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Übersäuerung

SAUER MUSS NICHT SEIN!

Die Symptome einer chronischen Übersäuerung sind zwar nicht eindeutig, es gibt jedoch verschiedene Beschwerden, die auf einen gestörten Säure-Basen-Haushalt hindeuten.

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Müde und energielos? Konzentrationsstörungen oder Hautprobleme? Für solche Krankheitsanzeichen könnte eine Störung des Säure-Basen-Haushalts verantwortlich sein. Meist wissen die Kunden nicht, dass sie von einer solchen Problematik betroffen sind, da sich die Beschwerden recht unspezifisch zeigen. Klagen Patienten über derartige Symptome, sollten PTA und Apotheker sie darauf aufmerksam machen, dass eventuell eine gestörte Balance des Säure-Basen-Haushalts als Ursache in Betracht kommt.

Hintergrund Der pH-Wert des Blutes ist von großer Bedeutung, da er für die ordnungsgemäße Funktion des entsprechenden Gewebes sorgt. Er hat Einfluss auf die Permeabilität von Membranen oder auf die Arbeit bestimmter Enzyme. Damit der Stoffwechsel einwandfrei läuft, muss das Verhältnis zwischen Säuren und Basen ausgewogen sein und darf nur minimal schwanken.

Um dies zu gewährleisten, liegen im Blut so genannte Puffersysteme vor, die einen konstanten pH-Wert anstreben. Diese arbeiten mit Basen, die H+-Ionen aufnehmen können, und mit Säuren, welche H+-Ionen abgeben. Der bedeutsamste Puffer im Blut ist der Bikarbonat-Kohlensäure-Puffer. Über die Lunge wird die Konzentration der Kohlensäure gesteuert, über die Niere der Gehalt an Bikarbonat. Die Kohlensäure kann sich bei Bedarf zu Wasser und Kohlendioxid zersetzen. Letzteres wird über die Atmung aus dem Körper ausgeschieden.

Weitere Puffer sind Hämoglobin, Plasmaprotein- sowie Phosphatpuffer. An deren Regeneration sind unter anderem die Nieren und die Leber beteiligt. Basische Endprodukte werden über die Leber abtransportiert, die Nieren hingegen können erhebliche Ansammlungen an Säuren ausscheiden. Die Abgabemenge hängt dabei von der jeweiligen Stoffwechselsituation ab.

Akute Azidose Bei dieser Art der Übersäuerung handelt es sich um einen lebensgefährlichen Zustand, der unverzüglich mit Notfallmaßnahmen behandelt werden muss, um den physiologischen Blut-pH-Wert wiederherzustellen. Die akute Azidose kommt in der Praxis sehr selten vor und resultiert in der Regel aus Erkrankungen der Organe , die an der Regulierung des Säure-Base-Gleichgewichts beteiligt sind. Durch Ernährungseinflüsse lässt sich diese Form nicht hervorrufen.

Latente Azidose Eine chronische Übersäuerung entwickelt sich vorwiegend durch falsche Ernährungsgewohnheiten, aber auch Faktoren wie unzureichende Bewegung oder Stress fördern das Ungleichgewicht. Isst man zu wenig Obst und Gemüse, hat dies häufig ein Defizit an basischen Mineralstoffen zur Folge, sodass das Risiko einer chronischen Azidose erhöht ist.

Fasten und Diäten
Auch der Verzicht auf Nahrung nimmt Einfluss auf die Säure-Basen-Balance des Körpers und kann zu einer Übersäuerung führen, da beim Fettabbau zahlreiche Ketosäuren entstehen. Betroffene spüren dies durch die so genannte Fastenkrise. Sie stellt sich nach einigen Tagen durch die eingeschränkte Stoffwechselfunktion ein, vorausgesetzt, der Organismus wird nicht ausreichend mit basischen Mineralstoffen (z. B. durch Obst und Gemüse) versorgt.

Oft entsteht sie auch aufgrund eiweißreicher Kost (Milchprodukte, Fleisch oder Fisch), aber auch Getreideprodukte besitzen einen säurebildenden Effekt. Insgesamt schadet ein Überschuss säurefördernder Lebensmittel, denn sie enthalten Phosphor und Schwefel, aus denen sich beim Abbau der Proteine die entsprechenden Säuren bilden.

