© AntonioGuillem / iStock / Getty Images
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Tipps für den Alltag

SERIEN-JUNKIES SCHLAFEN SCHLECHTER

Exzessives Seriengucken geht häufig mit negativen Konsequenzen wie Schlafentzug einher. Doch der Konsum hat auch positive Seiten und kann die Persönlichkeitsentwicklung fördern.

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Serien sind heutzutage ein angesagtes Gesprächsthema: Was sind die besten neuen Serien und welche sollte man unbedingt gesehen haben? Auch in Beziehungen spielt Seriengucken oft eine große Rolle und ist ein beliebtes Pärchen-Hobby. Vor allem im Winter verbringen sogenannte Binge-Watcher schon einmal den ganzen Tag auf der Couch und schauen sich eine Folge nach der anderen an. Eine Studie, die im Journal of Clinical Sleep Medicine veröffentlicht wurde, zeigte, dass Binge-Viewer deutlich häufiger unter Schlafproblemen leiden als Personen, die keine Serien schauen. Nicht nur das späte Ins-Bett-Gehen, sondern auch die Aufregung seien Gründe dafür. Außerdem fanden Wissenschaftler der University of Melbourne heraus, dass Binge-​Watching dem Gedächtnis schadet (Horvath et al., 2017).

Was fesselt den Menschen an Serien? Professor Claus-Peter Ernst untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Selbstwertgefühl und Binge-​Watching von Reality-Serien sowie der Bindung von Betroffenen zu den Serienfiguren. Er kam zu dem Ergebnis, dass selbstbewusste Personen aufgrund ihrer Suche nach Zugehörigkeit in den Bann einer Serie geraten und sich zu interessanten Figuren hingezogen fühlen. Menschen mit einem geringen Selbstwert fokussieren sich beim Seriengucken auf Rollen, die einen schlechteren Status als sie selbst haben. Sie fühlen sich dadurch besser, was ein befriedigendes Gefühl verursacht, das ebenfalls zur Abhängigkeit führen kann. Dieses Phänomen ist in die Theorie des sozialen Abwärtsvergleichs einzuordnen, nach der sich Menschen schützen, indem sie sich mit Personen vergleichen, die ihnen im interessierenden Merkmal unterlegen sind.

Serienschauen = Probehandeln? Svenja Taubner, Psychoanalytikerin und Direktorin des Instituts für Psychosoziale Prävention am Universitätsklinikum Heidelberg, brachte zusammen mit Timo Storck das Buch „Von Game of Thrones bis The Walking Dead“ heraus. Sie untersuchten, warum Individuen in den Bann von Serien geraten und stellten fest, dass es das Spiegeln der aktuellen Lebensrealität sei, das Menschen zum Binge-Watching bringt. Die Rezipienten identifizieren sich teilweise mit den Figuren, sodass beliebte Serien wie Breaking Bad sogar Reflexionen des eigenen Charakters anstoßen. Taubner geht außerdem davon aus, dass anspruchsvolle Geschichten ein Probehandeln beim Beobachter bewirken.

Die Handlungsschritte des Protagonisten werden gedanklich durchgespielt und die Zuschauer spekulieren darüber, wie sie sich in den entsprechenden Situationen verhalten würden. Somit hat das Seriengucken nicht nur Nachteile: Quality-TV, womit anspruchsvolle Fernsehserien gemeint sind, kann Rezipienten Denkanstöße geben, schwierige Lebensthemen bewusst machen oder verdrängte Gefühle ansprechen. In guten Erzählungen werden Möglichkeiten der Verarbeitung aufgezeigt, sodass die Zuschauer eine neue Sichtweise auf Probleme erlangen. Serien sind demnach mit konstruktiven Gesprächen vergleichbar, durch die Individuen einen neuen Blickwinkel auf gewisse Lebensumstände erlangen können.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/19 ab Seite 139.

Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin

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