© bonzami emmanuelle / 123rf.com

Hormone – Teil 4

TEMPOVORGABE

Die Schilddrüsenhormone regen den Stoffwechsel praktisch aller Zellen an. Problematisch wird es, wenn ihre Regulation nicht mehr stimmt.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Sie wiegt nur um die 20 bis 25 Gramm, die kleine schmetterlingsförmige Schilddrüse, die unterhalb des Kehlkopfes vor der Luftröhre liegt, nimmt aber eine Schlüsselstellung für nahezu alle Körperfunktionen ein: von der Verdauung, über Blutdruck und Herzschlag bis zu Muskelaktivität und Wärmehaushalt. Ihre Botenstoffe bringen zudem Nerven- und Gehirnzellen zum Arbeiten, weshalb nicht zuletzt auch seelisches Gleichgewicht und Wohlbefinden von der richtigen Menge an Schilddrüsenhormonen abhängen.

Gesteuert über das in der Hypophyse gebildete Thyreotropin produziert die Drüse die Hormone Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin (Thyroxin, T4). Zirkulieren ausreichend große Mengen davon im Blut, reagiert die Hirnanhangdrüse mit einer Drosselung der TSH-Ausschüttung, um so die weitere Produktion zu bremsen. Ist zu wenig Schilddrüsenhormon vorhanden, wird mehr TSH gebildet, um sie wieder anzukurbeln. Daher ist TSH der wichtigste Laborwert zur Untersuchung der Schilddrüsenfunktion.

Die Hormone sind eine wichtige Voraussetzung für die Reifung des kindlichen Gehirns; ein Defizit hat gravierende Folgen für die körperliche und vor allem geistige Entwicklung. Deshalb wird bei Neugeborenen routinemäßig TSH gemessen, um einem möglichen Hormonmangel umgehend begegnen zu können.

Wichtiges Spurenelement Für die Produktion der Hormone wird Jod benötigt, das von außen zugeführt werden muss. Der Tagesbedarf Jugendlicher und Erwachsener beträgt 200 Mikrogramm, bei Kindern liegt er altersabhängig niedriger. Schwangere und Stillende dagegen benötigen sogar zwischen 230 und 260 Mikrogramm pro Tag. Sie sollten – nach Rücksprache mit dem Arzt – etwa täglich 100 Mikrogramm zusätzlich in Tablettenform einnehmen.

Auf Sparflamme Ist die Produktion von T3 und T4 zu gering, führt dies dazu, dass sämtliche Körperfunktionen etwas langsamer funktionieren, mit der Folge einer schlechteren sowohl körperlichen wie geistigen Leistungsfähigkeit. Die Symptome sind unspezifisch: Der Mangel an den Botenstoffen bewirkt unter anderem Müdigkeit, Antriebslosigkeit, generelle Schwäche und Kälteempfindlichkeit sowie einen verlangsamten Herzschlag. Außerdem kann sich die Unterfunktion der Drüse in trockener Haut, strohigem Haar und Heiserkeit äußern.

Weitere Zeichen sind Obstipation, Appetitminderung, dabei jedoch oft Gewichtszunahme. Da sich die Veränderungen meist langsam entwickeln, nehmen Betroffene sie zunächst kaum wahr; insbesondere bei Älteren werden sie nicht selten als normaler Alterungsprozess verkannt. Eine leichte bis mäßige Unterfunktion ist nicht gefährlich, jedoch mit einer reduzierten Lebensqualität verbunden. Bleibt sie aber über Jahre hinweg unbehandelt, kann Unfruchtbarkeit resultieren. Außerdem steigt der Cholesterinspiegel an – mit ungünstigen Folgen für Herz und Kreislauf.

Häufigste Ursache ist eine Autoimmunerkrankung, die Hashimoto- Thyreoiditis. Die durch sie bedingte chronische Entzündung führt zur Zerstörung von Drüsengewebe. Meist sind im Blut charakteristische Autoantikörper, zum Beispiel gegen das Enzym TPO, nachweisbar. Bei einer Ultraschalluntersuchung zeigt sich das entzündlich veränderte Gewebe dunkler (echoarm).

Die Autoimmunthyreoiditis ist zwar nicht heilbar, spricht aber gut auf die in der Regel lebenslange Behandlung an: die Gabe eines T4-Präparats (Levothyroxin oder L-Thyroxin), das im Körper je nach Bedarf in die biologisch aktive Form T3 umgewandelt wird. Die Substitution muss individualisiert geschehen und gut kontrolliert werden.

Übersteuert Bei einer Schilddrüsenüberfunktion leiden die Betroffenen unter Schweißausbrüchen, Herzrasen, Schlafmangel, Unruhe und Nervosität; sie neigen dazu, zu zittern und können hyperaktiv sein. Trotz guten Appetits nehmen sie eher an Gewicht ab. Weitere mögliche Zeichen sind erhöhte Stuhlfrequenz, Wärmeintoleranz und eine Muskelschwäche. Bei länger andauernder, schwerer Überfunktion droht wegen des beschleunigten Knochenumbaus ein Verlust an Knochendichte. Außerdem kann es zu einer – vorübergehenden – Unfruchtbarkeit kommen.

Eine häufige Ursache ist der Morbus Basedow, eine Autoimmunerkrankung, die anders als die Hashimoto-Thyreoiditis die Drüsenfunktion nicht hemmt. Vielmehr führen die hier gebildeten Antikörper (TRAK) zu einer gesteigerten Aktivierung des TSH-Rezeptors der Schilddrüse und damit zu der vermehrten Hormonproduktion. Speziell diese Form der Hyperthyreose geht oft mit einer Augenbeteiligung einher, wie dem typischen Exophthalmus, einem Hervortreten der Augen, auch ein Druckgefühl, Lidschwellung und starke Lichtempfindlichkeit kommen vor.

Eine andere wichtige Ursache ist die Schilddrüsenautonomie, meist die Folge der Anpassung an einen längere Zeit bestehenden Jodmangel. Oft reagiert die Schilddrüse darauf mit einem Gewebewachstum (Kropfbildung; Jodmangelstruma). Teile der Drüse verselbstständigen sich, das heißt, ihre Funktion unterliegt nicht mehr der Regulation durch übergeordnete Instanzen wie Gehirn und Hirnanhangsdrüse. Vielmehr produzieren sie unkontrolliert ihre Hormone – vorausgesetzt, es wird viel Jod zugeführt. Dies kann zum Beispiel in Form jodhaltiger Arzneimittel geschehen, insbesondere nach Injektion jodhaltiger Röntgenkontrastmittel.

Aber auch Hautdesinfektionsmittel, hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel oder Algenprodukte können eine Schilddrüsenüberfunktion manifest werden lassen oder bestehende Beschwerden einer noch unbehandelten Hyperthyreose verschlimmern. Selten kann sich eine lebensbedrohliche Komplikation entwickeln: eine thyreotoxische Krise. Diese Stoffwechselentgleisung ereignet sich auf dem Boden einer schweren – möglicherweise noch unerkannten – Schilddrüsenüberfunktion, wenn bestimmte Auslöser wie Operationen, Infektionen oder eine massive Jodexposition (Kontrastmittel!) hinzukommen.

Thyreostatika drosseln die Synthese von T3 und T4. Beim Morbus Basedow kann die Medikation ausreichen, allerdings kommt es häufig zu Rezidiven. Autonome Knoten können damit nicht beseitigt werden, deshalb erfordert eine Schilddrüsenautonomie im Anschluss an die Pharmakotherapie meist eine Radiojodtherapie oder einen Eingriff.

Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 48.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

×