Zu Beginn einer latenten Azidose machen sich erst einmal keine Beschwerden bemerkbar. Im weiteren Verlauf treten jedoch Symptome wie Müdigkeit, Erschöpfung, Nervosität, Muskel- und Gelenkprobleme, Veränderungen der Haut, Haare oder Nägel sowie eine verminderte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit auf. Durch unsere heutige Lebensweise steigt die Zahl der Betroffenen stetig und lässt das Thema zu einem relevanten Aspekt im Apothekenalltag werden.

Respiratorische Azidose Eine atmungsbedingte Übersäuerung des Blutes zeigt sich, wenn die Abatmung des Kohlendioxids gestört ist. Folglich konnten Symptome wie Atemnot, Tachykardie, pulmonale Hypertonie, Rötungen der Gesichtshaut, Verwirrung und Koma beobachtet werden. Die Nieren versuchen dabei, den pathologischen Zustand durch eine verstärkte Protonenausscheidung zu kompensieren. Gelingt dies nicht, sinkt der Blut-pH-Wert weiter ab und die respiratorische Azidose endet vermutlich mit dem Tod.

»Mit einem regelmäßigen Obst- und Gemüseverzehr kann man den Folgen der Azidose entgegenwirken.«

Metabolische Azidose Hierbei entsteht die Übersäuerung durch vermehrt im Stoffwechsel vorliegende Protonen, durch deren reduzierten Abtransport oder durch einen Bikarbonat-Mangel. Ursachen sind Vergiftungen mit sauren Substanzen, chronische Niereninsuffizienzen oder diabetische Stoffwechselentgleisungen.

Die so genannte Ketoazidose ist eine Komplikation bei Diabetes, die sich aus einem absoluten Insulinmangel ergibt. Dieser führt dazu, dass Fette in der Leber zur Energiegewinnung abgebaut werden, da der Patient unter diesen Bedingungen keine Glukose verwerten kann. Klinisch kennzeichnet sich die Ketoazidose durch Polyurie, Durst und Erbrechen. Betroffene verlieren schließlich das Bewusstsein, bis unbehandelt schlimmstenfalls der Tod eintritt.

Einfluss auf die Knochen Der Körper hat verschiedene Möglichkeiten, auf eine Übersäuerung zu reagieren. Die Basendepots der Knochen (besonders Kalzium und Magnesium) werden unter Umständen genutzt, um Säuren zu neutralisieren. Langfristig geht das jedoch auf Kosten der Knochengesundheit. Andererseits kann die überschüssige Säure ins Bindegewebe eingelagert werden.

Bemerkbar macht sich ein Defizit an basischen Lebensmitteln besonders bei Menschen mit Gelenkbeschwerden, da sich der Säureüberschuss dann negativ auf die Elastizität des Bindegewebes und somit unter anderem auf Bänder, Muskeln und Sehnen auswirkt. Auf diese Weise werden Gelenkprobleme möglicherweise verstärkt. Mit einem regelmäßigen Obst- und Gemüseverzehr kann man den Folgen der Azidose jedoch entgegenwirken.

Exkurs: Saurer Magen Ein wesentlicher Bestandteil des Magensaftes ist die Magensäure (Salzsäure). Exogene Faktoren wie Alkohol, Kaffee, Nikotin, Stress oder bestimmte Medikamente können die Bildung der Salzsäure steigern. Eine kurzzeitige Störung der Säureproduktion des Magens hat keine nennenswerten Folgen, jedoch führt eine dauerhafte Veränderung zu ernsthaften Komplikationen (Schädigungen der Magen- und Duodenalschleimhaut).

Wenn saurer Magensaft in die Speiseröhre zurückfließt, spricht man vom Sodbrennen. Dabei handelt es sich nicht um eine eigenständige Erkrankung, sondern um ein Symptom. Üblicherweise findet man dabei eine normale gastrale Säureproduktion. Gelegentlicher Reflux ist unbedenklich, verursacht keine Beschwerden und betrifft auch gesunde Menschen.

