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Emotionale Intelligenz

SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

Je höher die emotionale Intelligenz, desto leichter erklimmt man die Leiter des persönlichen und beruflichen Erfolgs. Denn sie bestimmt unsere Sozialkompetenz und damit unseren Platz in der Gesellschaft.

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Was nützen einem Menschen überragende kognitive Fähigkeiten, wenn er in einem Team arbeiten muss, seine Ideen plausibel machen möchte oder gar Menschen führen soll? Die Antwort ist: Nicht viel. Denn Intelligenz bedeutet lediglich, dass man selbst in der Lage ist, Neues schnell zu analysieren, zu verstehen und Problemlösungen zu finden. Doch intelligent zu sein, muss nicht unbedingt bedeuten, auch klug zu sein und zu handeln.

Denn „Niemand ist eine Insel“, stellte schon der englische Schriftsteller John Donne im 17. Jahrhundert fest, das heißt, jeder Mensch funktioniert in einem System und ist von diesem abhängig. Übertragen auf die Arbeitswelt wurde die Idee des „Niemand ist eine Insel“ mit dem ausgehenden 20. Jahrhundert immer wichtiger. Der Trend ging zu flachen Hierarchien, Teambildung und dem Anspruch an Menschen in Führungsfunktionen, ihre Mitarbeiter zu motivieren. „Social skills“, soziale Fähigkeiten, waren mindestens genauso gefragt wie kognitive. Damit wurde eine Idee aus den 1920er-Jahren plötzlich wieder aktuell.

Aus „sozialer“ wird „emotionale“ Intelligenz Damals stellten Edward Lee Thorndike und David Wechsler, zwei US-amerikanische Psychologen, eine These auf: Selbst der fachlich fähigste Mechaniker wird als Vorarbeiter scheitern, wenn er nicht über soziale Intelligenz verfügt, also über die Fähigkeit zu zielgerichteter gesellschaftlicher Zusammenarbeit. Dieses Konzept griffen John D. Mayer und Peter Salovey, ebenfalls US-amerikanische Psychologen, 1990 wieder auf und nannten diese Fähigkeit „Emotionale Intelligenz“. Sie sollte die Menschen befähigen, ihre eigenen Emotionen sowie die Gefühle anderer richtig zu verstehen, zu analysieren und zweckgerichtet beeinflussen zu können.

Populär wurde der Begriff „Emotionale Intelligenz“ aber erst 1995 durch das Buch des klinischen Psychologen Daniel Goleman. Er spricht von fünf Fähigkeiten, die die emotionale Intelligenz umreißen. Hierzu zählt das Erkennen und Akzeptieren der eigenen Emotionen, wodurch sich der Einzelne seinen Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert fühlt. Darauf baut das Beeinflussen der Emotionen auf, denn nur, wer erkennt, dass man Gefühle steuern kann, kann überwältigende Gefühle abschwächen und durch positive mildern.

Wer das beherrscht, kann einen Schritt weitergehen und die Emotionen so steuern, dass er damit bestimmte Ziele erreicht. So kann man etwa das Verlangen nach direkter Reizbefriedigung unterdrücken, wenn man weiß, dass dadurch ein größeres Ziel zu erreichen ist. Diesen Belohnungsaufschub sehen Psychologen als essenziell für Erfolg an, denn er ist die Grundlage der Selbstmotivation, des Durchhaltevermögens und des Hinwirkens auf ein größeres, lohnendes Ziel.

Empathie und die Fähigkeit, die Emotionen anderer zu beeinflussen wiederum gehören für Goleman zu den Führungsqualitäten. Nur wer in der Lage ist, andere Menschen zu „lesen“ , kann früh genug reagieren, um mögliche Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Und nur, wer andere Menschen manipulieren kann, im positiven wie im negativen Sinne, kann sie auf ein gemeinsames Ziel einschwören.

Gerade die Führungsqualitäten machten das Konzept der Emotionalen Intelligenz für Personalchefs interessant. Allerdings finden sich hier große Unterschiede. In den USA, Spanien und Großbritannien zum Beispiel setzen Firmen sehr auf Persönlichkeitstests, um die emotionale Intelligenz zu bestimmen. In Deutschland hingegen nutzen nur etwa 20 Prozent aller Arbeitgeber diese Möglichkeit.

Wie misst man sie? Der Grund dafür ist sicherlich, dass emotionale Intelligenz, anders als die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen, nicht wirklich messbar ist. So kommen Faktoren wie Umgebung, körperliche Verfassung oder Herkunft, die schon das Ergebnis herkömmlicher Intelligenztests beeinträchtigen, bei Tests zur emotionalen Intelligenz noch viel stärker zum Tragen. Hinzu kommt: Wie misst man Sozialkompetenz? Wie misst man, ob jemand die eigenen Gefühle richtig erkennen, kanalisieren und instrumentalisieren kann?

Hintergrund
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Intelligenz und Erfolg in der Schule zusammenhängen. Doch diese Korrelation gilt – außer bei Lehrberufen – nicht für die berufliche Tätigkeit. Eine hohe Intelligenz führt also nicht automatisch zu einem besseren Job. Dazu ist noch ein weiterer Faktor notwendig: die emotionale Intelligenz.

Die „Erfinder“ der emotionalen Intelligenz, Mayer und Salovey, haben es trotzdem versucht. Sie unterteilten für ihren Test die emotionale Intelligenz in vier Teilbereiche: Wahrnehmung, Nutzung, Verstehen und Beeinflussung. Der Test selbst umfasst unter anderem Kriterien wie Emotionen in Gesichtern erkennen, jene Emotion finden, mit der sich ein Problem am besten lösen lässt, multiple Emotionen in einer Handlung erkennen und Möglichkeiten erarbeiten, wie sich eigene und fremde Emotionen verändern und steuern lassen. Dieser Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence-Test gilt bis heute als Standard zur Messung der Emotionalen Intelligenz.

Erfolgsfaktor emotionale Intelligenz Kritik gibt es nach wie vor an der Terminologie: Viele Psychologen meinen, der Begriff „Intelligenz“ solle kognitiven Fähigkeiten vorbehalten bleiben, man solle bei emotionaler Intelligenz eher von „emotionaler Kompetenz“ sprechen. Aber wie auch immer: Sie ist eine treibende Kraft im Zusammenleben der Menschen. Ohne sie kann eine Gesellschaft nicht überleben. Und je stärker die emotionale Intelligenz der Gesellschaftsmitglieder ausgeprägt ist, desto besser und friedlicher funktioniert sie.

Die Erforschung hat darüber hinaus aber noch etwas viel Erstaunlicheres hervorgebracht: Menschen mit einer hohen emotionalen Intelligenz sind sowohl im Beruf als auch im Privatleben erfolgreicher. Darüber hinaus gilt: Je höher die emotionale Intelligenz, desto geringer ist das Risiko für psychische Krankheiten und Suchtanfälligkeit. Die Erforschung der emotionalen Intelligenz könnte also nicht nur für den Schlüssel zum Erfolg, sondern auch zum Glück sein.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 128.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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