© Beat Ernst, Basel

Heilpflanzen

SIBIRISCHER RHABARBER

Eine Vielzahl von Arten werden unterschiedlich genutzt. Der sibirische Rhabarber hat sich zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden bewährt.

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Der sibirische Rhabarber stammt aus der Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae). Er gedeiht als ausdauernde Staude mit einem ausgeprägten Wurzelwerk und erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 2,5 Metern. Die großen eiförmigen Blätter stehen gegenständig an einem kantigen, fleischigen Stil und weisen einen etwas gewellten Blattrand auf. Die kleinen in Rispen stehenden Blüten blühen von Mai bis Juni grünlich-weiß.

Rhabarber ist nicht gleich Rhabarber Der sibirische oder Rhapontik-Rhabarber ist eine der etwa 60 Arten der Gattung Rheum. Die Wurzel dieser Rhabarbersorte (Rhapontikwurzel) ist weitaus weniger bekannt als die offizinelle Rhabarberwurzel Rhei radix, die von den Stammpflanzen der Rheum palmatum L. und Rheum officinale BAILL. stammt.

Die Rhapontikwurzel gilt sogar als Verfälschung der Arzneibuchware, da ihr Gehalt an Anthranoidglykosiden weitaus geringer als in der offiziellen Droge ist. Die Wurzel des sibirischen Rhabarbers findet aber auch keine Verwendung als Abführdroge wie die Wurzel der beiden anderen Rheumarten, sondern wird als Spezialextrakt, der keine Anthranoide enthält, zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden eingesetzt.

Geschätzte Wurzel Rhabarberwurzeln sind schon seit altersher bekannt. Erste Hinweise über die Verwendung des sibirischen Rhabarbers zu Heilzwecken stammen aus China und reichen bis ins dritte vorchristliche Jahrhundert zurück. Die Traditionelle Chinesische Medizin setzte die Wurzeln schon damals gegen „Hitze” und Verdauungsbeschwerden ein.

Von China aus verbreitete sich der Rhabarber über Russland nach Europa und bereits Dioskurides erwähnte in seiner „De materia medica” (um 78 n. Chr.) die Wurzel des „Pontischen Rhabarber”. Er beschrieb ihr Äußeres sowie den Geschmack und gab vielerlei Indikationsgebiete an, bei denen sie eingesetzt werden kann. Beispielsweise wurde sie gegen Schmerzen, Magenleiden, Brust- und Blasenbeschwerden, Krämpfe, Milz-, Leber- und Nierenleiden oder Krankheiten des Unterleibs gepriesen. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts wurden Rhabarberwurzeln verstärkt nach Europa importiert, wo sie vor allem in Russland und England medizinische Verwendung fanden. Allerdings handelte es sich nicht immer um den Rhapontik-Rhabarber.

VIELE NAMEN FÜR DIE GLEICHE PFLANZE
Ursprünglich ist der sibirische Rhabarber in Südsibirien beheimatet, worauf auch sein Name deutet. Außerdem wird das südwestliche Bulgarien als Heimat angegeben, was der Pflanze ihr Synonym Bulgarischer Rhabarber eingebracht hat. Der botanische Name Rhabarber rhaponticum geht auf die Handelswege zurück, über die diese Rhabarberart früher in die Mittelmeerländer gebracht wurde. Und da die Länder am Schwarzen Meer damals mit Pontus bezeichnet wurden, wurde die Pflanze „Rha Pontium“ genannt, wovon sich auch der gängige deutsche Name Rhapontik-Rhabarber ableitet.

Auch andere Rheumarten kursierten, vor allem die als Abführdroge geschätzten Arten Rheum palmatum und Rheum officinale. Darüber hinaus wurde Rheum rhabarbarum seit Mitte des 18. Jahrhunderts in England als Gemüsepflanze angebaut. Seine Stängel wurden mit Zucker verkocht und als „Englisches Kompott” bekannt. Erste Rhabarberpflanzen gelangten schließlich einhundert Jahre später zur Gemüseverarbeitung nach Deutschland.

Gegen Wechseljahresbeschwerden Auch die Stängel des sibirischen Rhabarbers sind genießbar. Schließlich wurde bei uns im 20. Jahrhundert das medizinische Potenzial der Pflanze erkannt. Ihre Wurzeln werden inzwischen zu einem Spezialextrakt verarbeitet, der als apothekenpflichtiges Arzneimittel gegen Wechseljahresbeschwerden erhältlich ist. ERr 731 (Extrakt Rheum rhaponticum 731) gilt als sicheres und nebenwirkungsfreies Therapeutikum bei klimakterischen Beschwerden, da er weder synthetische Estrogene enthält noch den körpereigenen Estrogenspiegel erhöht.

Seine Wirkung ist auf die selektive Aktivierung des beta-Estrogen-Rezeptors zurückzuführen. Der in Brust und Gebärmutterschleimhaut enthaltene alpha-Rezeptor, welcher die Zellteilung anregt und für das Wachstum estrogenabhängiger Tumoren wie Brustkrebs und Endometrium-Hyperplasie verantwortlich gemacht wird, wird hingegen nicht stimuliert. Damit sind auch keine Veränderungen von Brustgewebe oder Gebärmutterschleimhaut sowie kein höheres Brustkrebsrisiko zu erwarten. Die klinische Wirksamkeit des Spezialextraktes ist auf die in der Wurzel enthaltenen Hydroxystilbene Rhaponticin und Desoxyrhaponticin sowie Rhapontigenin und Desoxyrhapontigenin zurückzuführen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/12 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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