Die Speiseröhre besitzt einen Selbstreinigungsmechanismus, mit dessen Hilfe sie Nahrungsreste und sauren Magensaft entfernt. Besteht jedoch ein zu hoher Druck oder ist die Funktion des Systems beeinträchtigt, treten Probleme auf. Zum Beispiel nimmt bei einem gefüllten Magen der Druck auf den Schließmuskel, der am Übergang von Speiseröhre und Magen liegt, zu, sodass der Mageninhalt unter Umständen zurückläuft.

Voluminöse Mahlzeiten, hastiges Essen oder fett- und zuckerhaltige Lebensmittel begünstigen die Magensäureproduktion. Auch Übergewicht fördert Reflux, da es den Schließmuskel belastet. Vegetative Genussmittel wie Nikotin, Koffein und Alkohol beeinflussen die Tätigkeit des Sphinkters sowie die Magensaftsekretion.

Auch bestimmte Arzneimittel wie Nitropräparate, Kalziumantagonisten, einige Psychopharmaka oder Schmerzmittel provozieren Sodbrennen. Zur Verminderung der Säurebildung setzt man Protonenpumpenblocker sowie Histamin-H2-Rezeptorantagonisten ein. Erstere haben den Vorteil, dass sie eine wesentlich längere Wirkdauer besitzen und eine kontinuierliche 24-Stunden-Säuresekretionshemmung aufrechterhalten werden kann.

Antazida werden häufig im Rahmen der Selbstmedikation eingenommen und eignen sich zur Anwendung bei leichten, gelegentlich vorkommenden Leiden. Ihr Wirkmechanismus besteht darin, dass sie überschüssige Säure mithilfe von basischen Mineralien neutralisieren. Bei diesem Vorgang entstehen leicht lösliche Salze.

Bestimmung der Azidose Zur Beurteilung des Säure-Basen-Haushaltes ist es möglich, den pH-Wert des Urins mithilfe spezieller Teststreifen festzustellen. Um exakte Ergebnisse zu erzielen, muss man bei dieser Methode jedoch mehrere Messungen täglich in relativ kurzen Zeitabständen durchführen, da der pH-Wert natürlichen Schwankungen unterliegt (meist zwischen 5,0 und 7,5).

Diese sind abhängig von den Mahlzeiten: Bei gesunden Personen steigt der Basenspiegel nach dem Essen stark an. Daher sollte man die Teststreifen vor oder ein bis zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme gebrauchen. Sporadische Messungen sind folglich nicht aussagekräftig. Voraussetzung für dieses Verfahren ist, dass keine Nierenerkrankungen vorliegen. Die genaue Durchführung sieht folgendermaßen aus:

  • frischen Harn in einem Becher sammeln
  • das Indikatorpapier für etwa eine Sekunde in die Flüssigkeit tauchen (alternativ können Patienten auf den Teststreifen urinieren)
  • der Teststreifen verändert je nach pH-Wert seine Farbe
  • sofort die Farbe mit der Skala vergleichen und den entsprechenden Wert ablesen.

Die Interpretation der Urin-pH-Werte kann hilfreiche Hinweise liefern, doch die Werte müssen im Zusammenhang mit der Ernährung betrachtet werden. Eine fleischreiche Kost passt beispielsweise nie zu einem überwiegend basischen Urin. Um Aufschluss über eine eventuell vorliegende Übersäuerung zu bekommen, lohnt es sich auch, die eigene Ernährung einmal unter die Lupe zu nehmen. Dabei vergleicht man das Verhältnis säure- und basenbildender Lebensmittel und zieht daraus Schlüsse auf eine potenzielle Azidose.

Eine weitere Möglichkeit ist eine Überprüfung durch die Bluttitration nach Jörgensen und Stirum. Dabei wird die pH-Wert-Pufferkapazität des Blutes ermittelt: Je geringer dieser Wert ist, umso mehr körpereigener Puffer ist bereits verbraucht. Außerdem lassen sich Aussagen zur intrazellulären Übersäuerung treffen.

