bei Abgabe eines Medikamentes im Rahmen der Erstverordnung ist die Beratung durch PTA und Apotheker unverzichtbar.

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Dass die Tabletten nicht helfen, habe er schon befürchtet, teilt der Kunde der PTA mit. „Und nicht nur das, ich vertrage die Tabletten vom Doktor nicht, deshalb hole ich mir jetzt selber etwas Gutes bei Ihnen. Was halten Sie denn von Johanniskraut?“, will er wissen. Die PTA kennt Herrn Meier nicht und versucht zunächst, das Problem genauer zu erfassen.

„Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die verordneten Tabletten nicht vertragen und diese nun nicht mehr einnehmen? Darf ich fragen, um welches Medikament es sich handelt?“ In der Fortsetzung des Gespräches stellt sich heraus, dass der Kunde gegen eine mittelschwere Depression Amitryptilin einnehmen sollte. Das Medikament hatte er in einer anderen Apotheke gekauft und wie vom Arzt empfohlen eine Tablette am Abend eingenommen.

Schon nach der ersten Gabe stellten sich unangenehme Wirkungen ein wie Herzrasen, Mundtrockenheit und Unruhegefühl. Von den angeblichen positiven Effekten habe er nichts bemerkt. Weil Herr Meier keinen Sinn in der Einnahme sah, hatte er die Tabletten nicht weiter genommen. Seine Beschwerden bestehen jedoch weiterhin, insbesondere Antriebslosigkeit und Lustlosigkeit machen ihm zu schaffen.

Pharmakologischer Hintergrund Das typische Charakteristikum von Antidepressiva ist der verzögerte Wirkungseintritt erst nach zwei bis drei Wochen. Trizyklische Antidepressiva binden an Acetylcholin-, Histamin-, und Adrenorezeptoren und erzeugen unerwünschte Wirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Obstipation und Sedierung. Zum Teil treten chinidinartige Nebenwirkungen wie Arrhythmien und Erregungsweiterleitungsstörungen auf.

Da die Nebenwirkungen direkt zu Therapiebeginn vom Patienten spürbar sind, senken sie die Compliance. Noch bevor der antidepressive Effekt eintritt, wird häufig die Behandlung abgebrochen. Daher ist die Aufklärung von größter Bedeutung für den Erfolg. Zu beachten ist außerdem die Interaktion zwischen Johanniskraut und trizyklischen Antidepressiva.

Der genaue Mechanismus dieser pharmakokinetischen Interaktion ist noch nicht geklärt. Sie hängt wohl mit der Metabolisierung über das Cytochrom P 450-System zusammen, wodurch die Plasmakonzentrationen von trizyklischen Antidepressiva vermindert werden.

Die Leitlinien der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft empfehlen die Therapie nur unter Berücksichtigung potenzieller Interaktionen. Damit sollte in der Selbstmedikation von einer zusätzlichen Einnahme von Johanniskraut mit trizyklischen Antidepressiva abgeraten und auf eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt verwiesen werden.

Zurück zum Fall Die PTA erläutert Herrn Meier den verspäteten Wirkungseintritt des Antidepressivums: „Wissen Sie, die Tabletten brauchen einige Zeit, bis sie für Sie spürbar ihre positive Wirkung entfalten. Bis dahin muss sich Ihr Körper erst einmal an den Wirkstoff gewöhnen. Auf dem Weg dorthin können Nebenwirkungen mehr oder weniger stark auftreten. Ich rate Ihnen, die Tablette erst spätabends zu nehmen, dann werden Sie diese nicht so stark spüren. Mit der Zeit hat sich der Körper daran gewöhnt und empfindet diese Effekte nicht mehr so stark.“ Der Kunde erklärt sich bereit, es noch mal mit den Tabletten zu versuchen und ansonsten den Arzt aufzusuchen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/13 auf Seite 64.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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