Wieder in Balance Stellt sich im Beratungsgespräch heraus, dass der Kunde Symptome einer Übersäuerung zeigt, ist ein Säure-Basen-Ausgleich empfehlenswert. PTA und Apotheker sollten Patienten in diesen Fällen raten, ihre Ernährungs- und Lebensgewohnheiten umzustellen. Jedoch kann es ohne weitere Maßnahmen sehr lange dauern, bis die eingelagerten Säuren entfernt sind.

Im Handel befindliche Basenpulver reduzieren die nahrungsbedingte Säurebelastung und gleichen einen Säureüberschuss rascher aus. Dazu gibt es zahlreiche Produkte in unterschiedlichen Darreichungsformen. Die Präparate sind mindestens über zwei bis drei Monate anzuwenden, damit die Säuren beseitigt werden und sich die Puffersysteme des Organismus regenerieren können.

Hintergrund
Der Säure-Base-Haushalt beschreibt die Balance zwischen sauren (H+) und basischen
Molekülen (OH-) im menschlichen Organismus. Es ist von lebenswichtiger Bedeutung, dieses Gleichgewicht konstant zu halten. Der pH-Wert des Blutes ist die wichtigste Messgröße für den Säure-Basen-Haushalt. Bei einem sauren Blut-pH-Wert spricht man von einer Azidose, bei einem basischen Blut-pH-Wert von einer Alkalose.

Betroffene, die es nicht schaffen, ihre Ernährungsweise zu optimieren, können ihre Kost auch langfristig mit basischen Mineralstoffen anreichern. Als vorteilhaft stellte sich eine dauerhafte Basenzufuhr auch bei Rheumapatienten heraus, denn sie lindert Schmerzen und verbessert das Befinden deutlich.

Citrate als Puffer Zum Entsäuern sind organische Mineralstoffverbindungen wie Kalium- oder Magnesiumcitrate besonders günstig. Die Citrat-Anionen (korrespondierende Basen zur Zitronensäure) fangen im Stoffwechsel Protonen ab. Ihre Resorption findet erst im Dünndarm statt, sodass Interaktionen mit der Magensäure ausbleiben. Die Verbindungen binden nicht nur überschüssige Säuren, sie neutralisieren auch saure Ablagerungen. Citrate sind sehr gut verträglich und können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden.

Basisches Bad Überschüssige Säuren in der Haut sind schädlich und können zu Brennen, Juckreiz und weiteren Überempfindlichkeitsreaktionen führen. Durch ihre Neutralisation lassen sich verschiedene Hautprobleme verringern.

Daher gehören zu einem umfassenden Entsäuerungsprogramm auch Basenbäder. Sie aktivieren die Entsäuerung über die Haut, sodass die Säuren regelrecht aus den Poren herausgezogen werden. Dem Wasser werden dabei vor dem Baden basische Verbindungen zugesetzt, die den pH-Wert erhöhen. Misst man diesen vor und nach dem Bad, wird man feststellen, dass der Wert in der Zwischenzeit offensichtlich sinkt.

Sauer muss nicht säurebildend sein Nicht alles, was sauer schmeckt, muss säurebildend sein. Ein klassisches Beispiel dafür sind Zitronen – ihr Geschmack ist sehr stark sauer, doch ihre Wirkung im Organismus nach der Verstoffwechslung basisch. Unser Körper ist nur mit Geschmacksrezeptoren für sauer schmeckende Substanzen ausgerichtet. Deshalb bemerken wir die in Zitronen vorkommenden, basischen Mineralstoffe nicht.

Die Fruchtsäuren werden ohne Belastung des Säure-Basen-Systems vollständig abgebaut. Zitronen sind daher für eine gesunde Ernährung willkommen. Basische Lebensmittel sind beispielsweise Gemüse, Blattsalate, Obst, Trockenfrüchte und Kartoffeln. Zur säurebildende Kost gehören Fleisch, Wurst, Fisch, Milchprodukte, kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Brot und Nudeln, Alkohol, Eier, sowie Zucker und Süßwaren.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 auf Seite 58.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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